Die Seitenlinie der Herzöge von Urach

Einleitung: Wolfgang Schmierer (Lexikon des Hauses Württemberg, S. 376-380)

Schloss Lichtenstein, Graphik von Eberhard Emminger, ca. 1860. Quelle: WLB Stuttgart
Schloss Lichtenstein, Graphik von Eberhard Emminger, ca. 1860. Quelle: WLB Stuttgart

Der vierte Sohn von Herzog Friedrich Eugen von Württemberg, Herzog Wilhelm von Württemberg, seit 1783 General im dänischen Heer, heiratete im Jahr 1800 eine Hofdame seiner Mutter: die 23jährige Wilhelmine Rhodis von Tunderfeld. Sie war die Tochter des Hauptmanns Karl August Freiherr Rhodis von Tunderfeld und einer Freiin Schilling von Cannstatt. Da diese Ehe mit einer nicht dem Hochadel entstammenden Frau nach den Hausgesetzen unebenbürtig war, verzichtete Herzog Wilhelm noch vor der Geburt des ersten Kindes mit der Erklärung vom 1. August 1801 für seine Nachkommen auf die Thronfolge. Umgekehrt anerkannte der regierende Herzog bzw. Kurfürst Friedrich, Herzog Wilhelms ältester Bruder, am 30. April 1801 und erneut am 24. September 1805 die Ehe als „vollwirkende Ehe zur rechten Hand“ (Zoepfl) und bestimmte, daß die Nachkommen Herzog Wilhelms „den Namen Grafen und Gräfinnen von Württemberg führen sollen“. Eine neue Nebenlinie des Hauses Württemberg war entstanden.

Nur zwei der fünf Söhne des 1806 zum württembergischen Feldmarschall und bis 1815 amtierenden Kriegsminster aufgestiegenen Herzogs, Alexander und Wilhelm, überlebten die Kinderjahre. Beide wurden ebenfalls Offiziere. Graf Alexander, genialisch, unstet und romantisch, Mittelpunkt eines vielbeachteten schwäbischen Dichterkreises, starb schon 1844. Er hinterließ aus der Ehe mit Helene Gräfin Festetics zwei Söhne, Eberhard und Karl Alexander, die beide ohne eheliche Nachkommen starben; die Tochter Wilhelmine wurde Nonne und nur von der Tochter Pauline, die den sächsischen Freiherrn (später Grafen) von Wuthenau-Hohenthurm heiratete, gibt es bis heute Nachkommen. Der zweite Sohn des Feldmarschalls, Graf Wilhelm, wurde erster Herzog von Urach. Dessen Schwester, Gräfin Marie, heiratete den königlichen Oberststallmeister Freiherrn von Taubenheim, was dessen Erhebung zum Grafen und seine steile Karriere im württembergischen Hofdienst gefördert haben dürfte.

Stammtafel der Seitenlinie der Herzöge von Urach.
Stammtafel der Seitenlinie der Herzöge von Urach. Quelle: Lexikon des Hauses Württemberg , S. 377. Zur Vergrößerung bitte klicken.

Graf Wilhelm, der offensichtlich wegen seiner unverkennbaren Tüchtigkeit die Gunst seines viel älteren Vetters, König Wilhelm I., genoß, wurde 1867 von seinem Neffen, König Karl, zum Herzog von Urach erhoben. Vorausgegangen war dem eine musterhafte militärische Laufbahn im württembergischen Heer bis zum General der Infanterie und daneben eine ungewöhnlich breite Entfaltung von Aktivitäten im militärtechnischen, künstlerischen und wissenschaftlichen Bereich, die das Ansehen des Hauses Württemberg förderten. Auch seine Ehen – 1841 mit Prinzessin Theodolinde von Leuchtenberg (aus dem napoleonisch-bayerischen Haus Beauharnais) und 1863 mit Prinzessin Florestine von Monaco – waren standesgemäß und mit Nachwuchs gesegnet: aus der ersten stammten vier Töchter, aus der zweiten zwei Söhne. Die im Mannesstamm erbliche neue Herzogswürde und die entsprechende Erhebung der jüngeren Kinder in den Fürstenstand sollte die enge Verbindung der Nebenlinie mit der Hauptlinie unterstreichen und deren Rang unmittelbar nach dem königlichen Haus vor allen anderen Standesherren des Königreichs festlegen. Die 1862 erfolgte Konversion des Grafen zur katholischen Konfession seiner Ehefrauen und Kinder machte das neue Haus Urach von Anfang an zu einem bewußt katholischen Fürstengeschlecht. Mit dem 1840/41 erfolgten Bau des vielbewunderten Schlosses Lichtenstein am Albrand über dem Echaztal hat sich der schon 1869 verstorbene Herzog selbst ein bleibendes Denkmal gesetzt.

Von den Töchtern Herzog Wilhelms starben zwei in jungen Jahren; die älteste heiratete in erster und zweiter Ehe in alte österreichische gräfliche Häuser: Enzenberg und Thun-Hohenstein; die jüngste Tochter wurde Ehefrau des römischen Fürsten Altieri-Viano. Der jüngere Sohn, Fürst Karl, blieb ledig und verbrachte sein Leben großenteils auf Reisen.

Der ältere Sohn, Wilhelm, im Alter von fünf Jahren 2. Herzog von Urach geworden, machte traditionsgemäß militärische Karriere, befehligte vor dem Ersten Weltkrieg die Stuttgarter 26. (1. königlich württembergische) Division und war während des Krieges Divisions- und später Korpskommandeur und Kommandierender General an den Fronten. Mit seiner Stellung in Württemberg, aber wohl darüber hinaus auch im Hochadel des Deutschen Reiches unzufrieden, trat er mehrfach als Thronprätendent auf (Monaco, Albanien, Elsaß-Lothringen, Polen); 1918 wählte ihn auf Empfehlung des späteren Reichsministers Matthias Erzberger der – allerdings praktisch machtlose – litauische Landesrat zum König von Litauen mit dem Namen „Mindaugas II.“. Zahlreiche deutsche Gegner und letztlich die politische Entwicklung verhinderten die Realisierung dieser hochgespannten, aber zeittypischen Pläne.

Herzog Wilhelm II. war seit 1892 mit Prinzessin Amalie in Bayern aus dem herzoglichen Haus Wittelsbach verheiratet, die neun Kindern – fünf Töchtern und vier Söhnen – das Leben schenkte. Durch Prinzessin Amalie, ebenso wie durch seine zweite Ehefrau, Prinzessin Wiltrud von Bayern, Tochter des letzten bayerischen Königs Ludwig III., wurde das Haus Urach nicht nur erneut eng mit regierenden – katholischen – Häusern des europäischen Hochadels verwandt und verschwägert, sondern auch in seinem Ansehen sehr gehoben. Das dürfte die ehrgeizigen Bemühungen des ebenso tüchtigen wie standesbewußten Herzogs bestärkt haben.

Von seinen Kindern aus erster Ehe (die zweite blieb kinderlos) starb eine Tochter, Fürstin Maria Gabriela, schon mit 15 Jahren, zwei weitere, die Fürstinnen Margarete und Carola Hilda, blieben unverheiratet; Fürstin Elisabeth, heiratete in das Fürstliche Haus Liechtenstein, die jüngste, Fürstin Mechthilde, in das Fürstliche Haus Hohenlohe-Waldenburg-Schillingsfürst. Bei den Söhnen, von denen die beiden ältesten, die Fürsten Wilhelm und Karl Gero, als Offiziere in den Ersten Weltkrieg zogen, gab es bei den Eheschließungen teilweise Probleme mit der Standestradition. Die politischen und gesellschaftlichen Umwälzungen nach dem Ersten Weltkrieg ließen auch das Haus Urach nicht unberührt.

Zunächst brach die militärische Tradition des Hauses ab. Die beiden ältesten Söhne waren nach Kriegsende aus dem Heer entlassen worden und wurden die ersten Diplomingenieure der Familie. Der dritte Sohn, Fürst Albrecht, nahm nach dem Abitur ein Kunststudium auf, erst der vierte, Fürst Eberhard, wandte sich 1927 wieder der militärischen Karriere zu. Weitere berufliche Tätigkeiten der jungen Fürsten und ihre Eheschließungen korrespondieren und verschränken sich signifikant: Fürst Wilhelm machte Karriere in der Kfz-Industrie, insbesondere bei Daimler-Benz, und verheiratete sich – gegen den Willen seines Vaters – mit Elisabeth Theurer, der Tochter des Generaldirektors der Stuttgarter Großfirma G. Siegle & Co.; er verzichtete dafür auf den Titel als 3. Herzog von Urach und den Namen Graf von Württemberg. Den Herzogstitel übernahm nach dem Tod des Vaters 1928 Fürst Karl Gero; er trat 1935 als Hauptmann in die Wehrmacht ein und heiratete 1940 Gabriele Gräfin von Waldburg-Zeil. Fürst Albrecht, weltreisender Maler und Journalist, im Zweiten Weltkrieg Pressereferent im Auswärtigen Amt, heiratete 1931 die bürgerliche Engländerin Rosemary Blackadder und in zweiter Ehe 1943 die ebenfalls bürgerliche Stuttgarter Professorentochter Ute Waldschmidt, deren Vater er vermutlich aus seiner Studienzeit kannte. Der jüngste Bruder schließlich, Fürst Eberhard, der es im Zweiten Weltkrieg bis zum Major brachte, bevor er in englische Kriegsgefangenschaft geriet, verheiratete sich 1948 mit Iniga Prinzessin von Thurn und Taxis und übernahm die Bewirtschaftung des von ihr in die Ehe eingebrachten Schloßguts Niederaichbach bei Landshut.

Da Herzog Karl Gero kinderlos blieb und aus den Ehen der anderen Brüder – mit einer Ausnahme – Töchter hervorgingen, setzen heute nur die drei Söhne von Eberhard Fürst von Urach, die Fürsten Karl Anselm, Wilhelm Albert und Inigo, das Haus im Mannesstamm fort. Nach dem Tod von Herzog Karl Gero wurde daher 1981 der älteste Sohn seines schon früher verstorbenen Bruders Eberhard, Fürst Karl Anselm, 4. Herzog von Urach. Ihm folgte am 1. Januar 1991 sein jüngerer Bruder, Fürst Wilhelm Albert, als 5. Herzog von Urach. Alle drei Brüder sind verheiratet und haben Kinder, die nun in der sechsten Generation das Haus Württemberg-Urach repräsentieren.

Das Verhältnis der Herzöge und Fürsten von Urach zum Königlichen Haus Württemberg und zum Staat wurde bis zum Ende der Monarchie 1918 in familien- und staatsrechtlicher Hinsicht nie juristisch eindeutig geklärt, obwohl dazu zahlreiche Rechtsgutachten vorliegen. Urach hatte bei Hof den Rang vor allen Standesherrn im Königreich, der Herzog war jedoch – im Gegensatz zu diesen – nicht Mitglied der Ersten Kammer der Landstände. In der Familie Urach selbst herrschte die Ansicht, daß man zur königlichen Familie, aber nicht zum Königlichen Haus gehöre. Auch die Könige behandelten das Haus Urach als Teil der Familie; insbesondere König Wilhelm II. hielt sehr engen familiären Kontakt zu Herzog Wilhelm II. von Urach und dessen Familie. Ein Rechtsstreit, den Herzog Wilhelm 1928 anstrengte, um die Zugehörigkeit zum Königlichen Haus und entsprechende Erbansprüche zu erstreiten, ging 1929 verloren. Dies hat allerdings nichts an der legitimen Zugehörigkeit der Linie Urach zur württembergischen Herzogsfamilie insgesamt geändert.

 

Quellen

  • HStA Stuttgart, Bestände E 14, E 55, E 130, E 302, G-, GU- und M-Bestände. 
  • BundesA (Militärarchiv Freiburg i.Br., Zentralnachweisstelle Aachen-Kornelimünster, Außenstelle Berlin-Zehlendorf). - StaatsA Ludwigsburg. 
  • StadtA Stuttgart.
  • Mährisches LandesA Brünn. - Archiv der Grafen von Forni, Modena. - Archiv der Grafen Vetter, Innsbruck.

Literatur

  • ADB 1 (1875), S. 337. - ADB 39 (1895), S. 343–345. 
  • F. Freiherr von Gaisburg-Schöckingen, Das Königshaus und der Adel in Württemberg, 1908, S. 27f., 57.
  • „Schwäbische Lebensbilder“ II (1941), S. 511–521. 
  • Heinrich Zoepfl, Rechtliches Gutachten über die dermalige familienrechtliche und staatsrechtliche Stellung (…) des Grafen Wilhelm von Württemberg, 1865.
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