Frauen

Florian Brückner, Universität Stuttgart

Satzung des Vaterländischen Frauenvereins für den Oberamtsbezirk Sigmaringen, (Quelle: Landesarchiv BW, StAS Ho 199 T 5 Nr. 2257, Bild 58)
Satzung des Vaterländischen Frauenvereins für den Oberamtsbezirk Sigmaringen, (Quelle: Landesarchiv BW, StAS Ho 199 T 5 Nr. 2257, Bild 58)

Vaterländischer Frauenverein

Die Jahrzehnte langen Anstrengungen der Frauenbewegung sowie der SPD hatten Frauen 1918 im Zuge des politischen Umwälzungsprozesses das passive und aktive Wahlrecht gebracht. Vor dieser Einführung hatten Frauen vor allem durch ehrenamtliches Engagement, durch die Teilnahme an Gesellschaften und Vereinen die Möglichkeit gehabt, in gewissem Rahmen aktiv am öffentlichen Leben teilzunehmen. Hier vermochten sie sich ein Stück weit selbst zu verwirklichen und über die Tätigkeit im häuslichen Bereich hinaus weitere Fähigkeiten zu entwickeln. Erste Möglichkeiten, aus den engen Grenzen der konservativ, katholisch und ländlich geprägten Gesellschaft in Hohenzollern auszubrechen, ergaben sich aus der Entstehung einer Vereinskultur im Regierungsbezirk, die sich vor allem auf Freizeitaktivitäten und ehrenamtliche Tätigkeiten konzentrierte. Dies ermöglichte es Frauen, am öffentlichen Leben teilzuhaben und sich gesellschaftlich zu engagieren.

Zu den wichtigsten Institutionen zählten in diesem Bereich die karitativen Institutionen der Kirche sowie die Ressorts des Roten Kreuzes, hier insbesondere die sogenannten Sanitätskolonnen sowie der Vaterländische Frauenverein. Im Zuge des deutsch-österreichischen Krieges 1866 hatte die preußische Königin Augusta (1811-1890) den Vaterländischen Frauenverein zur Pflege und Hilfe für Verwundete ins Leben gerufen. Diese Initiative stellte den Auftakt für zahlreiche Gründungen im ganzen Reich dar, die den Grundstein für die Entstehung der Frauenvereine des Roten Kreuzes legten. Während des Ersten Weltkrieges übernahm der Verein Krankenschwesterndienste in Feldlazaretten. Diese Beteiligung am – wie die Zeitgenossen es empfanden – ‚nationalen Verteidigungskrieg‘ lieferte Frauen eine wichtige Legitimationsgrundlage für politische Partizipation. Denn wer am Krieg Teil hatte und der Verteidigung der Nation beistand, dem konnte politische Teilhabe nur schwer verwehrt werden.

Quelle

Die am 17. August 1910 verabschiedete Satzung des Vaterländischen Frauenvereins Sigmaringen erlaubt Aufschlüsse über die Beteiligung von Frauen der Honoratiorenschicht. Der Zweigverein wurde am 26. Juli 1870 gegründet und gehörte damit zu den ältesten Frauenvereinen. Er hatte seinen Hauptsitz im Oberamtsbezirk Sigmaringen und unterstand der Schirmherrschaft des Hauses Hohenzollern. Seine Hauptfunktion bestand darin, unter der Leitung des preußischen Landesvereins des Roten Kreuzes Kriegsversehrte zu versorgen. Seine Aufgabe in Friedenszeiten war es, in Krisensituationen im jeweils zuständigen Bezirk versorgungstechnische Hilfestellung zu leisten, wozu als Aufgabenfelder vorrangig „die Beseitigung und Verhütung wirtschaftlicher und sittlicher Not“ gehörten. Besonderes Augenmerk schenkte der Verein der Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit sowie der Wöchnerinnenfürsorge, d.h. der Versorgung von Frauen nach der Entbindung. Mitglied konnte jede Frau „ohne Unterschied des Glaubens und Standes“ mit Wohnsitz im Oberamt beziehungsweise im Landkreis Sigmaringen werden. Stadtbewohner mussten einen Jahresbeitrag von 3 Mark bezahlen, Angehörige des Landkreises 50 Pfennig. Spender waren als außerordentliche, d.h. nicht stimmberechtigte Mitglieder des Vereins gerne willkommen. Die Vereinsangelegenheiten regelte der auf drei Jahre gewählte Vorstand, der aus einer Vorsitzenden, einer Schriftführerin, einer Schatzmeisterin sowie deren Stellvertretern bestand. Zudem war festgelegt, dass der Vorstand aus mindestens drei weiblichen und zwei männlichen Mitgliedern zu bestehen hatte. Der Vorstand verfügte über die Vereinsmittel, berief Mitgliederversammlungen ein und konnte mit einer Mehrheit von 75 % Satzungsänderungen vornehmen, die jedoch vom Hauptvorstand in Berlin abgesegnet werden mussten. Bekanntmachungen des Vorstandes kommunizierte der Verein über die Hohenzollerische Volkszeitung (Donaubote). Seine Mitglieder trugen als Abzeichen das in Quadratur gefasste rote Kreuz auf weißem Untergrund samt Armbinde mit dem Aufdruck „V. F. V.“ (Vaterländischer Frauenverein). Ein Zehntel seiner regelmäßigen Einnahmen hatte der Verein jährlich an den Hauptverein in Berlin abzuführen, dem der Verein zudem berichtspflichtig war.

Zu den Unterzeichnerinnen der Satzung gehörten zahlreiche Gattinnen von Regierungsbeamten und städtischen Honoratioren. Als Vorstandsvorsitzende nennt das Dokument beispielsweise Aloysia von Quadt-Wykradt-Isny (1869-1952), die Gattin des von 1899 bis 1919 in Sigmaringen amtierenden Regierungspräsidenten Franz Graf von Brühl. Ferner Marie Hülsemann, die Gattin des Geheimen Hofkammerrates in Sigmaringen, Wilhelm Hülsemann; Albertine Deigendesch, die Gattin des Sigmaringer Veterinärrates Franz Deigendesch sowie Lina Batsch, die sich im Umfeld des späteren Regierungspräsidenten Dr. Emil Belzer bewegte. Als Schriftführer agierte Regierungsrat Sauerland, sodass sich zumeist im Vorstand die bürgerliche Honoratiorenschicht mit Verbindungen zum Haus Hohenzollern widerspiegelt. Der Verein spielte auch nach 1918 eine wichtige Rolle, hier vor allem hinsichtlich der Sanitäterdienste, zu denen die vorliegende Akte zahlreiche Dokumente bereithält.

GND-Verknüpfung: Frauen [4018202-2]

Suche

Das vorgestellte Dokument im Online-Findmittelsystem des Landesarchivs BW: 

Satzung des Vaterländischen Frauenvereins für den Oberamtsbezirk Sigmaringen