Bissingen an der Teck - Altgemeinde~Teilort 

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Typauswahl: Ortsteil – Historisches Ortslexikon
Typ: Teilort
Ersterwähnung: 0769 [Kopialüberlieferung 12. Jahrhundert]

Ortslage und Siedlung
(bis 1970):
Die bereits im 8. Jahrhundert genannte »Bissinger marca« hat noch heute mit knapp 1300 Hektar eine beachtliche Ausdehnung und reicht entlang des Albtraufs von der Teck im Westen bis zum Braunfirst im Osten. Die nördliche Grenze zum nahegelegenen Nabern bildet eine gerade, scheinbar willkürlich gezogene Linie, die eine enge Verbindung der benachbarten Orte im Frühmittelalter nahelegt. Zu dieser Zeit könnte die Verkehrsverbindung über den Sattelbogen ins Lenninger Tal und auf die Albhochfläche eine gewisse Bedeutung gehabt haben. Die frühesten Besiedlungsspuren – sieht man von der Teck und dem Braunfirst jenseits der Gemarkungsgrenzen ab – stammen jedoch von Flur Hinterburg, wo Funde römischer Keramik auf einen römischen Gutshof hindeuten. Grabfunde des Frühmittelalters gab es entlang der Teckstraße sowie in Richtung Nabern. Sie könnten zu mehreren, anfangs wenig ortsfesten Siedlungen gehört haben. Das Dorf des Mittelalters scheint sich dagegen zunächst zwischen den beiden Kirchen entlang der unteren Straße entwickelt zu haben. 1525 bestanden 91 Behausungen, nachdem der Schwäbische Bund 1519 49 Gebäude zerstört hatte; 1730 waren es bereits 176 Wohngebäude. Der verheerende Brand von 1665 legte 27 Häuser samt dem Rathaus in Schutt und Asche. Durch neue Wohngebiete nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden Ortserweiterungen im Nordwesten bzw. Norden (1955, 1962), im Süden (1960) und Westen (1968). Gewerbeansiedlungen seit 1962 nördlich an der »Fabrikstraße«.
Historische Namensformen:
  • Bissingen 0769 [Kopialüberlieferung 12. Jahrhundert]
  • Bissinga 0776 [Kopialüberlieferung 12. Jahrhundert]
  • Bissinger marca
Geschichte: Zwischen 769 und 809 erhielt Kloster Lorsch durch acht Schenkungen umfangreichen Besitz wie Bauerngüter und Leibeigene in »Bissingen«, das zum Neckargau zählte. 904 tauschte das Kloster diese Güter gegen Besitz in Churrätien. Der zum Hochadel zählende Rutpert, der vielleicht mit der nahegelegenen Diepoldsburg in Verbindung zu bringen ist, bekam nun die Lorscher Güter. Schon zuvor, 861, hatte Stift Wiesensteig aus der Hand seines Gründers Rudolf hier Leibeigene erhalten. Damit teilte Bissingen vielleicht bis ins 10. Jahrhundert die herrschaftlichen Geschicke Weilheims. Um die Mitte des 11. Jahrhunderts scheint die Herrschaft jedoch nicht mehr in einer Hand vereint gewesen zu sein. Dafür gibt es einige Hinweise: Zum einen gab es zwei – erst 1275 genannte – Pfarrkirchen, eine davon unmittelbar neben einer Turmhügelburg im heutigen Pfarrgarten gelegen, die andere später in der Hand des Klosters Sankt Peter. Zum anderen bestand schon im 11. Jahrhundert an der Stelle der späteren Burg Hahnenkamm eine Befestigung, die aber um 1100 aufgegeben wurde. Auch wenn eine genaue Zuweisung von Rechten noch nicht möglich ist, scheinen im 11. Jahrhundert sowohl die Bertholde von der Limburg beziehungsweise die Zähringer als auch die Grafen von Nellenburg, in deren Hand Diepoldsburg, Teck und nachweislich Rechte in Nabern waren, über Herrschaftsanteile am Ort verfügt zu haben. Da jedoch die Zähringer nach 1101 die Grafen von Nellenburg beerbten und damit der Besitz in einer Hand vereinigt wurde, ist eine Rekonstruktion der früheren Verhältnisse schwierig. Noch zur Zeit der Grafen von Nellenburg ist ein Ulrich von Bissingen genannt, dem die den Nellenburgern unterstehende Kirche in Nabern mit einem Gut verliehen wurde. Ulrich saß vermutlich im Ort, mehr ist aber nicht über ihn bekannt. Möglicherweise verfügte seine Familie hier über Eigengut; die Naberner Kirche mit dem Gut gelangte später an das Kloster Sankt Peter. Auch wenn die Verhältnisse rätselhaft bleiben, so steht fest, dass der Besitz Sankt Peters auf Schenkungen der Zähringer und ihrer Gefolgsleute im 12. Jahrhundert zurückgeht. Die übrigen Güter und Rechte mit der hohen Obrigkeit kamen 1187 an die zähringische Seitenlinie der Herzöge von Teck, die nun die Herrschaft in einer Hand vereinigten. Als das benachbarte Weilheim im 13. Jahrhundert an die Grafen von Aichelberg kam, gab dies den Herzögen vielleicht Veranlassung, neben der Teck auf dem heute »Bürgle« genannten Bergkegel um die Mitte des 13. Jahrhunderts die jüngere Burg Hahnenkamm zu errichten. Mit der Hälfte der Herrschaft Teck gelangten Hahnenkamm und Bissingen 1303 an Österreich, das 1314 einige Rechte an Niederadlige wie die Herren von Mannsberg und die Herren vom Stein verpfändete. 1326 oder etwas später kaufte Württemberg diese Hälfte der Herrschaft, die Verpfändungen blieben jedoch noch länger bestehen. Wohl noch im 14. Jahrhundert wurde der Ort dem späteren Amt Kirchheim unterstellt, soweit die Rechte nicht verpfändet waren. Spätestens seit Mitte des 15. Jahrhunderts übte stets Württemberg alle Herrschaft aus. Der Ort blieb beim Amt beziehungsweise Oberamt Kirchheim. Die Ortsherrschaft wurde in teckischer Zeit von Ministerialen als Amtmännern ausgeübt, 1289 ist ein solcher genannt. Diese Ministerialen sind vielleicht identisch mit der Familie der Gangeler von Bissingen, die 1290-1402 erwähnt sind und ihrem Wappen nach mit den Herren vom Stein verwandt waren. Sie dürften ihren Sitz auf der abgegangenen Burg im Pfarrgarten gehabt haben und verfügten auch über Eigengut. Später war die Familie der Volkwin von Hedingen als Erbe eines Eberhard von Oberstetten im Ort ansässig und nannte sich 1429-1512 auch danach. Württemberg besaß den größten Teil der grundherrlichen Rechte, darunter auch Zinse aus der Mühle und der 1485 genannten und bis 1575 bestehenden Badstube. Danach verfügte das Kloster Sankt Peter über einen bedeutenden Anteil an Höfen und Gütern; nach 1453 richtete das Kloster hier einen Pfleghof ein, der 1722 unmittelbar neben der Marienkirche neu errichtet wurde und bis 1806 bestand. 1824 kam das Gebäude in Privatbesitz und ist seit 1868 Gastwirtschaft zum Ochsen. Weitere Güter erhielt seit dem Ende des 13. Jahrhunderts Kloster Kirchheim, vereinzelte Zinse und Güter wechselten zudem durch die Hände verschiedener Niederadelsgeschlechter. Die Herausbildung der Gemeinde lässt sich im 14. Jahrhundert nachweisen. 1350 sind »des Dorfes Rechte« erwähnt, wenig später das Gericht; 1428 auch Schultheiß und Richter. Ein Rathaus scheint erst 1568 aus dem Abbruchmaterial der Michaelskirche errichtet worden zu sein. Nach einem Brand 1665 wurde es bis 1669 neu gebaut. Im 18. Jahrhundert ist der Buchstabe »B« als Fleckenzeichen belegt. Die Gemeinde besaß 1730 626 Morgen Allmenden und 406 Morgen Wald. Der abgegangene Hof Kinne rund 2 Kilometer südlich war Sitz der Niederadligen Kinner von Kinne, eines Zweigs der Speth, und ist 1267 genannt. Der Hof war wohl rein grundherrschaftlichen Ursprungs und kam mit der Teck an Württemberg; um die Mitte des 15. Jahrhunderts, inzwischen im Besitz des Klosters Kirchheim, wurde er aufgegeben. Der dazugehörige Kinnsee war noch 1623 vorhanden. In Flur Hinterburg (auf die Limburg bezogen) wurde um 1700 eine herzogliche Melkerei errichtet, die im 19. Jahrhundert Staatsdomäne war und 1890 abgerissen wurde. 1938 wurden die Flächen zwischen Bissingen, Weilheim und Hepsisau aufgeteilt. Bis 1938 zum Oberamt Kirchheim zugehörig, bis 1972 zum Landkreis Nürtingen.
Wirtschaft und Bevölkerung: Die Bevölkerung lebte bis weit ins 19. Jahrhundert ganz überwiegend von der Landwirtschaft, die 1730 auf rund 2500 Morgen Fläche betrieben wurde. Handwerk war damals fast ausschließlich Zu- und Nebenerwerb, Kramhandel gab es nur in kleinem Umfang. Nachweislich und verstärkt seit dem 18. Jahrhundert wurde in mehreren Brüchen gelber Marmor abgebaut. An einem vom Gießnaubach gespeisten Kanal stand die ins Mittelalter zurückreichende, der Ortsherrschaft gehörende untere Mühle. Oberhalb davon entstand 1797 am Abfluss des Sees die heute noch bestehende obere Mühle. Der See selbst ist im 16. Jahrhundert nachweisbar, dürfte aber älter sein und in teckische Zeit zurückreichen. Die 1420 genannte und 1797 neu gebaute herrschaftliche Kelter (heute Bauhof der Gemeinde) weist auf den seit dem Mittelalter betriebenen Weinbau hin. Das Kloster Sankt Peter verfügte über eine eigene Kelter. Vor allem am Dachsbühl, am Bol (inzwischen überbaute Ortslage) und wohl auch am Bürgle gab es Weinberge; endgültig aufgegeben wurden die Kulturen um 1960. Viehzucht und Schafhaltung hatten wie in der Umgebung Bedeutung, 1748 kaufte die Gemeinde die seit dem 16. Jahrhundert bestehende herzogliche Melkerei an der Teck mit 130 Morgen Weide. Im 18. Jahrhundert bestanden mindestens zwei Gastwirtschaften, der Adler und der Ochsen (heute Lamm), letzterer bestand bereits 1665. Um 1600 zählte der Ort 630 Einwohner und war damit seit 1525 (91 Herdstättenbesitzer und 41 weitere Personen, rund 500 Einwohner) etwas gewachsen. Nach dem Ende des 30-jährigen Krieges war weniger als die Hälfte der Vorkriegsbevölkerung im Ort ansässig. Allein 1634 starben durch Krankheit und Gewalttaten nach dem Einfall der kaiserlichen Truppen 107 Menschen. Noch vor Ende des 17. Jahrhunderts hatte der Ort allerdings den früheren Stand wieder erreicht (1684: 632 Einwohner) und wuchs bis nach der Mitte des 18. Jahrhunderts auf über 1100 Einwohner (1763: 1121 Einwohner), eine Höhe, die mit Schwankungen bis um 1800 gehalten wurde. Die Ursachen dieses vergleichsweise raschen Wachstums sind unklar, neben Zuwanderung aus der Umgebung könnten die Festungsbauversuche auf der Teck sowie der Marmorabbau eine Rolle gespielt haben.

Name: Turmhügelburg - Burg Hahnenkamm (Mitte 13. Jahrhundert)

Ersterwähnung: 1275
Kirche und Schule: Beide mittelalterlichen Pfarrkirchen sind 1275 genannt. Das Patronat der noch heute bestehenden Marienkirche war vermutlich von den Zähringern an Kloster Sankt Peter geschenkt worden. Das Patronat der zwischen dem heutigen Pfarrhaus und dem Friedhof östlich des Gießnaubaches zu suchenden Michaelskirche lag im Mittelalter bei der Herrschaft. Die Aufteilung der beiden Pfarrsprengel, ihre Ursprünge und ihr Alter bleiben im Dunkel, denn 1453 überließ Graf Ulrich von Württemberg die Michaelskirche im Tausch gegen den Jesinger Klosterhof ebenfalls Sankt Peter, das die Pfarreien 1468 vereinigte, die Marienkirche zur einzigen Pfarrkirche erheben ließ und von da an bis 1806 das Patronat und umfassende Zehntrechte – außer dem Neubruchzehnten – allein besaß. In der Michaelskirche gab es eine 1364 gestiftete Marien- und Katharinenpfründe, in der Marienkirche stand 1452 ein Altar der Barbara und Johannes des Täufers, an den die Gemeinde eine Frühmesse stiftete. 1568 wurde die Michaelskirche abgebrochen. Bissingen zählte stets zum Dekanat Kirchheim, Ochsenwang war Filialgemeinde. 1534 wurde die Reformation eingeführt, mit den Vertretern Sankt Peters kam es aber besonders während des Interims zu Reibereien. Der evangelische Pfarrer wurde damals von Sankt Peter durch Konventualen ersetzt. Auch später lebten durch den Pfleghof des Klosters stets einige Katholiken im Ort. Schule wurde bereits 1559 von einem früheren Kaplan gehalten, der offenbar auch Latein unterrichtete, als Schulhaus diente ein Gebäude in der Vorderen Straße. Auch Kinder aus Ochsenwang kamen hierher, bis ins 17. Jahrhundert wurden winters um die 30 Kinder unterrichtet. Spätgotische evangelische Pfarrkirche im 19. Jahrhundert stark verändert. 1824 erhielt das Innere eine klassizistische Note. Romanischer Taufstein mit Rundbogenfries. Katholisch nach Kirchheim (Maria Königin) eingepfarrt.
Patrozinium: Hl. Maria
Ersterwähnung: 1275

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