Ohnhänderfilm Erster Weltkrieg: Männer mit Krukenberg-Zange und Armprothese in Alltagssituationen 

Datierung :
  • 1925
Objekttyp: Video
Inhalt:
  • Die Männer im Film führen selbstbewusst die Funktionsweise ihrer Prothesen in verschiedenen Alltagssituationen vor: Ein Mann deckt einen Tisch und führt verschiedene Tätigkeiten durch, wie das Anschneiden und Anzünden einer Zigarre, das Kartenspielen, das Schließen von Knöpfen und die Verwendung von Messer und Gabel. Der linke Arm ist trotz der fehlenden Hand für ihn gut einzusetzen, bei einigen Handgriffen ist der zweite Arm notwendig. Ein zweiter Mann - bei ihm fehlt die rechte Hand - zeigt und demonstriert seine Prothese. Er öffnet einen Koffer mit zahlreichen Schnallen und Ösen, entnimmt Teile, packt sie um und schließt den Koffer wieder. Auch feinmotorische Tätigkeiten, wie das Reinigen der Fingernägel oder das Anziehen eines Handschuhs, gelingen. Bürotätigkeiten wie Schreiben, Papier falten und Stempeln sind langsam, aber gut möglich. Ein dritter Mann in Soldatenuniform demonstriert eine komplexe Prothese mit verschiedenen Aufsätzen, die ihm feinmotorische Arbeit mit Geodreieck und Lineal ebenso ermöglicht wie schwere körperliche Arbeit. Im nächsten Beispiel zeigt er Tätigkeiten an einer Werkzeugbank, mit wechselnden Aufsätzen für die Prothese. In einer weiteren Szene sieht man einen Mann mit Prothesen an beiden Armen, auch er demonstriert Alltagssituationen im Bad und das An- und Ausziehen seiner Kleidung. Der Tenor des Filmes: alles ist möglich. Die wiederhergestellte Einsatzfähigkeit dieser kriegsversehrten Männer wird positiv in Szene gesetzt. Sie sind gut gekleidet und zeigen die Möglichkeiten der verschiedenen Prothesen auf gänzlich unbeeindruckte Art und Weise. Helfende Personen, so suggeriert der Film, sind nicht nötig. Die Aufnahmen eines Orthopäden zeigen neben verschiedenen Prothesen auch die sogenannte Krukenberg-Zange. Hermann Krukenberg (1863-1935) entwickelte sie 1917 und beschrieb sie als natürliche Prothese, da sie ohne künstliche Teile auskommt. Nach der Amputation der Hand wird dafür der Unterarm in Elle und Speiche gespalten, so dass beide greifzangenartig verwendet werden können. Die vielen Kriegsinvaliden, die der Erste Weltkrieg hinterließ und die noch für Jahrzehnte das Straßenbild prägten, begünstigte neue Entwicklungen in der Prothetik. Die noch junge Disziplin der Orthopädie entwickelte sich rasant und fand in den vielen Kriegsopfern ein großes Betätigungsfeld. Neue Methoden ermöglichten es, verlorene Gliedmaße in einem gewissen Ausmaß wiederherzustellen oder zumindest ihre Funktion zu imitieren. Wie der Krieg selber wurden so gewissermaßen auch die Soldaten mechanisiert. Im Gegensatz zum positiven Tenor des Films, der die Selbstständigkeit der Männer in den Vordergrund rückt, zeigten Erfahrungen, dass einige Personen durchaus Unterstützungsbedarf hatten. Eine Studie in Baden-Württemberg und Bayern ergab 1959, dass diejenigen, deren amputierte Arme mit der Krukenberg-Methode behandelt wurden, damit weitestgehend zufrieden waren. Besonders die Tatsache, dass der Tastsinn erhalten blieb und sie, wenn auch eingeschränkt, wieder arbeiten konnten, hoben sie positiv hervor. Erkrankungen an den Stumpfen sowie Phantomschmerzen konnten allerdings nicht vermieden werden. Dennoch wurde die Krukenberg-Zange von den Betroffenen den Prothesen vorgezogen. Die im Film gezeigten, optimistisch und gelassen wirkenden Männer stehen in Kontrast zu dem Elend, das viele Kriegsversehrte erlebten. Mit der Demobilisierung 1918 endete für sie die Unterstützung, viele von ihnen fanden keine Arbeit. Und trotz aller Fortschritte der Chirurgie und Orthopädie blieben die psychologischen Folgewirkungen, mit denen die Kriegsversehrten leben mussten. Nora Wohlfarth, LABW
Quelle/Sammlung: Landesfilmsammlung Baden-Württemberg
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