Köhler, Wilhelm Otto 

Geburtsdatum/-ort: 16.04.1904;  Pforzheim
Sterbedatum/-ort: 07.10.1970;  Offenburg
Beruf/Funktion:
  • römisch-katholischer Geistlicher, Verfolgter des NS-Regimes
Kurzbiografie: 1922 Abitur Pforzheim
1922-1926 Theologiestudium Freiburg
1927 Priesterweihe
1927 Vikar in Lauf und Tiengen/Hochrhein
1928/29 in Schopfheim und Seckenheim
1931 in Oppenau
1934 in Bruchsal
1936 in Rastatt und Freiburg-St. Georgen
1937 Pfarrverweser in Herbolzheim und Görwihl
1941-1945 in Haft (Rottenburg/N. und Konzentrationslager Dachau)
1946-1966 Religionslehrer in Offenburg
Weitere Angaben zur Person: Religion: römisch-katholisch
Eltern: Wilhelm Köhler (1856-1937), Gymnasialprofessor
Ida geb. Grünewald (1870-1935)
Geschwister: 1
GND-ID: GND/1012280152

Biografie: Hans-Josef Wollasch (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 2 (1999), 281-282

Die von zuhause gewohnte strenge Zucht und Ordnung wurde auch ein Wesenszug des Seelsorgers Köhler, dem jedoch bei aller Rauhheit auch Begeisterungsfähigkeit, Idealismus und Opferwilligkeit bestätigt wurden. Daß er von seiner Neigung her sich nicht nur mit schöner Literatur, sondern auch mit Politik beschäftigte, und dies in sehr emotionaler, als unfertig bezeichneter Weise, könnte mit ein Grund gewesen sein, daß er über neun Jahre hinweg auf immerhin acht Vikarstellen eingesetzt war. Schon 1931 mußte die Kirchenbehörde den Vikar Köhler in Oppenau nach einer örtlichen Pressefehde zu stärkerer Zurückhaltung mahnen im Hinblick auf die „ganz leidenschaftliche Einstellung der national-sozialistischen Bewegung gegen die Geistlichen.“ Sein Bruchsaler Pfarrherr lobte ihn für seine meisterhaften Predigten und Vorträge sowie für sein hohes psychologisches Einfühlungsvermögen, wünschte ihm jedoch mehr Abgeklärtheit zur Dämpfung von zuviel Begeisterung und redlicher Entrüstung. Durchgängig wird von da an in den Jahresberichten des Dekans die Gefährlichkeit der Kombination von rhetorischer Begabung Köhlers und seiner Vorliebe für spöttische und sarkastische Seitenhiebe vermerkt.
So konnte es fast nicht ausbleiben, daß der kritische, energische und gelegentlich cholerische Geistliche auch nach seiner erzwungenen Versetzung in das abgelegene Görwihl im Visier der nationalsozialistischen Machthaber stand. 1940 entzog ihm das Badische Kultus- und Unterrichtsministerium die Befugnis zur Erteilung des Religionsunterrichts, am 21. Juli 1941 wurde er von der Gestapo verhaftet und einen Monat später vom Waldshuter Gefängnis in das Konzentrationslager Dachau verbracht.
Dem Häftling Nr. 27133 vom Priesterblock 26 wurde im Dezember vor dem Sondergericht Freiburg in Waldshut der Prozeß gemacht. Laut Anklageschrift war er „seit der Machtübernahme in politischer Hinsicht mehrfach sehr unliebsam als typischer Hetzpriester aufgefallen“. Deshalb war es auch weniger eine einem Schüler erteilte Ohrfeige, sondern die Interpretation verschiedener Äußerungen im Religionsunterricht, die ihm als folgenschwere „Entgleisungen“ angerechnet wurden. Seine Bemerkungen, daß Grausamkeiten im Krieg von allen Seiten, auch von Deutschen, begangen worden seien, und seine der offiziellen Propaganda zuwiderlaufende positive Zeichnung von Engländern und Franzosen genügten, um ihn wegen Vergehens gegen das Heimtückegesetz zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr und zwei Monaten zu verurteilen. Köhler, für den eine Rechtsvertretung nicht zugelassen war, verbüßte sie in Rottenburg/N., um anschließend erneut als Schutzhäftling nach Dachau zu kommen. Dieses Schicksal blieb ihm weder durch seine Meldung zum Kriegsdienst in der Wehrmacht noch durch die Intervention von Erzbischof Gröber und Bischof Heinrich Wienken vom Kommissariat der Fuldaer Bischofskonferenz in Berlin noch durch Eingaben seiner 75jährigen Mutter erspart. Erst am 6. April 1945 wurde er auf Verfügung des Reichssicherheitshauptamtes aus der Haft entlassen.
Acht Tage danach arbeitete er bereits wieder als Pfarrvikar in Dundenheim, dem Wohnort seiner Mutter. Eine Versetzung als Pfarrer nach Marlen-Goldscheuer lehnte er wegen der Zerstörungen an Kirche und Pfarrhaus als für einen gesundheitlich KZ-Geschädigten unzumutbar ab. Er übernahm 1946 eine Tätigkeit als Religionslehrer an der Handelslehranstalt in Offenburg, wurde 1952 Studien- und 1957 Oberstudienrat. Nach wie vor ein scharfer Kritiker, scheint er im Unterricht den Kontakt zur Jugend gefunden zu haben, nebenher eine rege Vortragstätigkeit im Landkreis wie auch Aushilfe in der Seelsorge wahrnehmend. 1966 ging Köhler aus Gesundheitsrücksichten in den Ruhestand, der ihm nur noch für wenige Jahre beschieden war.
Quellen: Personalakte EAF
Nachweis: Bildnachweise: Foto im Konradsblatt Nr. 47 vom 22.11.1970, 28

Literatur: Hugo Ott, Dokumentarischer Bericht zum „Fall“ des Pfarrers Wilhelm Otto Köhler, in: FDA 90 (1970), 82-124. – Necrologium Friburgense, in: FDA 93 (1973), 410-412
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