Angst vor dem Teufel?

Die Versuchung Christi aus dem Ummendorfer Kopialbuch Jacob Murers

 

Die Versuchung Christi. Zeichnung im Ummendorfer Kopialbuch von Jacob Murer, vor 1531. Vorlage: LABW, HStAS H 14 Bd. 287, Bl. 12 v. Zum Vergrößern bitte klicken.
Die Versuchung Christi. Zeichnung im Ummendorfer Kopialbuch von Jacob Murer, vor 1531. Vorlage: LABW, HStAS H 14 Bd. 287, Bl. 12 v. Zum Vergrößern bitte klicken.

Der Teufel ist in der christlichen Glaubenswelt das personifizierte Böse. Sein Hauptmotiv besteht in der Verführung, mit der er die Gläubigen von ihrem Glauben an Gott abbringen will. Damit ist er der zentrale Gegenspieler Gottes; seine Macht verbreitet Angst und Schrecken.

Die kollektive Angst vor dem Teufel gilt als ein zentrales Kennzeichen der christlichen Gesellschaft zumal in der Vormoderne. Sie findet in Texten und Bildern breiten Ausdruck; die konkrete Vorstellung des Teufels als Personifizierung des Bösen hat bereits in der mittelalterlichen Kunst zu einer breiten Palette abscheulicher Teufelsdarstellungen geführt.

Ein weit bekanntes Auftreten des Teufels vermittelt die biblische Erzählung von der Versuchung Christi (Matthäus 4,1–11; Lukas 4,1–13). Hier erscheint der Teufel als dreifacher Versucher: Er fordert den hungernden Jesus in der Wüste auf, Steine zu Brot zu machen; er führt ihn auf den Tempel von Jerusalem und drängt ihn hinunterzuspringen; er zeigt und verspricht ihm die Herrlichkeit der Welt für seine Anbetung. Christus widersteht allen Versuchungen und kann damit die Angst vor dem Teufel nehmen.

Eine einzigartige bildliche Darstellung dieser dreifachen Versuchung Christi findet sich als Farbgrundzeichnung in einem Kopialbuch des Abts von Weißenau, Jacob Murer (1468–1533). Dieser Codex umfasst Urkundenabschriften des Klosters von 1360 bis 1531, den Klosterort Ummendorf betreffend, und dazu fünf bemerkenswerte Zeichnungen, die Abt Murer hier einfügte. Murer verfügte wohl aus dem Fundus seiner Familie – Vater und Bruder waren Maler – über solche qualitätsvollen Zeichnungen aus den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts. Er ließ auch die bekannte Weißenauer Chronik zum Bauernkrieg von 1525 mit großartigen Bildern schmücken und zeigt vielfach seine persönliche Nähe zu den Bildkünsten.

Im Vordergrund der Darstellung im Ummendorfer Kopialbuch finden sich der Teufel und Christus im Disput. Dieser Teufel erscheint als fabelhaftes Mischwesen: Er tritt als drachenartiges, beschwänztes Ungeheuer mit menschlichem Körperbau und einem obskuren zweiten (Genital-)Gesicht im Unterleib auf. Mit den Krallen seiner Linken deutet er auf die Steine, die Christus zu Brot machen soll. Dieser, mit hellem Antlitz, Heiligenschein und Gewand, zeigt belehrend auf den Teufel und wehrt ab. Im Hintergrund sind die beiden Gestalten bei den nächsten Versuchungen auf dem Tempel (oben links) und auf einem Berg (oben rechts) über einer Seelandschaft zu erkennen.

Die dreifache Versuchung Christi wird hier perspektivisch in die bis zum Hintergrund geführte Landschaft gestaffelt. Der komplexe Bildaufbau, die differenzierte Licht-Schatten-Modellierung mit der plastischen Wiedergabe unterschiedlicher Materialitäten machen das Blatt zu einem Meisterwerk seiner Zeit. Dass es erhalten blieb, ist Abt Jacob Murer zu verdanken, der es in seinem Weißenauer Codex sicherte. Das Bild vermittelt eindrücklich die Angst vor dem Teufel, vor dieser Schreckgestalt der Versuchung, der mit Jesus Christus zu widerstehen ist.

Peter Rückert

Quelle: Archivnachrichten 63 (2021), Seite 14-15.

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