Ernst, Max Konrad 

Geburtsdatum/-ort: 19.11.1869;  Winnenden
Sterbedatum/-ort: 27.11.1945;  Ulm
Beruf/Funktion:
  • Oberstaatsanwalt und Geschichtsforscher
Kurzbiografie: 1875-1887 Gymnasium in Ulm
1887-1888 Einjährig-Freiwilliger im Grenadierregiment König Karl Nr. 123 in Ulm
1888-1892 Studium der Rechte in Tübingen, Berlin und Leipzig; erste Staatsprüfung in Tübingen
1893-1895 Referendar in Ulm, zweite Staatsprüfung
1896-1897 Rechtsanwalt in Kanzlei Osswald in Ulm
1897-1901 Assessor („Stellvertretender Amtsrichter“) bei den Amtsgerichten Stuttgart und Cannstatt (1897), bei der Staatsanwaltschaft Heilbronn („Hilfsarbeiter“, 1897-1899), beim Amtsgericht Ulm (1900-1901)
1901-1906 Hilfsstaatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart
1906-1913 Landrichter beim Landgericht Ulm
1913-1935 Staatsanwalt, seit 1923 Oberstaatsanwalt beim Landgericht Ulm
1914-1918 Oberleutnant, seit 1916 Hauptmann der Landwehr und Militärpolizeimeister beim Kaiserlichen Gouvernement der Festung Ulm
1923-1934 Vorstand des Vereins für Kunst und Altertum in Ulm und Oberschwaben, seit 1934 dessen Ehrenmitglied
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: 12.7.1902 Marie Luise, geb. Kraft (22.2.1883-13.12.1955)
Eltern: Vater: Christian Ludwig Ernst (1837-1902), seit 1871 „Helfer“, 1878 Stadtpfarrer am Ulmer Münster
Mutter: Helene Albertine, geb. Wieland (1849-1916)
Geschwister: Carl Richard (geb. 6.3.1872), Oberregierungsrat in Stuttgart
Otto Hermann (22.12.1877-7.7.1952), Kaufmann in Ulm
Klara Luise (geb. 13.8.1882)
Kinder: Dr. Ing. Helmut (geb. 23.5.1903), Betriebsleiter in Düsseldorf; Gertrud (geb. 31.7.1907), Bibliothekarin in Ulm
GND-ID: GND/1012261662

Biografie: Hans Eugen Specker (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 1 (2006), 67-69

Schon während seines Studiums der Rechtswissenschaft hatte Ernst in Berlin bei Heinrich von Treitschke historische und bei Heinrich Brunner in Berlin und Rudolph Sohm in Leipzig vor allem auch Vorlesungen zur deutschen Rechtsgeschichte besucht, die – wie er 1943 in einem autobiographischen Abriss schrieb – seine Arbeiten zur Ulmer Geschichte wesentlich beeinflussen sollten. Nach Ulm, wo er aufgewachsen war und sein Vater, in dessen Amtszeit als Stadtpfarrer die Vollendung des Münsters (1890) fiel, eine anerkannte Persönlichkeit war, kehrte Ernst nach den für einen jungen Juristen im Staatsdienst üblichen Wanderjahren 1906 zurück und trat im gleichen Jahr in den traditionsreichen Verein für Kunst und Altertum in Ulm und Oberschwaben ein. Hier und in dessen reger Vortragstätigkeit, vor allem aber durch den ihm freundschaftlich verbundenen, durch Forschungen zur Ulmer Siedlungs- und Baugeschichte ausgewiesenen Obersteuerrat Dr. Adolf Kölle (1869-1927), fand er Anregungen zu einer vertiefenden Beschäftigung mit der Geschichte Ulms, bei der, wie bei seinem Vetter Viktor Ernst (1871-1933), dem Redaktor und Bearbeiter der Württembergischen Oberamtsbeschreibungen 1909-1933, sein besonderes Interesse der Rechts- und Verfassungsgeschichte galt.
Zunächst wurde Ernst jedoch zum Kriegsdienst verpflichtet, den er beim Gouvernement der Festung Ulm ableistete. Über seine Erfahrungen als Militärpolizeimeister während des Krieges, die Revolution von 1918 und die in einem Rathaussturm von 1920 gipfelnden nachrevolutionären Wirren hat Ernst in einem umfangreichen Manuskript berichtet, aus dem seine streng konservative Haltung hervorgeht. Im Verfahren gegen annähernd 60 Beteiligte der blutig verlaufenen Demonstration von 1920 vertrat Ernst dann als Staatsanwalt die Anklage. Aus eigener Anschauung und Quellenstudien erwuchs auch ein Manuskript zur „strategischen und taktischen Würdigung der Festung Ulm im 19. und 20. Jahrhundert“, dessen Veröffentlichung das Heeresarchiv in Potsdam von Auflagen abhängig machte, u. a. Tilgung jeglicher Erwähnung von Friedrich Ebert, zu denen sich Ernst nicht bereit fand.
Zum Publikationsorgan für Ernst wurde vor allem die Zeitschrift des Ulmer Vereins für Kunst und Altertum. 1924 erschienen hierzu gleich mehrere Arbeiten, eine grundlegende Untersuchung über das „Kloster Reichenau und die älteren Siedlungen der Markung Ulm“, die die Rechtsverhältnisse zwischen Abtei und Pfalz in Ulm gegeneinander abgrenzt, sowie Miszellen zur Halsgerichtsordnung des Ulmer Stadelhofs von 1457, zum Besitz des Stadelhofs und zu einer Stammtafel Graf Alberts von Dillingen. Diese beeindruckenden, neben den beruflichen Aufgaben als Vorstand der Ulmer Staatsanwaltschaft (seit 1923) erbrachten Forschungsleistungen setzte Ernst in den folgenden Zeitschriftenbänden fort. 1927 steuerte er zur Festgabe anlässlich des 550. Jahrestages der Grundsteinlegung zum Münster einen Beitrag über dessen Vorgängerbau, die „alte Pfarrkirche über Feld“ und deren Sprengel, bei und zum 400jährigen Reformationsjubiläum in Ulm 1930 widmete er die unter seiner Schriftleitung erscheinende Zeitschrift der „Ulmer Reformationsgeschichte“, zu der er eine den Forschungsstand zusammenfassende Einleitung schrieb. Seine beruflichen Beziehungen nutzte er, um als Beitrag zur Volkskunde mit Unterstützung der Landjäger des Landgerichtsbezirks Ulm „Alte Steinkreuze in der Umgebung Ulms“ zu erfassen und auch kartographisch darzustellen (1934).
Als Vorstand des 1841 gegründeten Vereins für Kunst und Altertum (seit 1923) hatte Ernst noch einen Rückblick auf „Neunzig Jahre Vereinsgeschichte“ geboten (gedruckt zur Hauptversammlung der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine in Stuttgart 1932), ehe er 1934 wegen seines Eintretens für den als Jude diffamierten und entlassenen Direktor des Ulmer Museums Prof. Dr. Julius Baum im Interesse des Vereins zurücktreten musste. Die Schriftleitung der Zeitschrift behielt er, nunmehr Ehrenmitglied des Vereins, zunächst noch bei und veröffentlichte 1937 im letzten von ihm redigierten Band, angeregt durch eine bauhistorische Dissertation, eine die urkundliche und chronikalische Überlieferung ausschöpfende Darstellung des ehemaligen Augustinerchorherrenstifts St. Michael zu den Wengen und, gleichsam als Summe vieler bisheriger Arbeiten und Überlegungen, eine Fragen der Siedlungs-, Bau-, Kirchen- und Rechtsgeschichte von den Alemannen bis zu den Staufern aufgreifende Untersuchung „Zur älteren Geschichte Ulms“. Für seine letzten Veröffentlichungen, darunter eine Würdigung des Dominikaners und frühesten Ulmer Geschichtsschreibers Felix Fabri, wählte Ernst dann die Zeitschrift für württembergische Landesgeschichte.
Um Ulm, das er als seine Vaterstadt verstand, kreisten die Forschungen von Ernst, die er mit exakten Beobachtungen zur Topographie und aus eigener Anschauung gewonnenen Erkenntnissen zur Baugeschichte verband. Eine über Ulm hinausgreifende Studie zu „Kriegsfahnen im Mittelalter und die Reichssturmfahne von Markgröningen“ blieb ein nicht weiter verfolgtes Einzelthema. Dass er jedoch in engem Kontakt zu Landeshistorikern stand, besonders zu den ihm freundschaftlichen verbundenen Prof. Dr. Karl Weller (1866-1943) und Landeskonservator Prof. Dr. Peter Goeßler (1872-1956), belegt nicht zuletzt auch das von ihm gestaltete Vortragsprogramm des Vereins, vor dem regelmäßig Angehörige der Universität Tübingen referierten. Die Quellen kritisch wertend, dabei rechtshistorische Gesichtspunkte berücksichtigend und sorgfältig abwägend die Darstellung begründend, hat Ernst mit seinen Arbeiten wesentlich zur Erforschung der Ulmer Stadtgeschichte, vor allem des Mittelalters, beigetragen. Karl Siegfried Bader hat ihm dafür, Ernsts wissenschaftliche Lebensarbeit im Kontext der Landesgeschichtsforschung würdigend, im Alemannischen Institut in Freiburg einen sehr persönlichen Nachruf gewidmet.
Quellen: NL (H Ernst) und Personendokumentation (G 2: Ernst) im StadtA Ulm.
Werke: Das Kloster Reichenau und die älteren Siedlungen der Markung Ulm, in: Ulm und Oberschwaben. Mitt. des Vereins für Kunst und Altertum in Ulm und Oberschwaben 23 (1924), 1-79; Halsgerichtsordnung des Ulmer Stadelgerichts von 1457, in: ebda. 80-83; Verzeichnis der Güter des Stadelhofs vom Jahre 1531, in: ebda. 84 f.; Stammtafel des Vogts und Landrichters von Ulm Graf Albert von Dillingen, in: ebda. 86; Festgruß [zum 550jährigen Gründungsjubiläum des Ulmer Münsters], in: ebda. 25, 1927, 3-5; Die alte Pfarrkirche über Feld und ihr Sprengel, in: ebda. 7-22; Drei Votivtafeln des Wilhelm Besserer, Hauptmann des schwäbischen Bundes, in der Besserer-Kapelle des Ulmer Münsters, in: ebda. 61-70 mit 8 Abb.; Wo lag der Reichenauer Hof in Ulm?, in: Ulmische Blätter 3 (1927), 33 f., 51-53; Zur Geschichte des Reichenauer Hofs in Ulm, in: Ulm und Oberschwaben 26 (1929), 71-74; Kriegsfahnen im Mittelalter und die Reichssturmfahne von Markgröningen, in: WVjhLG N. F. 36, 1930, 102-132; Zum vierhundertjährigen Reformationsjubiläum, in: Ulm und Oberschwaben 27 (1930), III-X; Neunzig Jahre Vereinsgeschichte Ulm und Oberschwaben, in: ebda. 28, 1932, 3-21 mit 22 Abb.; Der grüne Hof in Ulm, in: ebda. 71-90 mit 10 Abb., zugleich unter dem Titel „Zur Geschichte der Reichenau und des Grünen Hofs in Ulm“, in: Württ. Vergangenheit, 1932, 185-232; Alte Steinkreuze in der Umgebung Ulms, in: Ulm und Oberschwaben 29 (1934), 1-52 mit 45 Abb. und einer Karte; Sebastian Francks Ulmer Kämpfe, in: Schwäbischer Merkur (1936), Nr. 75, 10; Zur älteren Geschichte Ulms, in: Ulm und Oberschwaben 30 (1937), 1-63 mit Karte; Wengenkloster und Wengenkirche in Ulm, in: ebda., 85-119 mit 23 Abb.; Der Ulmer Totentanz im Wengenkloster, in: ebda, 123 f.; Miszellen zur Geschichte Ulms, in: ZWLG 5 (1941), 430-450; Bernhard Besserer, Bürgermeister von Ulm 1471-1542, in: ebda., 88-113, gekürzt in: Schwäbische Lebensbilder II, 1941, 35 ff.; Frater Felix Fabri, der Geschichtsschreiber der Stadt Ulm, in: ZWLG 6 (1942), 323-367; Die Ulmer Garnison in der Revolution 1918/1919 [aus dem NL hg. von Max Huber], in: Ulm und Oberschwaben 39 (1970), 149-188; Berichte „Aus dem Vereinsleben“, seit 1927 „Vereinsnachrichten“ von Ulm und Oberschwaben in: ebda., 23 (1924), 89-91; 24 (1925), 125 f.; 25 (1927), 71-77; 26 (1929), 75-78; 27 (1930), 76; 29 (1934), 108-113.
Nachweis: Bildnachweise: Fotos im NL und in der Personendokumentation des StadtA Ulm.

Literatur: Karl Siegfried Bader, M. Ernst zum Gedächtnis, in: ZWLG 8 (1944-1948), 445-457; Otto Wiegandt, M. Ernst, in: Ulm und Oberschwaben 32 (1951), 113 f.
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