Dialekträume in Baden-Württemberg und ihre Entstehung

Von Rudolf Bühler

 Imagekampagne Baden Württemberg
Bei ihrer Einführung 1999 erntete die Imagekampagne viel Kritik. Heute jedoch ist kein Werbespruch eines deutschen Bundeslands so bekannt wie der von Baden-Württemberg.

In Baden-Württemberg gibt es heute viele verschiedene Dialekte. In Wertheim spricht man ganz anders als in Lörrach, die in Mannheim gesprochene Sprache unterscheidet sich von der im Allgäu. Aber wie viele Dialekte gibt es in unserem Bundesland und worin unterscheiden sie sich genau? Woher kommen eigentlich unsere Dialekte und wie sieht es mit ihrer Zukunft aus?

Unsere Sprache hat eine lange Geschichte hinter sich. Beim Lesen älterer Texte merkt man bald, dass die Sprache altertümlich klingt. Je weiter man dabei in der Zeit zurück geht, umso fremder klingen die Wörter, desto schwieriger wird es, die Sprache zu verstehen. Im Hochmittelalter, also in der Zeit von 1050 bis 1250, wurde bei uns das sogenannte Mittelhochdeutsche geschrieben und gesprochen. Im Frühmittelalter zwischen 750 und 1050 gab es das sogenannte Althochdeutsche. Texte aus dieser Zeit können heute oft nur noch von ausgebildeten Sprachforschern verstanden werden, nachdem unsere Sprache sich im Laufe ihrer geschichtlichen Entwicklung über die Jahrhunderte stark verändert hat. Im Laufe dieser Geschichte haben sich auch unsere heute gesprochenen Dialekte und unsere Schriftsprache herausgebildet. Wenn Dialektforscher die heutigen Mundarten betrachten, so beziehen sie sich meistens auf die Sprache des Mittelalters, aus der sich unsere gesprochene Sprache entwickelt hat.

Die Erforschung der Sprachgeschichte ist eine Aufgabe der Sprachwissenschaftler. Die Sprachforscher gehen dabei ganz ähnlich wie Archäologen vor und vergleichen in Texten aus älteren Sprachschichten die Lautungen, die Grammatik und den Wortschatz mit der heutigen Sprache. Sie versuchen dabei, die Entwicklungen bis zu den von uns heute verwendeten Lautungen, den Verbformen oder den Bezeichnungen für verschiedene Gegenstände nachzuvollziehen. Eine Veränderung, die eine Sprache im Laufe der Zeit erfahren kann, geschieht durch sogenannte Lautverschiebungen, die die Aussprache von bestimmten Vokalen, Konsonanten oder ganzer Lautgruppen betrifft. Diese Entwicklungen sind meistens räumlich und zeitlich begrenzt, erfassen also innerhalb eines Zeitraumes und einer Region die dortige Sprache und sind dann abgeschlossen. Eine Lautgruppe, durch deren Veränderung sich das Hochdeutsche etwa zwischen 600 und 750 von den anderen germanischen Sprachen abgespalten hat, sind die harten Konsonanten p, t, und k. In Wörtern wie dorp, water oder maken wurden diese in den Mundarten Süddeutschlands verändert zu pf oder f, ts oder ss und kch oder ch. „Hochdeutsch“ ist dabei nicht als qualitativer Unterschied der „Hochsprache“ in Abgrenzung zu den „niederen“ Dialekten zu verstehen, sondern ist ein landschaftlicher Begriff, der die niederdeutschen Mundarten im norddeutschen Flachland von den hochdeutschen Mundarten im mittel- und oberdeutschen Bergland abgrenzt.

Was nun die geographische Verbreitung der einzelnen Dialekte in Baden-Württemberg betrifft, so geht diese wohl ursprünglich auf die Besiedlung des Gebiets durch Bevölkerungsgruppen zurück, die sich mit dem Rückzug der römischen Verwaltung nach und nach von Norden kommend hier niederließen. Im Laufe der Zeit entstanden einzelne Siedlungsräume, die durch verschiedenartige Grenzen voneinander abgetrennt waren. Zunächst gab es geographische Grenzen wie den Schwarzwaldkamm oder große Waldgebiete wie zwischen Ostalb und Hohenlohe, die die Menschen daran hinderten, miteinander in Kontakt zu treten. Im Mittelalter kamen weltliche und kirchliche Verwaltungsgrenzen hinzu, die dafür sorgten, dass die Menschen innerhalb eines bestimmten Gebietes mehr miteinander in Kontakt standen, sich also auch sprachlich untereinander austauschten, und dass sich die jeweiligen Mundarten auf unterschiedliche Weise entwickeln konnten. Heute können sprachliche Gemeinschaften besonders durch Verkehrsgrenzen entstehen, wie sie zum Beispiel durch Schulbezirke oder Nahverkehrsverbünde gebildet werden, oder durch psychologische Grenzen fortdauern, wie etwa an der ehemaligen Landesgrenze zwischen dem Großherzogtum Baden und dem Königreich Württemberg.

Zitierhinweis: Rudolf Bühler, Dialekträume in Baden-Württemberg und ihre Entstehung, in: Alltagskultur im Südwesten, URL: […], Stand: 08.08.2020

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