Föhner, Wilhelm 

Geburtsdatum/-ort: 28.05.1874;  Mannheim
Sterbedatum/-ort: 19.11.1931;  Mannheim
Beruf/Funktion:
  • Naturforscher und Pädagoge, Begründer des Museums für Natur- u. Völkerkunde in Mannheim
Kurzbiografie: 1881 IV.–1883 IX. Volksschule in Mannheim
1883 X.–1895 VII. Realgymnasium Mannheim bis Reifezeugnis mit dem Gesamtprädikat „sehr gut“
1892 X.–1895 VI. Studium d. Mathematik u. d. Naturwissenschaften an den Univ Heidelberg u. WS 1894/95 Berlin
1896 III. Staatsexamen in Heidelberg für das höhere Lehramt
1896 IX.–1899 VIII. Lehramtspraktikant an d. Großh. Realschule in Emmendingen
1899 IX.–1902 VIII. Lehramtspraktikant an d. Oberrealschule Mannheim
1902 IX.–1923 VII. Professor an d. Lessingschule Mannheim
1904 Erster Sekretär bzw. Geschäftsführer u. stellvertr. Vorstand des „Vereins für Naturkunde“ Mannheim
1908 XI Eröffnung d. „Reißschen Sammlung“ für Naturkunde
1916 IX.–1923 VII. Beurlaubung von d. Schule; Bearbeitung d. Sammlung für Völkerkunde
1923 VIII. Übergang in den städt. Dienst als Direktor des Museums für Natur- u. Völkerkunde
1925 XII. Eröffnung des Museums für Natur- u. Völkerkunde im Zeughaus
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Verheiratet: unverheiratet
Eltern: Vater: Georg (1842–1923), Schneidermeister
Mutter: Caroline, geb. Ullrich (1859–1906)
Geschwister: Mathilde (* 1876)
Kinder: keine
GND-ID: GND/1012263827

Biografie: Alexander Kipnis (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 6 (2011), S. 116-118

Föhner, einziger Sohn eines Mannheimer Schreiners, war in bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen. Die liebevollen Eltern erkannten seine hohe Begabung und kümmerten sich um seine möglichst gute Ausbildung. Neun Jahre besuchte Föhner das Realgymnasium und schloss sein Abitur mit dem Gesamtprädikat „sehr gut“ ab. Anschließend immatrikulierte er sich an der Univ. Heidelberg und studierte Mathematik und Naturwissenschaften. Das Wintersemester 1894/ 95 verbrachte er in Berlin, wo er u. a. die Vorlesung von E. Dubois-Reymond: „Einige Ergebnisse der neueren Naturwissenschaft“ hörte. Eine akademische Karriere konnte Föhner sich aus finanziellen Gründen nicht erlauben. Im Frühjahr 1896 bestand er das Staatsexamen für das höhere Lehramt mit Mathematik und Physik als Haupt- sowie Chemie, Mineralogie, Botanik und Zoologie als Nebenfächern und volontierte dann im Sommer 1896 an der Gewerbe- und Handelsschule in Dürkheim.
Als Beamter begann er dann im September 1896 seine Lehrerlaufbahn, zunächst als Lehramtspraktikant an der neu etablierten Realschule, zuvor: Höhere Bürgerschule, in Emmendingen. Er unterrichtete Mathematik und Physik, in niederen Klassen auch Geographie und Chemie. Im August 1898 bestand er zusätzlich ein Turnlehrer-Examen. Zum nächsten Schuljahr wurde Föhner auf sein mit der schwachen Gesundheit der Eltern begründetes Gesuch nach Mannheim in die Oberrealschule versetzt. Seinen Eltern blieb er lebenslang eng verbunden.
1902 wurde in Mannheim nach dem sog. Frankfurter Lehrplan eine neue Lehranstalt, die „Reformschule“, als weiteres Realgymnasium der Stadt gegründet. Sie bekam 1907 ihr heutiges Gebäude am Josef-Braun-Ufer und im nächsten Jahr den Namen „Lessing-Schule“. Dort wurde Föhner nun als „Professor“ angestellt und arbeitete die nächsten anderthalb Jahrzehnte. Als Lehrer genoss Föhner große Hochachtung dank seiner „unbeugsamen Gerechtigkeit“, so ein Kollege, und seiner klaren Disposition: Er verlangte gewissenhaftes Arbeiten und leitete alle Gesetze aus Erfahrung und konkretem Gegenstand ab.
Nach Mannheim kam Föhner als Mathematiklehrer, jedoch hatte seine Wandlung zum Naturforscher vielleicht schon in Emmendingen begonnen, angeregt von der Natur des Schwarzwalds, die sich so deutlich von der Rheinebene um Mannheim abhebt. Föhner trat in Mannheim gleich dem „Verein für Naturkunde“ bei und im März 1902 bestand er in Heidelberg das „Erweiterungsexamen“ in Zoologie, um als Zoologieoberlehrer wirken zu dürfen – ein Indiz für jene Wandlung? Neben Mathematik und Physik unterrichtete er jetzt auch in oberen Klassen Zoologie und führte systematisch Exkursionen mit seinen Schülern durch. Seine Verdienste in der Förderung des naturhistorischen Unterrichts, insbesondere durch Einrichtung und Handhabung der biologischen Schulsammlungen und durch seine meisterhaften Klassenführungen, fanden Anerkennung unter Naturkundelehrern, weit über Mannheim hinaus.
Im „Verein für Naturkunde“ beschäftigte sich Föhner mit der Naturaliensammlung, die teilweise zu dem Großherzoglichen Naturalienkabinett gehörte. Schon bald kam ihm wohl der Gedanke, sie als ein volkstümliches naturwissenschaftliches Museum zu konzipieren. In einem Vortrag im September 1903 erläutete Föhner seine neue Konzeption der Darbietung von Naturalien. Er wollte abrücken von der formellen Klassifikation nach Arten, den Stoff in seiner „heimatliche[n] Umgrenzung“ zeigen und dessen Darstellung durch naturgetreue, am Leben orientierte „biologische Gruppen“ erreichen: „Insbesondere sind es die Lebensgemeinschaften auf freundschaftlicher oder feindlicher Basis, die reiches Material bieten, um durch naturgetreue Gruppen die Kenntnis des tierischen Lebens zu erweitern.“
1904 wurde Föhner Erster Sekretär des „Vereins für Naturkunde“. In dieser Eigenschaft wies er den Verein in Richtung der Vermittlung von naturkundlichen Kenntnissen für eine breitere Öffentlichkeit: durch allgemein verständliche Vorträge, Exkursionen und besonders durch museale Arbeit, die Entwicklung der Naturhistorischen Sammlung nach seiner Konzeption. Bereits um 1900 nahm er Fühlung mit dem Mäzen und Naturfreund Carl Reiß (vgl. S. 314) auf und erhielt dessen Erlaubnis, auf der „Reiß-Insel“, damals noch „Fasanen-Insel“, zu arbeiten.
Föhners besonderes Interesse galt den Vögeln, und was er allein „hier trieb, das grenzte an die Arbeit einer Vogelwarte“, so ein zeitgenössisches Zeugnis. Föhner konnte stundenlang im Wasser stehend und von Stechmücken geplagt einen seltenen Vogel beobachten. Reiß, der vermutlich dank Föhners Anregung zum Ehrenmitglied des Vereins gewählt wurde, stiftete die Einrichtung einer Sammlung über heimatliche Naturkunde, und Föhner baute zusammen mit seinem Freund und Kollegen Dr. Emil Zimmermann (1869– 1925) diese Sammlung nach und nach auf. So entstand eine einzigartige Darstellung des Lebens der heimischen Tierwelt. Trotz beengter Ausstellungsfläche gelang es Föhner zum 75. Vereinsjubiläum 1908 in einem Teil des Erdgeschosses des Zeughauses die Ausstellung der „Reißschen Sammlung für heimatliche Naturkunde“ aus 36 „Biologischen Gruppen“ zu präsentieren. Dank Föhners Bemühungen wurden der Sammlung immer neue Gruppen angeschlossen, so im Mai 1911 die „umfangreichste und kostbarste“ Wildschweingruppe. Die Sammlung hatte hohen naturkundlichen und pädagogischen Wert und genoss große Popularität in der Stadt. Bereits 1912 war sie die meistbesuchte städtische Sammlung mit 23 000 Besuchern und 222 Schulklassen.
Nach jahrelangen Besprechungen und Beratungen ab Herbst 1900 bewegte Föhner Carl und Anna Reiß (vgl. S. 313), den Bau eines Naturkundlichen Museums testamentarisch festzulegen. Wie aus dem Jahresbericht des Vereins für 1908 ersichtlich ist, fand am 2. Dezember 1907 eine „Besichtigung und Erklärung der Pläne des Reißschen Museums“ statt. Unterdessen brachte Föhner enthusiastisch immer neue Objekte zur Sammlung.
„Da kam das Unglücksjahr 1913.“, so Föhner „Die Geschwister Reiß ließen sich umstimmen und vermachten ihr Vermögen der Kunst“. Allerdings verlangte und bekam Anna Reiß im März 1914 die Zusicherung des Oberbürgermeisters für den Verbleib der „Biologischen Sammlung“ in den „jetzt innehabenden Räumen“ wie auch für die Überlassung des ganzen unteren Raumes des Zeughauses im Falle der Vergrößerung der Sammlung. Trotz dieses Schlags – seitdem hatten und haben die Naturalien in Mannheim kein eigenes Museum – bemühte sich Föhner, die Sammlung zu bewahren und würdig aufzustellen.
Eine große Erweiterung seiner musealen Tätigkeit folgte, als die Stadt 1916 die einzigartige völkerkundliche Sammlung des Münchener Malers Gabriel von Max (1840– 1915) erwarb, woran Föhner aktiv teilnahm. Für Erwerb und nachfolgende Bearbeitung dieser großen Sammlung erhielt Föhner auf Antrag der Stadt die Beurlaubung von der Schule, zunächst für das Schuljahr 1916/17, dann wurde der Urlaub mehrmals bis zum endgültigen Übergang Föhners in den Dienst der Stadt als Direktor des Museums für Natur- und Völkerkunde (1923) verlängert. Nach zwei Jahren unermüdlicher Arbeit konnte das Museum im Dezember 1925 geöffnet werden. Oberbürgermeister Theodor Kutzer (➝ III 166) unterstrich, dass die Entstehung des neuen Museums einerseits auf die Mäzene zurückgehe, andererseits aber auf Föhner, den „feinsinnigen Gelehrten, um den uns ganz Deutschland beneiden darf, [… den] besten Kenner und treuesten Hüter unserer Naturschätze“.
Föhner war bestrebt, die Erd- und Völkerkunde der Bevölkerung „im Zusammenhang mit den Museumsschätzen“ zu vermitteln. Trotz verstärkter Tendenzen, eine Trennung zwischen Natur- und Völkerkunde zu errichten, beharrte er darauf, das eine vom anderen nicht abzulösen und entwickelte eine einheitliche Konzeption seines Museums. Die Arbeit wurde anstrengend, ja zermürbend. Mit 57 Jahren starb Föhner unerwartet an Lungenentzündung und mit ihm wurde auch sein großer Plan begraben, die Natur und den Menschen als eine Einheit im Rahmen eines Museums darzustellen. Was aber blieb, ist sein Verdienst um neue Ansätze zu musealer Arbeit: der Konzeption biologischer Gruppen in der Darstellung der Naturkunde im Museumswesen und der Museumspädagogik Deutschlands entwickelt zu haben.
Quellen: StadtA Mannheim, Familienbogen, Meldekartei, S1/2616, Biograph. Sammlung Föhner, Nachlass Reiß, Zug. 32/1968, Nr. 3 u. Nachlass Walter, Zug. 3/1956, Nr. 516 sowie Bestand Verein für Naturkunde, Zug. 29/2005, Nr. 111, 138, 139; UA Heidelberg, Studentenakten Föhner; GLA Karlsruhe, 235 Zug. 1967–41, Nr. 1078, Personalakte Föhner.
Werke: Die Ausgestaltung des Großh. Naturhistorischen Museums, in: Mannh. Geschichtsbll. 4, 1903, 185–190, auch in: Die historischen u. naturhistorischen Sammlungen in Mannheim als volkstümliche Museen, 1903, 17–25; (Hg.) Verein für Naturkunde Mannheim, 71. u. 72. Jahresber. für 1904 –1905, 1906, 73., 74 u. 75. Jahresber. für 1906–1908, 1909; Über die biolog. Gruppen aus Mannheims Umgebung, in: Mannheimer Verein für Naturkunde 71. u. 72. Jahresber. 1904 –1905, 1906, XXII–XXXII; Nisthöhlen im Käfertaler Wald, ebd. 93– 96; Nachruf auf Dr. Wilhelm Reiß, ebd., 73., 74. u. 75. Jahresber., 1906–1908, 1909, 58–64; Reiss’sche Sammlung, ebd. 66–94; Der naturkundl. Unterricht u. die biologischen Gruppen, ebd. 95–108; Die Reiß’sche Insel. Offener Brief an die Schüler d. achten Klasse Volksschule, in: Mannheimer Tageblatt, 1911 Nr. 178 (Ausschnitt im Nachlass Walter, vgl. Quellen); Die Reißinsel als Naturschutzgebiet, in: BH 14, 1927, 65 ff.
Nachweis: Bildnachweise: Kinzig, 1934, 28 (vgl. Literatur).

Literatur: Fr. Walter, Die Mannheimer Museumssammlungen u. ihr weiterer Ausbau. Denkschrift, 1908; Verein für Naturkunde Mannheim, 71. u. 72. Jahresber., 1906; Ebd., 73., 74 u. 75. Jahresber., 1909; Eröffnung des Museums für Natur- u. Völkerkunde, in: Neue Mannheimer Ztg. vom 21. 12. 1925, 3; Ad. Strigel, 100 Jahre Mannheimer Verein für Naturkunde, in: Verein für Naturkunde Mannheim, 100. u. 101. Jahresber., 1932/33 u. 1933/34; Th. Kinzig, Professor Wilhelm Föhner, ebd., 22–32 (mit Bildnachweis); Th. Kinzig, Aus d. Geschichte d. Mannheimer Naturkundl. Sammlungen, ebd., 33–45; Ad. Strigel, Das Mannheimer Museum für Naturkunde, ebd., 117./118. Jahresber., 1950/51, 1952, 29–34.
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