Hartranft, Alfred 

Geburtsdatum/-ort: 01.07.1847;  Böblingen
Sterbedatum/-ort: 21.11.1930;  Freudenstadt
Beruf/Funktion:
  • Stadtschultheiß in Freudenstadt
Kurzbiografie: Studium der Rechtswissenschaft
1872-1873 Justizassessor beim Oberamtsgericht in Horb
1874-1876 Justizassessor beim Oberamtsgericht in Freudenstadt
1876 Wahl zum Stadtschultheiß in Freudenstadt
1877-1919 Stadtschultheiß in Freudenstadt
1890-1900 Abgeordneter im württembergischen Landtag
1902 Ernennung zum Ehrenbürger der Stadt Freudenstadt
1927 50jähriger Amtsantritt
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: 18. 5. 1880 Pauline, Tochter des Johannes Schaible, Gemeinderat und Mühlenbesitzer in Tübingen
Eltern: Vater: Heinrich Hartranft, Oberamtspfleger in Böblingen
Mutter: Johanna Christina, geb. Böhringer
Geschwister: Hugo, Kaufmann
Dr. Julius, Rektor der Lateinschule Sindelfingen
Kinder: 2 Söhne (1 früh verstorben) und 4 Töchter, darunter Eugenie, verheiratet mit Wilhelm Luz, Freudenstädter Hotelier
GND-ID: GND/1012270335

Biografie: Renate Karoline Adler/Maria Heidebrecht (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 1 (2006), 97-98

Hartranft entstammte einer angesehenen Böblinger Beamtenfamilie. Nach dem Jurastudium begann er seine Laufbahn am Oberamtsgericht in Horb und danach in Freudenstadt. Dort fiel der junge, energische und willensstarke Justizassessor den Freudenstädtern auf, so dass er im Sommer 1876 von vielen Bürgern der Stadt aufgefordert wurde, sich um die freigewordene Stelle des Stadtschultheißen zu bewerben. Im November gelang es dem noch nicht 30jährigen, im zweiten Wahlgang die Wahl für sich zu entscheiden.
Hartranft war nicht zuletzt durch sein Elternhaus von großer Aufrichtigkeit, von Fleiß und Gewissenhaftigkeit geprägt. Dazu kamen Weitsicht, Elan, aber auch ein feinsinniges Wesen und Humor. Trotz des äußerst freudigen Empfangs Hartranfts bei seinem Amtsantritt im Januar 1877 hätte wohl keiner der Freudenstädter damals geglaubt, dass dieser junge Mann das etwas verschlafene Schwarzwaldstädtchen innerhalb weniger Jahrzehnte zu einer international bekannten Kurstadt emporbringen würde.
Freudenstadts Entwicklung stagnierte im Laufe des 19. Jahrhunderts. Für die Landwirtschaft war das Klima zu rauh, die verbreiteten Handwerkszweige wie Nagelschmiede und Tuchmacher hatten durch die beginnende Industrialisierung an Bedeutung verloren. Viele junge Leute wanderten in die großen Städte ab. Hartranft erkannte die Gunst der Stunde, sah das Kapital, das in dem Städtchen und seinem Wald schlummerte und verstand es, Freudenstadt in dem großartigen Aufbruch des Schwarzwaldtourismus hervorragend zu platzieren.
Mit Hilfe des Schwarzwaldvereines, des Verschönerungsvereines und einiger Gastronomen begann Hartranft die Stadt und deren Umgebung umzukrempeln. Holzbeugen, Misthäufen und die Hühner auf dem Marktplatz verschwanden, die Stadt wurde sauber und durch Kuranlagen „verschönt“, auf dem Kienberg entstand der Friedrichsturm, der Musikpavillon auf dem Marktplatz, das Kurtheater und das Luftbad. Wanderwege, Schutzhütten und Schilder erschlossen die weiten Wälder um Freudenstadt. Auf vielfältige Art bemühte sich Hartranft, für die Luftkur in Freudenstadt zu werben.
Zunächst geschah all dies nur gegen den zähen Widerstand der Bevölkerung. Das Misstrauen gegen all das Neue war groß. Doch Hartranft gelang es, auch die Gastronomen für sich zu gewinnen. Hotels, Gasthäuser, Cafés blühten auf. 1881 soll der erste „Luftschnapper“ in Freudenstadt abgestiegen sein, kurz darauf zählte man schon einige hundert Übernachtungen im Jahr. In den ab 1884 erscheinenden „Fremdenlisten“ finden sich bekannte Namen aus vielen europäischen Ländern. Freudenstadt erlebte in den Jahren um 1900 eine absolute Blütezeit.
Diese Kurstadt war das Lebenswerk Hartranfts. Jahrzehntelang kämpfte er unermüdlich dafür. Es gelang ihm, geistig und wirtschaftlich führende Kreise an Freudenstadt zu interessieren und teilweise auch hier sesshaft zu machen. Erwähnt werden soll hier nur der Name Paul Lechler. Ein Höhepunkt in Hartranfts Schaffen war etwa die persönlich von ihm ausgestaltete 300-Jahr-Feier der Stadt, an der auch der württembergische König teilnahm. 1906 gelang es, den Deutschen Ärztetag nach Freudenstadt zu holen. Bemerkenswert sind auch die von Hartranft persönlich herausgegebenen Freudenstädter Fremdenführer.
1919 schied Hartranft altershalber aus dem Amt, blieb aber weiterhin in seiner Stadt wohnen. Sein hohes Alter verdanke er „Der Wunderkraft der Tannen“.
Quellen: StadtA Freudenstadt: Verwaltungsakten, Gemeinderatsprotokolle, die Tageszeitung „Der Grenzer“ sowie der Fotobestand.
Werke: Höhenluftkurort Freudenstadt im Württ. Schwarzwald, bearb. von Stadtschultheiß Hartranft, 1. Aufl. 1896, 6. Aufl. 1917.
Nachweis: Bildnachweise: StadtA Freudenstadt.

Literatur: Dr. Blaicher, Zum 50jährigen Amtsantritt von Herrn Alt-Stadtschultheiß Hartranft, 30. Januar 1927, in: Schwarzwald-Zeitung „Der Grenzer“ vom 29.1.1927; Stadtschultheiß a. D. A. Hartranft †, in: Schwäbischer Merkur Nr. 275 vom 23.11.1930; Hans Rommel, Der Ehrenbürger von Freudenstadt, in: Freudenstädter Heimatblätter 10 Nr. 9 vom 3.2.1967; Hans Rommel, Aus Hartranfts Erinnerungen, in: Freudenstädter Heimatblätter 8 Nr. 2 vom 12.11.1955.
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