Endlospapier im 14. Jahrhundert: Ein Patronatsstreit in Dürrmenz

Der Maulbronner Rotulus von 1371 nach der Neusignierung und -verpackung. (Quelle: Landesarchiv, HStAS A 502 Bü 192)
Der Maulbronner Rotulus von 1371 nach der Neusignierung und -verpackung. (Quelle: Landesarchiv, HStAS A 502 Bü 192)

Streit um Besetzungsrechte an mittelalterlichen Pfarrkirchen war nichts Ungewöhnliches. Die Frage, wer einen Geistlichen auf eine Pfarrstelle setzen durfte, führte häufig zu Auseinandersetzungen. Die Ausübung des sogenannten Patronatsrechts (ius patronatus) beanspruchte meist der Ortsadel, aber nicht immer waren die Ansprüche zweifelsfrei zu klären. 

Auch an der Andreaskirche in Dürrmenz stritten 1371 zwei Parteien um die verwaiste Pfarrstelle. Eigentlich fiel dem dortigen Rittergeschlecht, den Herren von Dürrmenz, das Recht zu, den neuen Pfarrer einzusetzen. Allerdings war die Sache komplizierter. Zum einen war die weitverzweigte Familie in sich zerstritten und zum anderen forderte auch das Kloster Maulbronn, unterstützt von einem Teil der Dürrmenzer Ritter, dort das ius patronatus. Das Kloster betrieb seit 1365 in Dürrmenz selbst eine massive Erwerbspolitik, denn aus Geldnot waren einzelne Linien des Rittergeschlechts zu Verkäufen gezwungen, und unter diesen Verkäufen befand sich auch das strittige Patronatsrecht.

Am 23. Mai 1371 entschied das Geistliche Gericht des Stifts St. Wido in Speyer – zuständig für die geistlichen Belange in Dürrmenz – den Streitfall und sprach dem Maulbronner Kandidaten Albert dem Roten, einem Pforzheimer Priester, die Stelle zu. Die richterliche Urkunde ist erhalten und befindet sich heute im Bestand des Klosters Maulbronn (HStA Stuttgart A 502 U 662). Im Urteil wird mehrmals auf ein libellum mit ausführlichen Zeugenprokollen verwiesen. In der Forschung wurde dieses Libell bisher als verschollen apostrophiert, es hat sich aber unter den Maulbronner Akten erhalten und trägt nach der Neuordnung des Bestandes A 502 jetzt die Signatur HStA Stuttgart A 502 Bü 192.

Der Dürrmenzer Streit ist ein prozessrechtlicher Glücksfall, denn neben dem Urteil liegt im Libell quasi die Akte noch vor. In aller Ausführlichkeit kommen Zeugen beider Parteien zu Wort, und durch ihre Aussagen entsteht ein dichtes Bild der komplexen spätmittelalterlichen kirchenrechtlichen Situation um die Andreaskirche in Dürrmenz.

Neben den inhaltlichen Details ist vor allem die ungewöhnliche äußere Form des Papierlibells bemerkenswert. Der Rotulus besteht aus aneinandergenähten Papierblättern und bringt es insgesamt auf eine Länge von 12,60 Meter – fast doppelt so lang als der freilich viel bekanntere Rotulus Sanpetrinus aus dem Zähringerkloster St. Peter im Schwarzwald (GLA Karlsruhe 14 Nr. 4). Das Archivale kann damit als das längste im Landesarchiv Baden-Württemberg überlieferte Schriftstück gelten. Herkunft und Format des verwendeten Papiers dürften wegen des Wasserzeichens nach Oberitalien zu lokalisieren sein.

Erwin Frauenknecht

Quelle: Archivnachrichten 49 (2014), S.7. 

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Weiterführende Literatur

Fritz, Gerhard: Herrschafts- und Sozialgeschichte auf dem Gebiet der heutigen Stadt Mühlacker im Mittelalter.

In: Bettelarm und angebrannt. Von der Burg Löffelstelz und dem Mittelalter in Mühlacker. Hg. vom Stadtarchiv Mühlacker (Beiträge zur Geschichte der Stadt Mühlacker 7) Heidelberg u.a. 2010. S. 69–126.