Zwei adlige „Wetterfrösche“

Die Wetteraufzeichnungen der Herzöge von Urach

Wilhelm (I.) Herzog von Urach Graf von Württemberg. Vorlage LABW (HStAS GU 99 Nr. 262).
Wilhelm (I.) Herzog von Urach Graf von Württemberg. Vorlage LABW (HStAS GU 99 Nr. 262). Zum Vergrößern bitte klicken.

Für die Menschen im überwiegend agrarisch geprägten Württemberg in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts spielte das Wetter eine wichtige Rolle. Unwetter bedeuteten Gefahr für Leib und Leben und konnten die ökonomischen Existenzen ganzer Familien zerstören. Daher ist das Bestreben der Menschen nach einer Wettervorhersage auf naturwissenschaftlicher Basis verständlich. Grundlage dafür ist unter anderem die Beobachtung des Wetters über einen längeren Zeitraum.

Private Wetterbeobachtungen aus früheren Zeiten sind relativ selten. Ein Beispiel sind die Aufzeichnungen, die sich im Archiv der Herzöge und Fürsten von Urach Grafen von Württemberg im Hauptstaatsarchiv Stuttgart erhalten haben. Wilhelm (I.) Herzog von Urach Graf von Württemberg (1810–1869), der vielen als Erbauer von Schloss Lichtenstein und als einer der Gründer des Württembergischen Geschichts­ und Altertumsvereins bekannt ist, war ein vielseitig gebildeter Offizier. Er interessierte sich für Geschichte, Kunstgeschichte, Archäologie, Mathematik und Naturkunde. Vor allem die Meteorologie hatte es ihm angetan.

Tägliche Barometerstände (rot) und Temperaturstände (schwarz) für Donaueschingen im Monat Januar 1849. Vorlage LABW (HStAS GU 105 Bü 232).
Tägliche Barometerstände (rot) und Temperaturstände (schwarz) für Donaueschingen im Monat Januar 1849, gemessen jeweils um acht Uhr morgens. Vorlage LABW (HStAS GU 105 Bü 232). Zum Vergrößern bitte klicken.

Gegen den allgemeinen Aberglauben und die Unkenntnis der Menschen über das Wetter veröffentlichte der Herzog die Abhandlung Betrachtungen über das Wetter und seine Propheten. Dem Adligen war bekannt, dass sich mithilfe eines Barometers der Luftdruck messen lässt. Das Steigen und Fallen des Luft­ drucks lässt Aussagen über die künftige Wetterentwicklung zu.

Wilhelm plädierte in seiner Schrift dafür, Wetter über einen längeren Zeitraum zu beobachten und zu vergleichen, um daraus Rückschlüsse auf das künftige Wetter zu ziehen. Daher hat der Herzog selbst über Jahre hinweg Aufzeichnungen über das Wetter angefertigt. So enthält sein Nachlass Notizen über Temperaturen, Windrichtung und Luftdruck auf Schloss Lichtenstein in den Jahren 1844 bis 1845. Von März 1857 bis August 1862 notierte Wilhelm die Temperaturen und die Witterung zu verschiedenen Tageszeiten. Diese Wetterbeobachtungen und ­aufzeichnungen sind eine interessante Quelle für die Forschung, weil sie sich über einen längeren Zeitraum erstrecken.

Anhand der mithilfe eines Barometers ermittelten Daten von Dezember 1848 bis März 1849 fertigte Herzog Wilhelm außerdem Diagramme über den Luftdruck in Donaueschingen an, wo er als Offizier stationiert war.

Wilhelms Witwe Florestine Herzogin von Urach Gräfin von Württemberg (1833–1897), eine geborene Prinzessin von Monaco, und der gemeinsame Sohn Wilhelm (II.) Herzog von Urach Graf von Württemberg (1864–1928) ließen sich ebenfalls über die Temperaturen auf Schloss Lichtenstein in den Jahren 1884 bis 1901 und 1921 bis 1927 vom jeweiligen Schlossverwalter unterrichten und führten so die Tradition Herzog Wilhelms (I.) fort.

Eberhard Merk

Quelle: Archivnachrichten 60 (2020) S. 22-23.
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