Deutschordenskommende Ulm 

Ortsbezüge:
Baujahr/Gründung: 1216 [1216/21]
Zerstörung/Aufhebung: 1805 [1806]
Beschreibung: Markgraf Hermann V. von Baden, der Gründer Stuttgarts, übertrug zwischen 1216 und 1221 im Gedenken an seinen auf einem Kreuzzug gefallenen Bruder Friedrich dem Deutschen Orden beträchtlichen Grundbesitz bei Ulm, auf dem nach der Überlieferung 1226 Ritter Meinloh von Söflingen westlich der staufischen Stadt ein Ordenshaus mit einer St. Maria geweihten Kirche stiftete. Mit der frühesten Erwähnung eines Komturs 1277 dürfte die Ausbildung des Ulmer Deutschhauses zur selbständigen Kommende innerhalb der Ballei Franken abgeschlossen gewesen sein. Reiche Stiftungen, u. a. der Markgrafen von Burgau, ermöglichten eine gezielte Erwerbspolitik und unter Heinrich von Zipplingen, der gleichzeitig Komtur von Ulm (1334-1346) und Donauwörth war, den Neubau des Komtureigebäudes und der nach der zweiten Patronin des Ordens benannten gotischen Elisabethenkirche. Bei der Stadterweiterung von 1316 war die Kommende in den Mauerring einbezogen und 1343 in das Bürgerrecht aufgenommen worden, woraus sich wiederholt Zwistigkeiten zwischen den Ansprüchen der Stadt und der auf die Unabhängigkeit des Ordens pochenden Kommende, der 1403 von König Ruprecht auch das Asylrecht verliehen wurde, ergaben. Über die inneren Verhältnisse des Deutschhauses sind wir nur wenig unterrichtet. Im 14. Jh. gehörten ihm mit Mitgliedern der Familie Roth auch Patriziersöhne an, und in Ulmer Humanistenkreisen verkehrte der Ordenspriester Johannes Böhm, der 1517-1520 hier sein weit verbreitetes Hauptwerk "Omnium gentium mores, leges et ritus", eine wissenschaftliche Völkerkunde, schrieb. Zunehmend führte gegen Ende des 15. Jh. der Rückgang von Ordensangehörigen - 1513 zählte die Kommende nur noch den Komtur als Ordensritter und vier Ordenspriester - zur Bestellung von Weltpriestern, um die zahlreichen Seelgerätstiftungen zu erfüllen und die Pfarreien zu betreuen, für die dem Orden das Patronat zustand. Reformatorischen Bestrebungen des Komturs Martin Beiser von Ingelheim (1524-1529) begegnete der Orden mit dessen Abberufung und konnte, gestützt auf die Reichsunmittelbarkeit des Ordens, das Fortbestehen der Ulmer Kommende in der evangelischen Reichsstadt sichern. Bei sich bietenden Gelegenheiten, wie im Schmalkaldischen Krieg (1546) und während des Bündnisses mit Schweden (1632-1635) im 30-jährigen Krieg, ließ der Rat zwar das Deutschhaus besetzen, musste es aber nach Änderung der politischen Konstellation jeweils wieder herausgeben. Laufend überwacht wurden jedoch die Gottesdienste in der Ordenskirche, in die regelmäßig Beobachter entsandt wurden, die vor allem über die Predigten zu berichten hatten, die nach Kontroversen mit dem Münsterprediger zeitweise auch verboten wurden. Ohnehin beschränkte sich der Kreis der Gottesdienstbesucher im Wesentlichen auf Bewohner und Bedienstete des Ordenshauses, und nur während der Tagungen des Schwäbischen Reichskreises in Ulm füllte sich die Kirche. Dem Orden als Ritter gehörte jetzt nur noch der Komtur an, und für die Seelsorge begnügte man sich mit einem Kaplan, der bei Stellenvakanz von den Augustiner-Chorherren des Wengenstifts vertreten wurde. Mehr und mehr beschränkte sich die Kommende auf die Verwaltung ihres zerstreuten, in fünf Amtsbezirke gegliederten Besitzes. Trotzdem wurde 1699 die Kirche erneuert, mit Deckengemälden und Stukkaturen ausgestattet, und 1719-1724 nach Plänen des Ordensbaumeisters Franz Keller gleichzeitig mit #Ellingen ein prunkvolles neues Komtureigebäude mit Mittelrisalit und Seitenrisalitten an der langgezogenen Hauptfront errichtet, der einzige Barockbau dieser Art in Ulm. Nur noch bis 1789 residierte hier ein Komtur, danach wurde die Verwaltung bei der Neuorganisation des Ordens einem unmittelbar dem Hochmeister unterstellten Obervogt übertragen. Als Folge der Brünner Verträge mit Napoleon, des Preßburger Friedens (1805) und schließlich der Rheinbundakte (1806) nahm Bayern nach der Mediatisierung der Reichsstadt und der Säkularisierung des Wengenstifts (1802/03) im Jahre 1806 auch die Deutschordenskommende als letzte bis dahin selbständig gebliebene Institution innerhalb Ulms in Besitz. Wechselvoll gestaltete sich das Geschick der 1810 mit Ulm an Württemberg gefallenen Gebäude. Die Elisabethenkirche wurde 1818 abgebrochen und ihre Ausstattung in die neu erbaute Pfarrkirche Herrlingen (Gde. Blaustein) überführt, deren Patronat der württembergische König als Rechtsnachfolger des Deutschen Ordens übernommen hatte. In das Palais zogen zunächst hohe Offiziere, danach verschiedene Behörden, schließlich Artilleristen und nach 1918 das Finanzamt und weitere Ämter ein. Beim Luftangriff von 1944 ausgebrannt, wurde die Fassade 1950 abgebrochen und an deren Stelle ein Kaufhaus in Bahnhofsnähe errichtet. An die Deutschherren erinnert nur noch eine Straßenbezeichnung und der Name eines Parkhauses.
Autor: HANS EUGEN SPECKER
Objekttyp: Kloster
Ordensregel:
  • Deutscher Orden 1216/21-1806
Sonstiges: Bistum: Konstanz, ab 1821 Rottenburg-Stuttgart,
fiel an: Bayern (1806), Württemberg (1810)
Weiter im Partnersystem: http://www.kloester-bw.de/?nr=597

Literatur:
  • W. Zimmermann / N. Priesching (Hg.): Württembergisches Klosterbuch. Klöster, Stifte und Ordensgemeinschaften von den Anfängen bis in die Gegenwart. Stuttgart 2003. 479f. (H. E. SPECKER).H. GREINER: Das Deutschordenshaus Ulm im Wandel der Jahrhunderte. In: Ulm und Oberschwaben, 32 (1951) ff. 22 (1922) 1-147.H. E. SPECKER: Die Kommende des Deutschen Ordens bis zur Reformation. In: H. E. SPECKER / H. TÜCHLE (Hg.): Kirchen und Klöster in Ulm. Ein Beitrag zum katholischen Leben in Ulm und Neu-Ulm von den Anfängen bis in die Gegenwart. Ulm 1979, 89-102.
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