Hofheinz, Oskar 

Geburtsdatum/-ort: 08.10.1873;  Spöck, Amt Karlsruhe
Sterbedatum/-ort: 20.04.1946;  Heidelberg
Beruf/Funktion:
  • Obmann des Badischen Lehrervereins, DDP-Politiker, Mitglied des Landtags, Gegner des NS-Regimes
Kurzbiografie: 1879-1888 Volksschule in Spöck
1888-1890 Großherzogliche Präparandenanstalt Gengenbach
1890-1893 Lehrerseminar Karlsruhe
1893-1903 Unterlehrer in Konstanz, Gernsbach (Amt Schopfheim), Mengen (Amt Freiburg), Haslach (bei Freiburg)
1903 Hauptlehrer Heidelberg
1912 Stadtverordneter im Bürgerausschuß Heidelberg
1914-1916 Kriegsdienst
1919-1930 Stadtrat in Heidelberg
1919-1931 Obmann des Badischen Lehrervereins
1921-1933 Mitglied des Badischen Landtags (DDP/Staatspartei)
1929-1933 Vorsitzender der DDP/Staatspartei-Landtagsfraktion
1931 Stadtoberschulrat in Heidelberg
1933 Dienstenthebung und Versetzung in den Ruhestand
1945 Berufung in den vorläufigen Stadtrat von Heidelberg
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: 1903 Luise Katharina Friederika, geb. Müller
Eltern: Vater: Maximilian Leopold Hofheinz, Gastwirt
Mutter: Wilhelmina, geb. Gamer
Geschwister: 12
Kinder: 3 Söhne
GND-ID: GND/1012273822

Biografie: Hans-Georg Merz (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 3 (1990), 130-132

In augenfälligem Kontrast zu den tiefgreifenden historischen Umbrüchen in der ersten Jahrhunderthälfte kennzeichnet eine bewundernswerte Beständigkeit den persönlichen und politischen Lebensweg von Hofheinz Das Bekenntnis zu den „Idealen unserer Weimarer Reichsverfassung“ besaß nicht nur für die Dauer der ersten deutschen Republik Gültigkeit; er bewahrte ihnen auch in der Zeit der Diktatur die Treue, als diese Einstellung zu schweren Benachteiligungen und entwürdigenden Verfolgungen führte. Im Sommer 1919 als Nachfolger Michael Rödels zum Obmann (Vorsitzenden) des Badischen Lehrervereins (BLV) gewählt, betrachtete es der Heidelberger Hauptlehrer als die höchste Verpflichtung seines Berufsstandes, dem Schüler die wichtigsten Voraussetzungen für die Ausübung seiner zukünftigen Staatsbürgerrolle zu vermitteln: „einmal das Bewußtsein seines politischen Wertes, seiner staatsbürgerlichen Selbständigkeit, zum anderen die unbedingte Mitverantwortlichkeit für alles, was geschieht.“ Um dieses Zieles willen, aber auch damit der Begriff des „Sozialbürgers“ zur lebendigen Wirklichkeit gelangte, war Hofheinz an der Spitze seines Verbandes, der rund 7 000 Mitglieder zählte, unermüdlich um eine Aufwertung der Bildungspolitik und um eine Verbesserung der pädagogischen, sozialen und wirtschaftlichen Situation der Volksschullehrerschaft bemüht.
Erfordernissen der Erziehung wie den während der gesamten Weimarer Zeit prekären materiellen Verhältnissen vieler Berufskollegen entsprangen zahlreiche Initiativen und Aktivitäten, die freilich nur teilweise positive Ergebnisse zeitigten. Die Forderungen nach einer Senkung der durchschnittlichen Klassenstärke in den Volksschulen, nach der Angliederung eines 9. Schuljahres, der Erhöhung der wöchentlichen Unterrichtszeit der Schüler blieben weitgehend unerfüllt, Personalabbaumaßnahmen und Junglehrerprobleme eine stete Sorge des Obmannes, der auch bei der Bewältigung individueller Notfälle seinen Einfluß geltend zu machen suchte. Einen Lichtblick stellte die lange angestrebte Besoldungsregelung von 1928 dar, die den Volksschullehrern zwar nicht die „Angleichung“ an die Gehälter der Gymnasiallehrer brachte, wohl aber die Einkommenslage günstiger gestaltete. Weniger befriedigte das badische Lehrerbildungsgesetz von 1926, das nicht, wie von Hofheinz namens des Lehrervereins gefordert, die bisherige Seminarausbildung durch ein Hochschulstudium ersetzte, sondern zur Gründung von Lehrerbildungsanstalten ohne wissenschaftlichen Status (in Karlsruhe, Freiburg und Heidelberg) führte. Hofheinz beschränkte indessen seine Tätigkeit nicht auf den öffentlichen, politischen Raum; indem der BLV selbst unter seiner Leitung die berufliche Fortbildung der Mitglieder förderte sowie das System vereinseigener Wohlfahrtseinrichtungen (z. B. Versicherungen, Lehrerheim Freyersbach) ausbaute, erzielte der Obmann auch eine beträchtliche „Innenwirkung“. Wie positiv dieselbe war, zeigte sich im Jahre 1931, als Hofheinz, zum Stadtoberschulrat in Heidelberg ernannt, den Lehrervereinsvorsitz niederlegen wollte. Weil es der großen Mehrzahl der Mitglieder undenkbar erschien, „in dieser kritischen Zeit auf die Führerkraft unseres Hofheinz zu verzichten“, wurde ihm der Posten des Obmannstellvertreters übertragen und damit die weitere Vorstandsarbeit ermöglicht.
Zwei Jahre nach Übernahme des BLV-Vorsitzes erfolgte Hofheinz' Wahl in den badischen Landtag, dem er zwölf Jahre lang, bis 1933, angehörte. Der DDP-Abgeordnete besaß somit gewissermaßen eine politische „Doppelexistenz“: er war zugleich Verbandsfunktionär sowie Parlamentarier und Parteipolitiker. Zahlreiche Redebeiträge im Plenum des Landtags (hauptsächlich zu Schul-, Bildungs- und Kulturthemen, aber auch zu Problemen des Straßenbaus, der Landwirtschaft, der Erwerbslosenfürsorge, des Finanzwesens), ebenso die Arbeit in wichtigen parlamentarischen Gremien (Haushaltsausschuß, Ausschuß für Rechtspflege und Verwaltung, Vertrauensmännerausschuß, Landständischer Ausschuß) erweisen Hofheinz als einen vielseitig interessierten und informierten Volksvertreter. Als DDP-/Staatspartei-Fraktionsvorsitzender gehörte er von 1929 bis 1933 in die erste Reihe der badischen Mandatsträger. Namhafte Persönlichkeiten, z. B. Heidelberger Professoren wie Gerhard Anschütz, Karl Hampe, Richard Thoma, Alfred Weber oder der Preußische Finanzminister und spätere Präsident des Bundesverfassungsgerichts Hermann Höpker-Aschoff, legten Wert auf sein politisches Urteil. Eine Rede auf dem Kongreß liberaler Parteien in Karlsruhe (1927), die Teilnahme an weiteren internationalen Veranstaltungen sowie die Mitgliedschaft im Vorstand der Deutschen Staatspartei machten ihn auch überregional bekannt.
Es konnte nicht ausbleiben, daß der überzeugte Republikaner und Repräsentant des parlamentarischen Systems zunehmend Anfeindungen ausgesetzt war. Eine Ende der 20er Jahre von dem völkisch-nationalsozialistischen Pädagogen Ernst Krieck und einer kleinen Anhängerschar politisch rechtsstehender Lehrer entfachte öffentliche Kampagne gegen die Personalunion von Abgeordnetenmandat und Obmannposten bezweckte in ihrer ganzen Gehässigkeit nicht nur einen bewußten Rufmord des Politikers Hofheinz, sondern zielte auch, in einer längerfristigen Perspektive, auf die Ausschaltung aller verfassungstreuen Kräfte aus dem Lehrerverein. Die eindrucksvolle Vertrauenskundgebung der BLV-Vertreterversammlung 1929 ließ deshalb Hofheinz die Gefahren nicht übersehen, die dem demokratischen System insgesamt drohten.
Die letzte große politische Kontroverse in der republikanischen Ära, an der Hofheinz „in vorderster Front“ beteiligt war, hatte den Abschluß eines Badischen Konkordats zum Gegenstand. Die Ablehnung eines solchen beruhte nicht auf antichristlichen oder antiklerikalen Motiven des langjährigen Mitglieds der evangelischen Synode in Baden; sie hatte ihre Wurzel in der Überzeugung, daß die badische Simultanschule, „dieses wertvolle Gut der Volksgemeinschaft“, unangetastet bleiben müsse. Offensichtlich beeinflußte die langjährige Opposition gegen politische Vorstellungen des Zentrums auch Hofheinzs beruflichen Werdegang. Daß er nach verschiedenen erfolglosen Bewerbungen erst 1931 Stadtoberschulrat wurde, obwohl er zuvor bereits als Kandidat für den Posten des badischen Kultusministers im Gespräch war, ist hauptsächlich auf Einflußnahmen dieser Partei zurückzuführen. Entgegen der Auffassung zahlreicher Zeitgenossen, für die eine umfängliche Ämterpatronage ein unbezweifelbares Faktum war, wirkte hier das ausgeprägte politische Profil eher als „Ämterbremse“.
Nach der NS-„Machtergreifung“ zögerten die neuen Herren nicht, Hofheinz als einen der ersten badischen Beamten von seinen Dienstgeschäften zu beurlauben und in den zuerst einstweiligen und dann endgültigen Ruhestand zu versetzen. War in der formalen Durchführung dieser Willkürakt (vom 1. April 1933) insofern ein „Kuriosum“, als „der dienstenthebende Erlaß des neuen Ministers im selben Briefumschlag mit der Anerkennungsurkunde über treugeleistete vierzigjährige Dienstzeit einging, dieses Schreiben allerdings gezeichnet noch vom Staatspräsidenten der alten Regierung“, so resultierten aus den nachfolgenden Schikanen, Denunziationen und Gestapoverhören eine tiefe Verletzung des „Ehrgefühls“ und des „Gerechtigkeitsgefühls“. Ungeachtet aller Verfolgungen, wirtschaftlichen Einbußen, gesundheitlichen Schädigungen gewährte Hofheinz zahlreichen Gegnern und Opfern des Nationalsozialismus, auch jüdischen Bürgern, seinen Beistand und seine Unterstützung, stellte für dieselben sein Haus stets eine „Stätte des Trostes und uneigennütziger Hilfe“ (M. Wolfhard) dar.
Nach dem Untergang des „Dritten Reiches“ beteiligte sich Hofheinz von der ersten Stunde an am politischen Wiederaufbau, freilich krankheitsbedingt nur noch mit begrenzter Kraft. Kontakte mit liberalen Politikern, z. B. mit Theodor Heuss, die Mitgliedschaft im vorläufigen Heidelberger Stadtrat, die von der US-Militärregierung gewünschte Teilnahme an ersten Entnazifizierungsaktionen bestimmten die letzte kurze Phase seines öffentlichen Wirkens. Das Angebot, als „Erziehungsdirektor“ die Aufsicht über sämtliche Heidelberger Schulen zu übernehmen, mußte er ablehnen. Daß es Hofheinz nicht mehr vergönnt war, seine Erfahrungen und Einsichten an führender Stelle in die Tat umzusetzen, bedeutete für den demokratischen Neubeginn einen schweren Verlust.
Quellen: GLA:231/10956: MdL-Personalbogen; 233/24818; 235/ 21795. –; Stadtarchiv Heidelberg: 288/10. – Nachlaß (Privatbesitz).
Werke: Développement et Situation de l'école primaire allemande, in: Entente Internationale des Partis Radicaux et des Partis Démocratiques Similaires, Compte-Rendu du Congrès de Karlsruhe 1927, Fasc. III, Paris/Copenhagen 1927, 14-24; Reden und Aufsätze, in: Verhandlungen der Badischen Landesschulkonferenz vom 10. bis 13. Februar 1920 in Karlsruhe, hg. vom Ministerium des Kultus und Unterrichts, Lahr 1920, 151 ff.; Badische Schulzeitung, Vereinsblatt des Bad. Lehrervereins, Jg. 60 ff., 1922 ff.; Verhandlungen des Badischen Landtags, Protokollhefte: 532 a+b, 537 a+b, 539 a+b, 543 b, 545 a+b, 550 a, 552a, 557 a, 559 a, 564 a, 567 a, 570 a, 1921-1933.
Nachweis: Bildnachweise: Lehrerzeitung Baden-Württemberg, Jg. 30, 11/1976, 215.

Literatur: Alois Kimmelmann, Zur Geschichte der Lehrer-Bewegung in Baden 1876/1926, Bühl 1926, 296 ff.; Volker Lenhart, Geschichte der Lehrerbewegung in Baden 1926-1976, Bühl/Baden 1977, 6 ff., 13 ff., 30 ff.; H.-G. Merz, Beamtentum und Beamtenpolitik in Baden. Studien zu ihrer Geschichte vom Großherzogtum bis in die Anfangsjahre des nationalsozialistischen Herrschaftssystems, Freiburg/München 1985, 136 ff., 211 ff; M. Wolfhard, O. Hofheinz Ein Gedenkblatt dem Schulmann und Politiker, Heidelberg 1946.
Suche
Durchschnitt (0 Stimmen)