Fendel, Josef Conrad 

Geburtsdatum/-ort: 25.03.1842; Niederheimbach
Sterbedatum/-ort: 19.10.1912;  Mannheim
Beruf/Funktion:
  • Reeder
Kurzbiografie: 1848–1856 Volksschule Niederheimbach
1856 Ausbildung auf dem Schiff des Vaters
1863 Rheinschifferexamen in Köln
1863–1866 Militärdienst in d. 2. Komp. des 29. Preuß. Infanterieregiments; Teilnahme am Krieg gegen Österreich
1870–1871 Teilnahme am dt.-französischen Krieg in d. 3. Komp. Ersatzbataillon des 3. Rheinischen Infanterieregiments. Nr. 29; Unteroffizier
1873 Genehmigung zur Auswanderung nach Holland
1887 Einsatz des ersten Tankschiffs auf dem Rhein
1892 Umzug nach Mannheim; bad. Staatsbürgerschaft
1894 Demonstrationsfahrt von Mannheim nach Straßburg; Umwandlung des Unternehmens in Reederei Gebrüder Fendel
1899 Gründung d. Rheinschifffahrt AG, vorm. Fendel
1903–1908 Mitglied des Mannheimer Stadtrats-Zentrum
1908 Demonstrationsfahrten von Antwerpen nach Straßburg u. Berufung in den bad. Wasserwirtschaftsrat
1911 Verkauf seiner Aktien an den Bad. Staat
1912 Umzug von Mannheim nach Niederheimbach
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Auszeichnungen: Ehrungen: Erinnerungskreuz für die Teilnahme an d. Schlacht bei Königgrätz (1866); Ritterkreuz vom Orden des Zähringer Löwen II. Klasse (1907).
Mitgliedschaften: Mitglied des Mannheimer Stadtrats-Zentrum (1903-1908)
Verheiratet: 1873 (Niederwalluf, Hessen), Clara, geb. Zimmermann (1851–1911)
Eltern: Vater: Johan (1807–1883), Partikulier
Mutter: Elisabetha, geb. Fendel (sic!, 1815–1873)
Geschwister: 7
Kinder: 13; Gertraude (1873–1874), Elisabeth (1875–1953), Anna (1876–1957), Friedrich (1878–1953), Magdalena (1880–1972), Franziska (1881–1957), Caroline (1883–1883), Josephine (* 1885), Antonia (1886–1930), Johann (1887–1918), Josef Konrad (*/† 1891), Hubert (1893–1962) u. Josefine (1897–1972)
GND-ID: GND/1012262715

Biografie: Karl-Heinz Schwarz-Pich (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 6 (2011), S. 108-110

Fendels Vorfahren waren über Generationen als Schiffer, Weinbauern und Fischer in Niederheimbach, einem kleinen Ort auf der linken Rheinseite zwischen Bingen und Bacharach, tätig. Seit dem 16. Jh. waren sie auch Lotsen im Dienst der Rheingrafen und führten die Schiffe zwischen Bacharach und Lorchhausen durch die „wilde Gefahr“ oder „wildes Wasser“ genannten Felsen im Strom. Als der 14-jährige die Ausbildung zum Schiffer auf dem Kahn seines Vaters begann, galt dieser Abschnitt noch immer als die schwierigste Rheinstrecke, weswegen die Ausbildung im Bereich des Binger Lochs auch „Hohe Schule der Steuerleute“ hieß. Die Fähigkeiten, die Fendel hier als Steuermann erwarb, spielten später eine ganz erhebliche Rolle bei seinem Aufstieg zum erfolgreichen Reeder. Zu diesem Können kamen Fendels Wagemut und seine Risikobereitschaft. Er fuhr mit seinen Schiffen selbst dann noch, wenn andere Schiffer wegen Eisgefahr, Hoch- oder Niedrigwasser längst vor Anker gegangen waren. Das rechnete sich auch kaufmännisch zu seinem Vorteil. Fendels Einstieg in die wirtschaftliche Selbständigkeit erfolgte 1866 nach seiner Entlassung aus dem Militär. Mit einem hölzernen Lastkahn schipperte er als „schwimmender Händler“ im Winter, wenn die allgemeine Schifffahrt wegen Eisgefahr ruhte, von Dorf zu Dorf und belieferte die Haushalte mit Kohlen und Sauerkraut, was in den Ortschaften am Mittelrhein erstaunlich gut ankam. Hier zeigte sich bereits ein wesentlicher Charakterzug Fendels: sein ausgeprägtes Gespür für praktische innovative Lösungen und ideenreiche Projekte.
Mit Beginn der hochindustriellen Entwicklung nach dem deutsch-französischen Krieg stieg auch die Nachfrage nach Transportkapazitäten auf dem Rhein. Fendel erkannte die Zeichen der Zeit und ließ sich 1878 mit finanzieller Unterstützung seiner beiden Brüder Friedrich und Jean-Baptiste, beide erfolgreiche Metallgroßhändler in Aachen, einen Schleppkahn aus Eisen bauen. Seine unternehmerischen Aktivitäten als Partikulier verlegte er 1875 nach Holland, zunächst nach Lobith am Rhein, nahe der deutschen Grenze, und später nach Rotterdam. Der Hafen von Rotterdam entwickelte sich in den 1870er Jahren durch den Bau des „Nieuwe Waterweg“ und den damit verbundenen schleusenfreien Zugang zum Meer zum größten Binnenhafen Europas. Von hier aus gingen umfangreiche Warenlieferungen in das aufblühende Ruhrgebiet. 1887 verfügte Fendel bereits über vier Kähne; einen davon steuerte er selbst. Er spezialisierte sich auf den Transport von Getreide und Langeisen, wofür er, des der Statik wegen schwierigen Transports halber, einen Lastkahn nach eigenen Vorstellungen umbauen ließ.
Der Aufstieg zum Reeder erfolgte 1887, indem Fendel auf seinem Kahn „Carolina“ Tanks einbauen ließ und Petroleum für die Firma Philipp Poth von Holland nach Mannheim transportierte. Bisher war Petroleum in Fässern aufwendig und teuer als Stückgut befördert worden. Mit dieser Neuerung ging Fendel als Begründer der Tankschifffahrt auf Binnengewässern in Europa in die Schifffahrtsgeschichte ein. 1890 und 1891 ließ Fendel die ersten Tankschiffe bauen, die auf die Namen von vier seiner Kinder getauft wurden: Magdalena, Josef, Josefine und Friedrich.
Das Beispiel von Fendel machte Schule und bald folgten andere Binnenschiffer, auf Rhein, Elbe und Donau. Weil sich ein so großes Unternehmen nicht mehr vom Steuerhaus aus leiten ließ, ging Fendel 1892 von Bord und ließ sich in Mannheim nieder. Dank hoher Gewinne, die er beim Petroleumtransport erzielt hatte, baute er seine Unternehmen weiter aus und wandelte sie 1899 gegen den Willen seiner beiden Brüder in eine Aktiengesellschaft um, womit eine tragfähigere Basis erreicht werden sollte. Im Alter von 57 Jahren wurde Fendel Generaldirektor der AG. 1899 bestand die Flotte der „Rheinschifffahrts-AG, vormals Fendel“ aus sieben Schleppdampfern und 23 Lastkähnen, 1911 waren es bereits 23 Dampfer und 79 Kähne.
Fendel ging mit einer weiteren praktischen Pionierleistung in die Geschichte der Flussschifffahrt ein. 1894 hatten sich Mannheimer Firmen von der zusammen mit der neuen Straßburger Rheinschifffahrtsgesellschaft eingerichteten „Straßburger Fahrt“ zurückgezogen, weil sie sich wegen der Untiefen und Sandbänke auf dieser Strecke als scheinbar unrentabel erwiesen hatte. In Straßburg gab es damals Überlegungen, einen Seitenkanal von dort nach Ludwigshafen zu bauen. Fendel übernahm die Transportdienste der Mannheimer Firmen, die aufgegeben hatten. Mit seinem Radboot „Fendel 3“ und einem Rheinkahn beförderte er 750 Tonnen Getreide ohne Zwischenstop von Antwerpen nach Straßburg, eine Fahrt, die sich trotz der Schwierigkeiten für ihn rechnete. Damit bewies er, dass die Oberrheinstrecke zwischen Mannheim und Straßburg wirtschaftlich betrieben werden konnte.
Ähnlich stellte sich die Situation 1908 auf der Strecke Straßburg – Basel dar. Eine Firma, die von 1905 bis 1907 die ersten Transportfahrten bis nach Basel durchgeführt hatte, sah sich in ihren Erwartungen enttäuscht und verzichtete auf die Fortsetzung der Schleppfahrten. Fendel erkannte, dass nur unter Einsatz einer stattlichen Flotte von Dampfern und Kähnen unterschiedlicher Leistungstypen, die sich gegenseitig ergänzten und große Mengen transportieren konnten, ein Erfolg möglich war und entwickelte das kombinierte Kran-Leichterschiff, um bei sinkenden Wasserständen einen Teil des Transportguts vom Lastschiff auf das Kranschiff umzuladen, das dann als „Schleppkahn“ die Fahrt fortsetzen konnte. Kosten und Zeit wurden eingespart und die Großschifffahrt auf dem südlichen Oberrhein ein weiteres Mal wirtschaftlich sichergestellt. Diese Neuerung Fendels hat sich bis in die Gegenwart bewährt. Das Eintreffen des ersten „Fendelzugs“ in Basel am 20. Mai 1908 wurde mit Böllerschüssen gefeiert.
Der Name Fendel wurde auf dem Rhein von Basel bis Rotterdam zum Inbegriff eines erfolgreichen Reeders und Kaufmanns. Fendels historisches Verdienst war die Erschließung des gesamten Oberrheins bis Basel für die Großschifffahrt. Dies kam einer Reorganisation der Rheinschifffahrt gleich, die der wirtschaftlich-industriellen Entwicklung der Zeit entsprach. Dabei erkannte Fendel durchaus auch die Konsequenzen für die Partikuliere, die unter der fortschreitenden wirtschaftlichen Konzentration litten, zu der er selbst beigetragen hatte. Er befürwortete deshalb die vertragliche Regulierung zwischen Reedern, Partikulieren und Kaufleuten, die den Partikulieren Aufträge zu soliden Preisen garantieren sollte. Mit diesem Plan konnte er sich aber nicht durchsetzten.
Überraschend verkaufte Fendel sein Aktienpaket 1911 an das Großherzogtum Baden, blieb aber bis zu seinem Tod als Sachverständiger im Aufsichtsrat tätig.
Im März 1912 zog Fendel wieder in seinen Geburtsort. Schon früh hatte der tiefgläubige Katholik, der auch in Mannheim für das Zentrum in der Kommunalpolitik tätig gewesen war, gemeinsam mit seinen Brüdern Anton und Jean-Baptist die Kirche seines Heimatorts unterstützt. Als Ruheständler trug er sich nun mit den Gedanken, eine Stiftung zur Finanzierung eines Kranken- und Altersheims ins Leben zu rufen. Außerdem erwarb er den Petersackerhof in Niederheimbach, ein aus dem 13. Jh. stammendes Klostergut, wo er eine Proviantstation für die Schiffer einrichten wollte. Zur Realisierung beider Vorhaben kam es nicht mehr. Fendel starb noch im gleichen Jahr an einem Krebsleiden im Mannheimer Theresienkrankenhaus, zwei Tage nach einer Operation. Er wurde auf dem Friedhof von Niederheimbach beerdigt.
Von 1911 bis 1945 war sein ältester Sohn, der den Pioniergeist seines Vaters geerbt hatte, als Vorstandsmitglied und Technischer Direktor im Unternehmen tätig. Seit 1912 bildeten die drei Mannheimer Firmen „Bad. Aktiengesellschaft für Rheinschifffahrt und Seetransport“, „Rheinschifffahrt AG vormals Fendel“ und die „Mannheimer Lagerhausgesellschaft“ auf Initiative des bad. Staates eine Betriebsgemeinschaft. Nach einer Reihe von Umstrukturierungen ging das 1971 als „Fendel-Stinnes AG“ gebildete Unternehmen 1984 in der „Rhenus AG“ auf.
Quellen: StadtA Mannheim, Personalstandsbogen; Standesamt Bingen/Rhein, Heiratsurkunde d. Eltern v. Fendel; A d. Diözese Limburg, Heiratsurkunde v. Fendel; FamilienA Gisela Didt, Enkelin von Fendel, Daxweiler.
Nachweis: Bildnachweise: „Der Strom“ Nr. 6, 1937, 9, ebd. Nr. 7, 1937, 7 u. Didt, 1957.

Literatur: „Der Strom“. Werkszs. d. Betriebsgemeinschaft Rheinische Aktiengesellschaft vorm. Fendel, Bad. Aktiengesellschaft für Rheinschifffahrt u. Seetransport, Mannheimer Lagerhaus-Gesellschaft, Rhenus Transportgesellschaft m.b.H Mannheim Nr. 5 u. Nr. 7, 1937; 50 Jahre Rhenus, 1912–1962, hgg. von d. Firma Rhenus, Mannheim/Frankfurt am M., 1962; Ingo Klaus Heidbrink, Dt. Binnentankschifffahrt 1887 bis 1994, 1999; Heinz Scheibe, Niederheimbach u. die Zeit unserer Vorfahren, 2000; Gisela Didt, Josef Conrad Fendel – ein Niederheimbacher Dickkopf, in: Heimatbll. zur Gesch. d. Stadt Bacherach u. d. Viertäler, Nr. 21, 2003, 8–10.
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