Kultur - Projekt eines Werbefilms für Sigmaringen

Florian Brückner, Universität Stuttgart

Angebot an den Bürgermeister von Sigmaringen zur Produktion eines Werbefilms, 3.6.1919, (Quelle: Landesarchiv BW, StAS Dep. 1 T 3-4 Nr. 1677, Bild 116)
Angebot an den Bürgermeister von Sigmaringen zur Produktion eines Werbefilms, 3.6.1919, (Quelle: Landesarchiv BW, StAS Dep. 1 T 3-4 Nr. 1677, Bild 116)

Kontext zur Entwicklung des Films

Zu den kulturellen Neuerungen, die in den 1920er Jahren ihren Durchbruch feierten und ein Massenpublikum erreichten, zählten die Fotografie und der aus ihren Techniken entstehende Stummfilm. Bereits der Erste Weltkrieg hatte gezeigt, wie wichtig nicht nur Industrie und Rüstung, sondern auch Propaganda als psychologische Form der Kriegsführung war. Aus dieser Erkenntnis heraus und in dem Bewusstsein, dass die Entente-Mächte auch den Propagandakrieg gewonnen hatten, entstanden die ersten Filmgesellschaften des Deutschen Reichs. Zu den großen Produktionsfirmen zählte beispielsweise die 1916 in Berlin gegründete Deutsche Lichtbild-Gesellschaft. Dabei handelte es sich um eine staatlich geförderte Filmgesellschaft, die jedoch nach kommerziellen Kriterien arbeitete, d.h. auf Gewinnmaximierung angewiesen war. Sie drehte in erster Linie Propagandafilme, die während des Ersten Weltkrieges sowohl im In- als auch im Ausland für die Ziele des Deutschen Reiches werben sollten.

Nach der Kriegsniederlage 1918 verlegte sich die Firma auf die Produktion von Werbefilmen für deutsche Städte, d.h. sie produzierte Filme, die die innerdeutsche Tourismusbranche ankurbeln sollten. Nach 1918 stieg allmählich die Nachfrage im Zuge der relativen Verbesserung der wirtschaftlichen Lage mittlerer und gehobener Angestellter, zum Teil auch der Arbeiter. Die Deutsche Lichtbild-Gesellschaft produzierte daher zahlreiche filmische Inszenierungen schwäbischer Klein- und Großstädte, die ihnen vorzügliche Möglichkeiten boten, sich zu präsentieren und für den Fremdenverkehr in der Region zu werben. Darüber hinaus erstellte die Firma sogenannte Verkehrsfilme für zahlreiche Städte. Im Zuge der einsetzenden Motorisierung finanzstarker Deutscher begannen sich die Städte als verkehrsfreundliche Touristenorte darzustellen, wovon auch Marken wie Mercedes oder Porsche profitierten, da sich ihnen hier ebenfalls Werbemöglichkeiten erschlossen. Daher erlebte der Werbefilm eine erste Blüte in der Weimarer Republik.

Quelle

Am 3. Juni 1919 wandten sich Vertreter der Produktionsfirma auch an den Bürgermeister von Sigmaringen. Sie wiesen darauf hin, dass das Interesse württembergischer Städte an der Aufnahme von Verkehrsfilmen beständig größer werde. Mit umfangreichen „Propagandafilmen“ – der Begriff wurde noch neutral verwendet, jener der Werbung hatte sich noch nicht durchgesetzt – seien Stuttgart, Ludwigsburg, Isny, Bad Mergentheim, Herrenalb und Wildbad vertreten. Aussichtsreiche Verhandlungen würden mit Rottweil, Heilbronn, Friedrichshafen, Marbach, Aalen, Blaubeuren und Biberach geführt. Der Stadt Sigmaringen boten die Vertreter der Gesellschaft die „Aufnahme eines Sonderfilms“ an. Damit dürfte ebenfalls ein Dokumentar- oder Verkehrsfilm werbenden Inhalts gemeint gewesen sein. Denn, so fuhren die Firmenvertreter in ihrem Werbeschreiben fort, dürfte es doch „im eigensten Interesse der Stadt liegen […], sich die ausgezeichnete Wirkung der Filmpropaganda zu Diensten zu machen.“ Da man bereits kurz vor Abschluss der Dreharbeiten in den Städten Badens und Württembergs stünde, baten die Vertreter der Gesellschaft um Auskunft, wie sich Sigmaringen gegenüber einem solchen Projekt zu verhalten gedenke.

Da die vorliegende Akte kein Antwortschreiben enthält und der Bürgermeister Sigmaringens diesbezüglich entweder unentschlossen oder desinteressiert schien, wandte sich die Gesellschaft am 3. Juli 1919, also knapp einen Monat später, nochmals an Regierungsvertreter Sigmaringens. Einmal mehr wurde der Umstand betont, dass weitere schwäbische Städte die Dienste der Gesellschaft in Anspruch genommen hätten. Diese Städte hätten „die Zeit für eine Verkehrspropaganda durch Filme“ erkannt, nicht zuletzt um „den Fremdenverkehr“ anzukurbeln.

Hinsichtlich des durch die Kriegsjahre verursachten Ausbleibens von Touristenströmen nach Deutschland gab sich die Firma optimistisch und ging fest davon aus, dass in den nächsten zwei Jahren mit einem Aufschwung der Touristenbranche zu rechnen sei. Daher sollten sich die Vertreter Sigmaringens hinsichtlich filmischer Inszenierungen an die Regierung wenden und finanzielle Zuschüsse beantragen. Die Filmgesellschaft bot den finanziell krisengebeutelten Städten und Kommunen, für die sie ebenfalls arbeitete, auch Ratenzahlung an: „Sollten die Mittel für Verkehrswerbung in diesem Jahre bereits erschöpft sein“, könnten Raten gezahlt werden. Auf diese Weise finanzierte sich beispielsweise 1927 ein Film zum Besuch der Hohenzollern. Zudem entstanden in dieser Zeit beispielsweise in den Regionen Baden und Württemberg zahlreiche werbeorientierte Dokumentarfilme der Gesellschaft mit Titeln wie „Karlsruhe, die Hauptstadt Badens“, „Freiburg im Breisgau“ oder „Bilder aus der Umgebung Baden-Badens“. Über die Relevanz dieser Filme und ihren historischen Aussagewert für die Entwicklung von Konsum, Verkehrsstruktur und Tourismus hinaus sind diese, heute oft vergessenen Filme zudem wichtige Zeugnisse für das äußere Erscheinungsbild dieser Städte vor ungefähr hundert Jahren.

GND-Verknüpfung: Kultur [4125698-0]

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