Handakten

Von Robert Kretzschmar

Handakten von Minister Dr. Veit zum Lutherausschuss, (Quelle: Landesarchiv BW, HStAS EA 6/103 Wirtschaftsministerium, Bü. 1)
Handakten von Minister Dr. Veit zum Lutherausschuss, (Quelle: Landesarchiv BW, HStAS EA 6/103 Wirtschaftsministerium, Bü. 1)

Definition der Quellengattung

Handakten dienen in der Verwaltung dem persönlichen Gebrauch bei der Wahrnehmung von Aufgaben. Sie werden dazu von Bearbeiterinnen und Bearbeitern außerhalb von Aktenordnungen und -plänen ganz nach dem eigenen Bedarf jenseits der Dienstakten angelegt. Sie umfassen in der Regel Mehrfertigungen dienstlicher Schriftstücke, persönliche Aufzeichnungen und Kopien von Unterlagen wie z.B. von Gesetzestexten, Fachpublikationen und Pressemeldungen, die für die Aufgabenwahrnehmung als relevant erachtet werden und für die ein rascher Zugriff unmittelbar am Arbeitsplatz ermöglicht werden soll.

Solche Handakten werden entweder generell für den gesamten Aufgabenzuschnitt oder speziell für bestimmte Zuständigkeiten, Projekte, Mitwirkungen in Gremien oder auch nur bestimmte Sitzungen und Themen zusammengestellt.

Jenseits dieser Definition liegen jene speziellen Aktenformationen, die nach der Bundesrechtsanwaltsordnung, dem Steuerberatergesetz und der Wirtschaftsprüferordnung von Anwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern im Rahmen des jeweiligen Mandats anzulegen sind und ebenfalls als Handakten bezeichnet werden.[1]

Historische Entwicklung

Entsprechende Aktenformationen, für die in früheren Zeiten gerne der lateinische Begriff acta manualia gebraucht wurde, lassen sich bis in die Anfänge des regulierten Aktenwesens zurückverfolgen. Ihre Genese und Entwicklung ist jedoch noch nicht näher untersucht worden. Beispiele sind die „Acta manualia des Geheimen Rats Braun und des Geheimen Hofrats Glaser in Nürnberg, 1) die ehemalige Abstammung des fürstlichen Hauses Löwenstein-Wertheim und dessen Nachfolgerecht in den Stammländern des Hauses Wittelsbach betreffend, 2) die Entschädigung des fürstlichen Hauses Löwenstein-Wertheim für die durch den Luneviller Frieden an Frankreich verlorenen überrheinischen Besitzungen betreffend“ aus den Jahren 1802–1803 im Bestand Rosenbergisches Archiv des Staatsarchivs Wertheim[2] sowie die „Acta manualia über Rheinschifffahrtsangelegenheiten, welche der großherzogliche Operpostdirektor Freiherr von Fahnenberg als früherer Respizient in Schifffahrtsangelegenheiten bei dem Ministerium des Innern nach seiner Pensionierung im März 1835 zurückgegeben hat“ im Bestand Badisches Innenministerium des Generallandesarchivs Karlsruhe.[3]

Für die Aufgabenerledigung der Archive hat es sich als problematisch erwiesen, dass in der Praxis behördlicher Aktenbildung immer wieder dienstliche Schriftstücke in Handakten geraten, die in der amtlichen Überlieferung dann fehlen. Denn da Handakten von denen, die sie zusammengestellt haben, oft als persönliche Unterlagen behandelt wurden, sind damit dienstliche Unterlagen, die unter die Anbietungspflicht an das zuständige Archiv fallen, diesem entzogen. Konflikte können insbesondere dann daraus erwachsen, wenn auf diesem Wege dienstliche Unterlagen in Nachlässe geraten sind, die an anderer Stelle als bei dem zuständigen Archiv verwahrt werden, sei es in „Privatbesitz“, sei es in einem anderen Archiv. Aus diesem Grunde unterliegt heute in verschiedenen Akten- und Registraturordnungen die Behandlung von Handakten restriktiven Vorschriften. So finden sich in den „Leitlinien für den Umgang mit papiergestütztem und elektronischem Schriftgut (BGA Aktenordnung)“ der Stadt Mannheim vom 5. Februar 2015 folgende Regularien:

1) „Handakten enthalten Mehrfertigungen von Unterlagen, die für einen speziellen Zweck (z.B. als Handunterlagen am Arbeitsplatz oder als Sitzungsunterlagen) angefertigt werden. Sie sind keine Akten im Sinne der Aktenordnung und sind nach Gebrauch zu vernichten. Originale dürfen auf keinen Fall in die Handakten genommen werden.

2) Handakten leitender Mitarbeiterinnen sind Unterlagen vertraulichen Inhalts oder Unterlagen aus im öffentlichen Interesse liegenden Ehren- und Nebenämtern. Diese sind bei Gelegenheit in die Akten des Amtes einzuordnen oder nach dem Ausscheiden aus der Funktion dem Stadtarchiv direkt anzubieten.“[4]

Im digitalen Zeitalter haben persönlich angelegte Dateisammlungen zur Unterstützung der eigenen Arbeit den Charakter von Handakten. Ihre Behandlung wird in archivischen Fachkreisen aktuell diskutiert.

Aufbau und Inhalt

Da Handakten für den persönlichen Gebrauch je nach Bedarf zusammengestellt werden, gibt es keinen typischen Aufbau und Inhalt jenseits der Bezogenheit auf die Aufgaben und Tätigkeit des Aktenbildners. Zu typischen Schriftstücken, die sich regelmäßig in Handakten finden, siehe oben unter Definition der Quellengattung.

Überlieferungslage und ggf. (vor-)archivische Bearbeitungsschritte

In südwestdeutschen Archiven sind Handakten in größerem Umfang überliefert. Zum einen sind sie von denjenigen, die sie angelegt haben, beim Ausscheiden aus dem Dienst in die Registratur gegeben und später im Zuge der behördlichen Aktenaussonderung vom zuständigen Archiv übernommen worden. Zum anderen sind Handakten häufig in persönliche Nachlässe gelangt, die später ihren Weg in ein Archiv gefunden haben.

Für weitere einzelne Beispiele sei hier nur verwiesen auf folgende Handakten in den Beständen des Landesarchivs Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart: M 1/3 Kriegsministerium: Zentral Abteilung, Bü. 590 (Handakten – wahrscheinlich des Chefs der Zentral-Abteilung, Freiherr von Reitzenstein – betr. Organisation und Ressortverhältnisse des Kriegsministeriums); J 40/13 Nachlass Walter Grube, Bü. 91 (Handakten zur Landtags-Edition); J 40/21 Nachlass Eberhard Gönner, Bü. 25 (Handakten zum Siegelkommittee 1981 in Budapest); EA 6/103 Wirtschaftsministerium, Bü. 1 (Handakten von Minister Dr. Veit); J 53/43 Handakten von Dr. Ernst Schaude, Landrat von Nürtingen (1946–1972), Regierungsvizepräsident in Stuttgart (1973–1979), Bü. 1–17.

Quellenkritik und Auswertungsmöglichkeiten

Der besondere Wert von Handakten liegt darin, dass sie oft persönliche Unterlagen jenseits der dienstlichen Akten enthalten, die über Motive für Entscheidungen und Hintergründe von Entwicklungen aufschlussreich sein können. Zudem lässt die Zusammenstellung von Unterlagen Rückschlüsse auf Grundlagen und Schwerpunkte der Aufgabenwahrnehmung zu. Handakten wissenschaftlicher Art können für den Nachvollzug von Forschungsaktivitäten und projekten eine besondere Relevanz haben.

Hinweise und Nutzung

Hier ist auf die Hinweise unter Akten zu verweisen.

Forschungs- und Editionsgeschichte

Nähere Untersuchungen liegen nicht vor.

Anmerkungen

[1] Vgl. dazu die Hinweise unter https://de.wikipedia.org/wiki/Handakte (19.12.2017).
[2] LABW StAW R-Lit. A Nr. 736.
[3] LABW GLAK 236 Nr. 2377.
[4] S. 20; https://stadtarchiv.mannheim.de/sites/default/files/BGA.pdf (19.12.2017).

Literatur

  • Hochedlinger, Michael, Aktenkunde. Urkunden- und Aktenlehre der Neuzeit (Historische Hilfswissenschaften), Wien/Köln/Weimar 2009, S. 42.
  • Papritz, Johannes, Archivwissenschaft, Bd. 1, Marburg 1975, S. 349f.

Zitierhinweis: Robert Kretzschmar, Handakten, in: Südwestdeutsche Archivalienkunde, URL: […], Stand: 31.11.2017.

 

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