Knapp, Alfred 

Geburtsdatum/-ort: 13.10.1870;  Aalen-Wasseralfingen
Sterbedatum/-ort: 29.08.1929;  Stuttgart
Beruf/Funktion:
  • Hüttenwerksleiter und technischer Geschäftsführer
Kurzbiografie: 1888 Reifeprüfung am Karlsgymnasium in Stuttgart
1888-1893 Maschinenbaustudium an der Technischen Hochschule Stuttgart
1894 Erste Dienstprüfung
1894-1898 Vorbereitungsdienst als Bergkadett
1897 Zweite Dienstprüfung
1898 Ernennung zum Hüttenverwaltungsassistenten in Königsbronn
1900 Ernennung zum Hütteninspektor
1902 Ernennung zum Werksvorstand in Königsbronn
1910 Beförderung zum Bergrat
1917 Ernennung zum Werksvorstand in Wasseralfingen
1921 Beförderung zum Oberbergrat
1921 Diensteintritt bei der SHW GmbH als technischer Geschäftsführer
1924 Ehrenbürgerschaft der Gemeinde Königsbronn
1928 Pensionierung
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Auszeichnungen: Verleihung des Ritterkreuzes des Friedrichsordens II. Klasse (1912)
Verheiratet: 1899 Pauline Mathilde, geb. Krämer
Eltern: Vater: Reinhold Knapp (1836-1883), Bergrat
Mutter: Luise, geb. Stälin (geb. 1845)
Kinder: Annelise; Werner; Bernhard
GND-ID: GND/1012279405

Biografie: Uwe Fliegauf (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 1 (2006), 138-140

Knapp entstammte einer altgedienten Beamtenfamilie, der hochkarätige Wirtschaftsfachleute wie der frühere Finanzminister und Eisenbahnfachmann Christian von Knapp entstammten. Auch sein Vater Reinhold blickte auf eine langjährige und verdienstvolle Laufbahn im staatlichen Berg- und Hüttenwesen zurück, an deren Ende er als zuständiger Bergratsreferent die Betriebsführung am bedeutendsten Hüttenwerksstandort in Wasseralfingen überwachte. Als Knapp sich entschloss, die Familientradition fortzusetzen und Hüttenbeamter zu werden, befand sich die staatliche Hüttenindustrie Württembergs am Beginn einer jahrzehntelangen Strukturkrise. Ausgelöst durch den gescheiterten Einstieg in die moderne Bessemer- bzw. Thomasstahltechnologie drohte dieser heimische Industriezweig mit der preislichen Wettbewerbsfähigkeit auch den Anschluss an die private Konkurrenz zu verlieren. Es gehört zu den bleibenden Verdiensten Knapps durch vorausschauendes unternehmerisches Handeln daran mitgewirkt zu haben, dass die traditionsreiche königlich-württembergische Eisenindustrie vor dem Untergang bewahrt werden konnte.
Nach der Reifeprüfung absolvierte Knapp in Stuttgart und Berlin ein fünfjähriges Maschinenbaustudium, bevor er im Januar 1894 die erste Dienstprüfung für das Berg-, Hütten- und Salinenwesen erfolgreich bestand. Die fundierte wissenschaftliche Ausbildung, sein überdurchschnittlicher Einsatz sowie seine Gewissenhaftigkeit bei der Erfüllung ihm übertragener Dienstaufgaben ermöglichten Knapp während seines Vorbereitungsdienstes einen bemerkenswerten Aufstieg. Davon zeugen nicht nur seine hochgelobten schriftlichen Prüfungsarbeiten, sondern auch seine weiteren Einsatzgebiete: nach ersten Hilfstätigkeiten im chemischen Laboratorium Wasseralfingen, vertrat er bereits im Juni 1894 den Betriebsbeamten beim dortigen Walzwerk, wurde im November 1894 zum Hüttenamt im nahegelegenen Abtsgmünd und anschließend zur Saline Friedrichshall abgeordnet, von wo aus der Bergkadett Knapp im Oktober 1895 seine erste reguläre Stelle als Assistent des Hüttenverwalters der Stahl- und Sensenfabrik in Friedrichstal antrat. Nach weiteren „Probedienstleistungen“ beim Bergrat in Stuttgart und einer erneuten Verwendung auf der Saline Friedrichshall ernannte man ihn – der zwischenzeitlich mit der zweiten Dienstprüfung alle Voraussetzungen für den höheren Staatsdienst erfüllte – 1898 zunächst zum Assistenten und schließlich 1902 zum Vorstand des Hüttenwerks Königsbronn. Der dortige Betrieb war seit 1838 auf den Guss und die Bearbeitung von Hartgusswalzen für die Glättwerke von Papiermaschinen spezialisiert. Die Entwicklung immer größerer Papiermaschinen machte gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Herstellung immer breiterer Walzen erforderlich. Um derartige Walzenaufträge übernehmen und die mühsam erworbene Marktposition erhalten zu können, wurden die Produktionsanlagen unter der Leitung Knapps grundlegend modernisiert und erweitert. So entstand 1908 bis 1910 ein Neubau der Walzengießerei, die mit einem für damalige Verhältnisse großen Kupolofen von 10-Tonnen-Fassungsvermögen und 1911 zusätzlich mit einen 30-Tonnen-Laufkran ausgestattet wurde. Anschließend wurde 1914 bis 1916 die Walzendreherei bedeutend erweitert. Zudem ließ Knapp 1906 den dortigen Holzkohlenhochofen ausblasen.
Während des Krieges konnte er durch den rechtzeitigen Einstieg in die Bearbeitung von Geschosshülsen den dramatischen Rückgang im angestammten Walzengeschäft auffangen und den Geschäftsbetrieb trotz des Mangels an Arbeitskräften und Rohstoffen aufrechterhalten. Diese „erfolgreiche, mit außergewöhnlicher Arbeitsleistung verbundene Tätigkeit“ honorierte das Finanzministerium schon 1910 mit der Verleihung der Ehrentitulatur Bergrat und die Gemeinde Königsbronn 1924 mit der Verleihung des Ehrenbürgerrechts, wobei Knapp – wie er in seinem Dankschreiben zum Ausdruck brachte – diese letzte Anerkennung besonders viel bedeutete. Bei der 1917 anstehenden Wiederbesetzung der Leitung des Werks Wasseralfingen war Knapp, ein „bemerkenswerter Techniker von sehr guter Befähigung und tüchtigster Leistung“, denn auch der Wunschkandidat des Finanzministeriums und wurde „vermöge seiner Kenntnisse und Leistungen“ den übrigen, durch höheres Dienstalter bevorrechtigten Beamten vorgezogen. Der Werksbetrieb war durch die Inbetriebnahme einer Granatengießerei mit Siemens-Martin-Ofenanlage und Dreherei stark angewachsen und bearbeitete ausschließlich Heeresaufträge.
Als einer der ersten württembergischen Hüttenbeamten befasste er sich 1918 in einer Denkschrift an die vorgesetzte Behörde mit betriebswirtschaftlichen „Vorbereitungen für die Friedenswirtschaft“ und sprach sich dafür aus, die Ertragsüberschüsse in die Konversion und den Ausbau der Hüttenwerksanlagen zu investieren und den kriegsbedingten Anstieg der Produktionskosten durch eine Verfeinerung der kaufmännischen bzw. technischen Organisationsstrukturen sowie die Auswahl besonders leistungsfähiger Facharbeiter auszugleichen. Daneben griff er 1921 mit einem weiteren Memorandum in die mit dem Wechsel der Staatsform einsetzende Debatte über die zukünftige Organisationsform des staatlichen Hüttenwerksbesitzes ein und machte sich mit seinem Vorschlag, „die verschiedenen Werke mit dem Erzbesitz unter straffer einheitlicher Leitung zu einem einzigen Unternehmen zusammenzufassen, dessen innerer Aufbau auf privatwirtschaftlicher Grundlage ruht“, zum maßgeblichen Vordenker der letztendlich vollzogenen Teilprivatisierung.
Mit Wirkung vom 30. September 1921 trat er als Geschäftsführer für den technischen Leitungsbereich in die Dienste der zu gleichen Teilen vom Land Württemberg und der Gutehoffnungshütte Oberhausen gegründeten „Schwäbische Hüttenwerke GmbH“. Auch seine neue Funktion bürdete ihm eine große Verantwortung auf, hing doch die Ertragskraft und damit der Fortbestand des jungen Unternehmens wesentlich von der erfolgreichen Modernisierung und Rationalisierung der Produktionsanlagen ab. Dabei plante und überwachte er nicht nur die Maßnahmen im Hauptwerk Wasseralfingen, sondern auch auf den übrigen Regionalwerken bis ins kleinste Detail. Sein ehrgeizigstes Projekt fand Knapp in der 1920 angelaufenen Planung einer Stahlformgießerei, die man allerdings wegen der ungünstigen Konjunktur und der hohen Investitionsausgaben nicht realisierte. Eine weitere richtungsweisende Entscheidung Knapps bildete 1925 die endgültige Stilllegung des unwirtschaftlichen Hochofenbetriebs. Damit vollendete Knapp die seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. eingeleitete Umwandlung der Hüttenwerke in moderne, metallverarbeitende Betriebe mit hochspezialisierter Produktpalette. Daneben zeichnete er für die Neuanschaffung zahlreicher Maschinen sowie die Erneuerung der Kraftanlagen in der Gießerei und Radsatzfertigung des Wasseralfinger Werks, für den Wiederaufbau der abgebrannten Gießerei in Friedrichstal, die Erweiterungs- und Neubauten der Walzengießerei und -dreherei in Königsbronn sowie für die grundlegende Instandsetzung der Gießereien in Ludwigstal bei Tuttlingen und Wilhelmshütte bei Bad Schussenried verantwortlich.
Überschattet und erschwert wurden diese arbeitsreichen Jahre von wachsendes Spannungen im Verhältnis zum damaligen Hauptgeschäftsführer Hermann von Rösch, über die beide Beteiligten – ebenso eigenwillige wie eigensinnige Charaktere – kaum hinwegkamen. Darüber hinaus schwächte ein ernstes und angesichts der übernommenen „Herkulesaufgabe“ lang unterschätztes Herzleiden Knapp derart, dass er nach längerer Krankheit zum 30. 9. 1928 in den dauernden Ruhestand treten musste. Dieser abrupte Rückzug dürfte ihm, der nach eigenem Bekunden seiner „Arbeit stets mit dem Herzen und aus Liebe zu unsern Werken“ nachkam, sehr schwer gefallen sein. Die langsame, immer wieder von Rückschlägen begleitete Rekonvaleszenz, die er an seinem Alterswohnsitz in Stuttgart-Degerloch zu finden suchte, hinderte ihn nicht daran, neue Pläne zu machen, doch dazu kam es nicht mehr. Knapp war keinesfalls ein kühl kalkulierender Technokrat, sondern eine vielseitig interessierte und umfassend gebildete Persönlichkeit mit ausgeprägtem sozialem Bewusstsein. Maßnahmen der betrieblichen Sozialpolitik und insbesondere Maßnahmen des Arbeitsschutzes genossen in seinem Denken und Handeln einen hohen Stellenwert. Von diesen Qualitäten zeugen und profitierten neben den zahlreichen Ehrenämtern, u. a. beim Verband württembergischer Metallindustrieller, dem urgeschichtlichen Forschungsinstitut der Universität Tübingen oder auch im Kuratorium des Deutschen Museums, dem er in seiner Zeit als Werksleiter in Königsbronn eine Reihe wertvoller Exponate überlassen hatte, auch die mit profunder Sachkenntnis verfassten Denkschriften, Gutachten und Reiseberichte zu den unterschiedlichsten kaufmännischen und technischen Fragen sowie ein 1905 erschienener, auf akribischen Quellenstudien basierender Aufsatz über den Wiederaufbau des Hüttenwerks Königsbronn nach dem 30jährigen Krieg.
Quellen: WABW, B 1007: PA 1866-1871, 1902-1921; B 1009: PA 1917-1929.
Nachweis: Bildnachweise: WABW: SHW-Fotosammlung.

Literatur: Schwäbischer Merkur (1929), Nr. 410, 5; Illustrierte Technik, 43 (1929), 16.
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