Charta auf Karton

Fälschung einer Urkunde Karls des Großen im Staatsarchiv Sigmaringen

Gefälschte Nachzeichnung einer Urkunde Karls des Großen von 786. Vorlage: LABW, StAS FAS DS 26 T 2 Nr. 1.
Gefälschte Nachzeichnung einer Urkunde Karls des Großen von 786. Vorlage: LABW, StAS FAS DS 26 T 2 Nr. 1.

1751 wurde in dem unter österreichischer Landeshoheit stehenden Augustinerchorherrenstift Beuron ein neuer Abt mit hohen Zielen gewählt: Rudolf III. Reichel wollte sich die Stellung eines reichsunmittelbaren Prälaten verschaffen.

Nachdem Rudolf mit anderen Versuchen gescheitert war, machte sich – wie Wilfried Schöntag akribisch erforscht hat – sein Kanzleiverwalter Johann Bartholomäus Pizenberger mit der Unterstützung des Kanzleischreibers, des zeichnerisch begabten Klostergärtners und einiger weiterer Mitstreiter daran, durch Fälschung von Urkunden, Propstlisten, Anniversaren sowie Kopialbüchern und Repertorien Beweise für eine Gründung des Klosters im Jahre 777 und die Verleihung der Immunität durch Karl den Großen herzustellen. Das zentrale Stück war dabei die um 1770 gefertigte Nachzeichnung der angeblichen Immunitätsurkunde vom 29. Juni 786.

Als eine Nachzeichnung wird in der Urkundenlehre eine möglichst detailgetreue Kopie bezeichnet, die meist aus Gründen der Bestandssicherung oder Weitergabe hergestellt wurde. Man entschied sich in Beuron vermutlich für diesen Weg, um die Schwierigkeiten der Fälschung einer echten Urkunde Karls des Großen zu umgehen. In der Nachzeichnung bemühte man sich um die Schrift des 12./13. Jahrhunderts, was allerdings nur leidlich gelang. Geschrieben wurde die Nachzeichnung auf drei zusammengeklebten, knapp 1 mm dicken Kartonteilen.

Als alle Texte fertiggestellt waren, wurde 1771 der Tübinger Jurist Professor Gottfried Daniel Hoffmann gebeten, mit dem Sohn Pizenbergers, der zu dieser Zeit in Tübingen studierte, eine Abhandlung nur auf Basis von Abschriften der Dokumente anzufertigen. Hoffmann hatte scheinbar keine Bedenken und wies der Abtei die Reichsfreiheit nach. Erst als die Ausarbeitung schon gedruckt war, kam er nach Beuron, sah sich die Originale an und gab bezogen auf die Urkunde Karls des Großen einen Rat: Zeigen Sie diese Kopie niemandem, wenn Sie nicht müssen.

Die Hoffnung der Beuroner Fälscher, dass die Autorität des Professors Hoffmann nicht infrage gestellt würde, erfüllte sich nicht. Denn die Fälschungen flogen schnell auf, da das Konventsmitglied P. Fidel Wegschneider, zu dem Zeitpunkt Professor in Freiburg, den Österreichern das Vorgehen der Fälscher schilderte und mit Material belegte. Außerdem waren die meisten Dokumente, wie Hoffmann schon aufgefallen war, recht plump gefälscht. Die daraufhin von der vorderösterreichischen Regierung eingeleitete Untersuchung konnte 1784 alle Fälschungen entlarven, worauf der Beuroner Konvent den Generalvikar in Konstanz um Klärung der Vorwürfe bat. Der zur Rede gestellte Abt behauptete kaltschnäuzig, dass ihm von einer Schriftverfälschung nichts, auch überhaupt kein verfälschtes Aktenstück in dem hiesigen Archive bekannt sei. Aufgrund der Untersuchung sollte die Abtei bestraft werden, allerdings änderte der zuständige Hofrat in Wien seine Meinung und Abt Rudolf fand einflussreiche Verbündete, sodass entschieden wurde, die Sache bis zum Tod des Abtes ruhen zu lassen.

Abt Rudolf gab in Sachen Reichsunmittelbarkeit jedoch nicht auf. 1787 wurden die gefälschten Texte wieder zu einem Gutachten verarbeitet, wieder erkannte man die Fälschungen, und wieder fand Abt Rudolf einflussreiche Unterstützer und konnte so einer Bestrafung entgehen.

Schließlich, Anfang 1790, schloss Österreich mit Beuron einen Vertrag, durch den Beuron die Reichsunmittelbarkeit gegen Abtretung einiger Zehntrechte erhielt. Beuron hatte sich die Reichsunmittelbarkeit damit teuer für wenige Jahre erkauft. Denn mit dem Reichsdeputationshauptschluss wurde die Abtei 1803 vom Fürsten von Hohenzollern-Sigmaringen säkularisiert.

Laurencius Griener

Quelle: Archivnachrichten 59 (2019), S. 20.

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