Shana Tova - der jüdische Neujahrsgruß

von Johanna Hähner

 Taschenkalender für das Jahr 5642 (1881/82), Fragment (Quelle: Ehemalige Synagoge Freudental)

Taschenkalender für das Jahr 5642 (1881/82), Fragment [Quelle: Ehemalige Synagoge Freudental]

Shana Tova – Das ist der jüdische Neujahrsgruß, mit dem man sich am jüdischen Neujahrsfest Rosch ha-Schana, das diesmal am Abend des 6. September begann und heute endet, ein gutes neues Jahr wünscht. Wörtlich übersetzt bedeutet Rosch ha-Schana „Kopf des Jahres“. Nach dem jüdischen Kalender startet nun das Jahr 5782. Der jüdische Kalender folgt – unter Einbeziehung des Sonnenjahres – der Mondbewegung um die Erde. Zum Vergleich: Die weltweit gebräuchlichste Jahreszählung basiert auf dem gregorianischen Kalender und richtet sich nach der Umkreisung der Erde um die Sonne. Nach dieser Einteilung fällt Rosch ha-Schana entweder in den September oder in den Oktober.

Rosch ha-Schana bildet außerdem den Auftakt zum Festmonat Tischri und es beginnen die sogenannten „ehrfurchtsvollen Tage". Diese enden mit dem Versöhnungsfest Jom Kippur zehn Tage später.

Um den Wunsch nach einem „süßen Jahr" voller Segen und Fülle zum Ausdruck zu bringen, ist es unter anderem Brauch, an Rosch ha-Schana ein in Honig eingetauchtes Apfelstück zu essen. Dies ist nur ein Beispiel von zahlreichen anderen symbolträchtigen Speisen, die das Festmahl an Rosch ha-Schana ausmachen. Auch Challah, das runde Brot, von dem wir bereits im Blog berichteten, darf dabei nicht fehlen.

Über die Feierlichkeiten zu Rosch ha-Schana in der alten Stuttgarter Synagoge berichtete die Schriftstellerin Edith Baer in ihrem autobiographisch geprägten Roman „Es fiel ein Reif in der Frühlingsnacht": „Die Synagoge mit der blau-goldenen Kuppel war voller festlich gekleideter Menschen mit Feiertagsgesichtern. […] Der Kantor in seiner langen Robe hob den gefüllten Kidduschkelch, um die Segenssprüche zu singen;[…] und der Schofar, das uralte Widderhorn, ließ seinen durchdringenden Ruf zur Buße schallen.“ Damit beschreibt Edith Baer ein wichtiges Element der Neujahrsfestlichkeiten: Als Höhepunkt des Festes gilt nämlich traditionell das Blasen des Schofar, eines Widderhorns. Es soll die Gläubigen an ihre moralischen Pflichten erinnern.

Neues Jahr, neuer Kalender: Der hier abgebildete Taschenkalender für das Jahr 5642 aus der Ehemaligen Synagoge Freudental ist ein Zeugnis des Lebens „zwischen zwei Welten und zwei Zeiten". Vor allem für jüdischen Händler waren diese gedruckten Kalender früher ein unentbehrliches Mittel der Orientierung. In den Kalendern sind die jüdischen und die christlichen Kalendertage parallel nebeneinander gesetzt. Zugeordnet sind die jüdischen Feier- und Festtage, der jeweilige Beginn des Schabbats und die Wochenabschnitte der Tora, und auf der anderen Seite die christlichen Heiligen- und Feiertage, Hinweise auf Messen, Märkte und anderes.

Der Kalender ist Teil der Ausstellung der Ehemaligen Synagoge Freudental. Die Ausstellung auf der Empore der ehemaligen Freudentaler Synagoge beleuchtet Aspekte des kulturellen Lebens sowie die Zwischenstellung und Mittlerrolle der Landjuden im Freudental des 18. und 19. Jahrhunderts. Basis der Ausstellung bilden ausgewählte Fragmente der Genisa-Überreste, die unter dem Dach der ehemaligen Synagoge gefunden wurden. Genisa bezeichnet einen Raum zur „Aufbewahrung" nicht mehr verwendeter religiöser Schriften. Seit jeher war es bei der jüdischen Bevölkerung ein frommer Brauch, diese Gegenstände nicht einfach wegzuwerfen, sondern sie pietätvoll zu behandeln, da sie den geheiligten Namen Gottes enthielten. Zunehmend mangelnde Hebräisch-Kenntnisse führten mit der Zeit dazu, dass sicherheitshalber alle Texte mit hebräischen Buchstaben, aber auch andere Gegenstände, die auf irgendeine Weise mit der Religionsausübung in Verbindung standen, einbezogen wurden. Deshalb haben sich auch profane Literatur, Korrespondenzen und Ähnliches erhalten.

Zitierhinweis: Johanna Hähner, Shana Tova - der jüdische Neujahrsgruß, in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.02.2023.

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