Die Bibliotheca Palatina

von Lea Schneider

 Das Chur Fürstliche Schloss und Gartten zu Haydelberg um Mitternacht an zu sehen, Bild 1 (Quelle: Generallandesarchiv Karlsruhe)
Das Chur Fürstliche Schloss und Gartten zu Haydelberg um Mitternacht an zu sehen, Bild 1 [Quelle: Landesarchiv BW, GLAK J-B Heidelberg 65]

Die Bestände der Heidelberger Bibliotheca Palatina gehen auf mehrere Institutionen zurück: Neben der Heiliggeistbibliothek, deren Gründung auf Kurfürst Ludwig III. (1378-1436) zurückgeht, beinhaltet sie auch die Bestände der Heidelberger Universitätsbibliothek, die nach der Gründung der Universität im Jahre 1386 für die Artistenfakultät und die oberen Fakultäten Medizin, Jura und Theologie errichtet wurde, sowie die private kurfürstliche Büchersammlung auf dem Heidelberger Schloss.

Unter Kurfürst Ottheinrich (1502-1559) erfuhren die Bestände eine Erweiterung um wertvolle Schriften, sodass eine große Sammlung an lateinischen, hebräischen, griechischen und arabischen Handschriften entstand und eine Vielzahl an theologischen – vorwiegend protestantischen – Schriften vorzufinden war. Ein weiterer Zuwachs an wertvollen Schriften, unter anderem mehrere Niederschriften Luthers, erfolgte im Jahre 1584, als die Sammlung des Augsburger Patriziers Ulrich Fugger nach seinem Tod endgültig in den kurfürstlichen Besitz überging. Die Bibliothek Fuggers war bereits 1567 von Augsburg nach Heidelberg transportiert worden und seit 1569 in der Heiliggeistkirche aufgestellt. Zur Bibliotheca Palatina im heutigen Sinne wurden diese drei Bibliotheken aber erst durch den gemeinsamen Abtransport nach Rom im Jahre 1623, auch wenn diese schon zuvor in Heidelberg in enger Beziehung zueinander standen.

Nach der Niederlage in der Schlacht am Weißen Berg am 8. November 1620 floh Kurfürst Friedrich V. ins Exil nach Den Haag. Als sich Johann T´Serclaes Graf Tilly 1621 mit seinem bayerisch-ligistischen Heer dem Rhein näherte, sorgte sich Friedrich V. von der Pfalz um seine Heidelberger Bibliothek und veranlasste im Herbst 1621 seine Räte, sich um die sichere Verwahrung von Archiv und Bibliothek zu kümmern. Diese gaben ihm zu Antwort, dass das Archiv zwar gesichert worden, die Bibliothek aber wegen der Menge an Büchern noch nicht geschafft sei, diesen Winter jedoch hoffentlich sicher sein werde. Das Angebot von Henri de la Tour d’Auvergne, die wertvollsten Bücher nach Sedan zu überführen, wurde ausgeschlagen.

Auch Kaiser Ferdinand II. hatte sein Interesse auf die Heidelberger Bestände gerichtet und schrieb am 8. Dezember 1621 dem spanischen Feldherrn Spinola, der mit seinen Truppen in der Rheinpfalz lag, er möge im Falle einer Eroberung Heidelbergs die Bibliothek in Verwahrung nehmen. Als der Kaiser die Nachricht erhielt, dass Tilly mit den bayerisch-ligistischen Truppen am 19. September 1622 Heidelberg eingenommen habe, schickte er ihm dieselbe Aufforderung – die allerdings ohne Wirkung blieb. Auch Papst Gregor XV. hatte seine Aufmerksamkeit auf die Bibliothek gerichtet. Seine Intention, die Bibliothek in vatikanischen Besitz zu überführen, mag vor allem dem Sammeleifer seines Kardinalnepoten Ludovico Ludovisi geschuldet sein. In mehreren Schreiben päpstlicher Nuntien an Tilly und Herzog Maximilian von Bayern verlieh der Papst noch vor der Einnahme Heidelbergs seinem Interesse an der Bibliothek besonderen Nachdruck.

Fünf Tage nach der Eroberung Heidelbergs bot Maximilian die Bibliothek dem Papst schließlich als Schenkung an. Mitte Dezember 1622 traf Leone Allacci, der Skriptor der Vatikanischen Bibliothek, in Heidelberg ein, sichtete die Bestände und bereitete den Abtransport nach Rom vor. Neben den Beständen in der Heiliggeistkirche nahm Allacci auch die Bücher der Schlossbibliothek sowie die der Universität mit. Ergänzend gelang ihm auch die Mitnahme der privaten Bücher von Jan Gruter, dem letzten Bibliothekar der Palatina. Einige Restbestände an Büchern der Bibliotheca Palatina wurden zurückgelassen, die sich zum Teil noch immer in den Heidelberger Sammlungen befinden. Um Gewicht einzusparen, wurden viele Einbände entfernt; einige Originaleinbände sind jedoch erhalten geblieben, wie zum Beispiel die Ledereinbände, die Kurfürst Ottheinrich in Auftrag gegeben hatte (‚Ottheinrichsbände‘).

Am 14. Februar 1623 wurden die Bücher auf 50 Wagen zunächst nach München gebracht, wo sie in 196 Kisten umgepackt wurden, um von Maultieren über die Alpen getragen werden zu können. Nicht nur aufgrund schwieriger Witterungsverhältnisse, sondern auch durch verspätete Zahlungen der Transportkosten, die durch den Tod Papst Gregors XV. am 8. Juli 1623 veranlasst wurden, kam es zu Verzögerungen. Nach fast sechsmonatiger Reise konnten am 9. August 1623 184 Kisten vom Vatikan in Empfang genommen werden – zwölf Kisten hatte Allacci für sich einbehalten. Die Bücher wurden in der Vatikanischen Bibliothek zunächst katalogisiert und zum Teil in die bestehenden Bestände eingeordnet. Nur die lateinischen, griechischen und hebräischen Handschriften wurden unter eigenen Signaturgruppen gesondert angeordnet.

Der erste Versuch, die Bibliotheca Palatina nach Heidelberg zurückzuführen, wurde bereits 1663 unternommen. Bis auf die Herausgabe des Tagebuchs Friedrichs IV. konnte der pfälzische Gesandte nichts erreichen. Erst seit der Mitte des 18. Jahrhunderts wurden wieder Anstrengungen unternommen, um die Bestände zurückzuerhalten, doch es dauerte noch bis ins Jahr 1816, bis 847 deutschsprachige Handschriften zurück nach Heidelberg überführt wurden. Außer 16 lateinischen und 29 griechischen Handschriften befinden sich sämtliche andere nicht deutschsprachige Handschriften ebenso wie alle Drucke bis heute noch in der Biblioteca Apostolica Vaticana. Die Bibliotheca Palatina ist mittlerweile in einer digitalen Rekonstruktion der Universitätsbibliothek Heidelberg verfügbar.

Literatur in Auswahl

  • Bähr, Johann Christian Felix, Zur Geschichte der Wegführung der Heidelberger Bibliothek nach Rom im Jahr 1623, in: Heidelberger Jahrbücher der Literatur 1 (1869), S. 1-7.
  • Bibliotheka Palatina digital, URL: http://digi.ub.uni-heidelberg.de/de/bpd/index.html (aufgerufen am 10.08.2022).
  • Friedrich, Albrecht, Geschichte der nach Rom entführten Heidelberger Bibliothek, Karlsruhe 1816.
  • Kuenecke, Hans-Otto, Maximilian von Bayern und die Entführung der Bibliotheca Palatina nach Rom, in: Archiv für Geschichte des Buchwesens 19 (1978) Lfg. 6, Sp. 1402-1446.
  • Mittler, Elmar (Hg.), Bibliotheca Palatina. Ausstellung der Universität Heidelberg in Zusammenarbeit mit der Bibliotheca Apostolica Vaticana. Katalog zur Ausstellung vom 8. Juli bis 2. November 1986, Heiliggeistkirche Heidelberg, Textbd. (Heidelberger Bibliotheksschriften, Bd. 24), Heidelberg 1986.
  • Mittler, Elmar, Bibliotheca Palatina. Eine Heidelberger Bibliothek für die Welt, in: Wege und Spuren. Verbindungen zwischen Bildung, Wissenschaft, Kultur, Geschichte und Politik. Festschrift für Joachim-Felix Leonhard, hg. von Helmut Knüppel u.a., Berlin 2007, S. 67-77.
  • Schottenloher, Karl, Pfalzgraf Ottheinrich und das Buch. Ein Beitrag zur Geschichte der evangelischen Publizistik. Mit Anhang: Das Reformationsschrifttum in der Palatina (Reformationsgeschichtliche Studien und Texte, Heft 50/51), Münster 1927.
  • Wilken, Friedrich, Geschichte der Bildung, Beraubung und Vernichtung der alten Heidelbergischen Büchersammlungen. Nebst einem Verzeichniß der aus der pfaelzischen Bibliothek im Vatican an die Universität Heidelberg zurückgegebenen Handschriften, Heidelberg 1817.  

Zitierhinweis: Lea Schneider, Die Bibliotheca Palatina, in: Der Dreißigjährige Krieg, URL: […], Stand: 10.08.2022

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