St. Josefspflege Mulfingen

St. Josefspflege in Mulfingen. Copyright: LABW
St. Josefspflege in Mulfingen. Copyright: LABW

1854 wurde in Mulfingen die kirchliche Fürsorgeanstalt St. Josefspflege für Knaben im schulpflichtigen Alter eröffnet. Sie geht auf die 1848 in Gundelsheim gestiftete St. Nikolauspflege zurück, die bald eine nach Geschlechtern getrennte Erziehung sowie die Einrichtung einer zweiten Anstalt allein für Knaben anstrebte. Diese kam schließlich im bisherigen Mulfinger Schulhaus zustande. 1855 konnte die Stiftung das Mulfinger Wirtshaus Zum Lamm mit dazugehörigen Nebenräumen erwerben. Dort zogen die Knaben der St. Josefspflege ein, während die Mädchen der Gundelsheimer St. Nikolauspflege das frühere Schulhaus weiternutzten. Damit waren beide Anstalten unter dem Namen St. Josefspflege an einem Ort vereinigt. Mit dem räumlichen Neuanfang wurde auch das Erziehungskonzept erweitert. Um die Schüler auf den Lebensalltag praktisch vorzubereiten, wurden Güter gepachtet, die unter Anleitung des Hausvaters von den Kindern gemeinsam bewirtschaft wurden, was obendrein den wirtschaftlichen Verhältnissen der Anstalt zugute kam.

Die Einrichtung der Anstalt in Mulfingen und ihre Erweiterungen in den folgenden Jahren wurden vor allem durch Geldspenden von Bischof Dr. Joseph Lipp (1795–1869) ermöglicht. Lipp förderte viele soziale Einrichtungen der Kirche sowohl ideell als auch materiell, jedoch erfreute sich die nach ihm benannte Anstalt in Mulfingen seiner mit Abstand größten Aufmerksamkeit. Testamentarisch setzte er die St. Josefspflege zu seiner Universalerbin ein.

Gegenwärtig betreut das Mulfinger Institut insgesamt rund hundert Kinder und Jugendliche. Etwa siebzig Kinder werden in der angegliederten, staatlich anerkannten Bischof von Lipp-Schule für Erziehungshilfe unterrichtet und betreut; die Anstalt unterhält Außenklassen in Weikersheim und Künzelsau. Neben dem vollstationären Bereich mit Innen- und Außenwohngruppen sowie betreuten Wohnformen existiert ein teilstationärer Bereich mit Tagesgruppen und ambulanter Hilfe für junge Erwachsene und Eltern.

Birgit Schäfer

Veröffentlicht in: Der Hohenlohekreis. Hg. v. der Landesarchivdirektion Baden-Württemberg in Verbindung mit dem Hohenlohekreis (Kreisbeschreibungen des Landes Baden-Württemberg). Ostfildern 2006, Bd. 2, S. 124. 

 

Ein dunkles Kapitel in der Geschichte der Heimes

Während der NS-Zeit waren in der St. Josefspflege Kinder von Sinti-Familien untergebracht, deren Eltern in Konzentrationslagern einsaßen oder die aus anderen Gründen unter staatlicher Fürsorge standen. Am 9. Mai 1944 wurden 39 Kinder und Jugendliche - alle, die sich zu dieser Zeit im Heim befanden - nach Ausschwitz deportiert, wo fast alle ermordet wurden. Über die verwaltungstechnische Abwicklung der Morde in den NS-Behörden liegen archivalische Zeugnisse vor: Der Mord an Sinti-Kindern und die Rolle der NS-Behörden

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