Der Umbau des Schlosses Neuenstein zu Beginn des 20. Jahrhunderts

Schloss Neuenstein nach dem Umbau (Erste Hälfte 20. Jahrhundert) – Quelle LABW (HZAN SB 100)
Schloss Neuenstein nach dem Umbau (Erste Hälfte 20. Jahrhundert) – Quelle LABW

Dem Besucher der Stadt Neuenstein präsentiert sich das dortige Schloss als prunkvoller Sandsteinbau der Renaissance. Erst bei Betrachtung historischer Aufnahmen kommt der Neuenstein- Besucher ins Stutzen: Vor 1906 zeigte sich das Schloss ganz schlicht mit einfachen, giebellosen Dächern auf den vier Flügeln,drei runden Ecktürmen und dem Bergfried. 

Urheber des neuen Schlosses Neuenstein war der berühmte Burgenrestaurator und -architekt Bodo Ebhardt. An ihn wandte sich 1905 Fürst Christian Kraft von Hohenlohe-Oehringen mit dem Auftrag, das heruntergekommene Schloss Neuenstein zu sichern und zu sanieren.

Das repräsentative Residenzschloss verlor 1698 mit dem Aussterben der Linie Hohenlohe-Neuenstein-Neuenstein seine Funktion, wurde vom Landesherrn wohltätigen Einrichtungen überlassen und geriet schnell in einen baufälligen Zustand. In den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts entschied die Familie, mit den Beständen der fürstlichen Sammlungen ein Hohenlohe-Museum einzurichten, die im Kaisersaal des Schlosses ausgestellt werden sollten. Nach ersten Restaurierungsarbeiten wurde das Museum 1878 eröffnet, es musste allerdings bereits 1906 wegen der Baufälligkeit des Schlosses wieder schließen.

Parallel entwickelte Fürst Christian Kraft Pläne zu einer vollständigen Restaurierung des Schlosses, mit der dann 1905 Bodo Ebhardt in Berlin betraut wurde. Dieser ließ das Schloss vermessen und studierte Unterlagen aus den fürstlichen Archiven, um möglichst viel über die ursprüngliche Gestalt des Schlosses in Erfahrung zu bringen. Ebhardt lag daran, aus dem relativ unscheinbaren Renaissance-Schloss kein historistisches Ungetüm zu machen. Vielmehr wollte er in der denkmalpflegerischen Tradition des 19. Jahrhunderts wissenschaftlich den Bestand des Schlosses nach Ende der Renaissance-Umbauten rekonstruieren. Seine Hauptquelle war dabei ein Lagerbuch von 1672, das eine Beschreibung und eine kleine Skizze des Schlosses enthielt.

Nur leider missverstand der archivunerfahrene Autodidakt die Quelle gründlich. Ergebnis waren Umbaumaßnahmen, die ästhetisch und burgengeschichtlich nichts zu wünschen übrig ließen, die aber nur wenig mit der ursprünglichen Gestalt Neuensteins zu tun hatten. Das Schloss wurde in großen Teilen abgerissen und neu erbaut. Es wurde um ein Stockwerk aufgestockt und mit einem zwischen den Ecktürmen umlaufenden Wehrgang versehen. Auch der an der Westseite nur halbhoch aufgeführte Turm wurde auf die Höhe der Ecktürme erhöht. Bei den imposanten Volutengiebeln ließ Ebhardt sich von Langenburger Bauplänen inspirieren und gab so dem Neuensteiner Schloss ein völlig neues Gesicht. Heute zieren insgesamt vier größere und neun kleinere Renaissance-Giebel das Schlossdach und prägen die Erscheinung des Gesamtbaus nachhaltig.

Die Pläne Bodo Ebhardts wurden im Laufe der Bauzeit immer umfassender und größer, so dass der Fürst ihn mehrfach bremsen musste und schließlich 1914 – ursprünglich waren fünf Jahre Bauzeit vorgesehen – den unvollendeten Bau einstellen ließ.

So verdankt Neuenstein dem Berliner Burgenbauer vom Beginn des 20. Jahrhunderts ein prunkvolles Renaissance- Schloss, das den Vergleich mit Weikersheim, Langenburg, Öhringen und anderen Hohenlohe-Schlössern nicht zu scheuen braucht.

 Joachim Brüser

Quelle: Archivnachrichten 45 (2012), S.20-21.
 

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