Kupferschmid, Hermann 

Geburtsdatum/-ort: 19.09.1885;  Waldshut
Sterbedatum/-ort: 07.07.1975;  Achern
Beruf/Funktion:
  • Graphiker und Maler
Kurzbiografie: 1891-1901 Volksschule und Gymnasium in Offenburg
1901-1904 Gymnasium und Abitur in Mannheim
1904-1908 Technische Hochschule Karlsruhe und München, Diplom für Architektur bei Josef Durm, Karlsruhe
1908-1914 Großherzogliche Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe; Lehrer Schurth, Ritter, Conz
1912-1914 Studienreisen nach Holland, Frankreich und Italien
1914-1918 Kriegsteilnehmer, Badisches Leibgrenadier-Regiment 109, Reserve-Infanterie-Regiment 40 und 69, Leutnant
1920-er Großformatige Radierungen, später auch Öl- und Temperagemälde, Themen aus der Arbeitswelt der Großindustrie an Rhein und Ruhr
1934-1946 Professur für freie Graphik an der Kunstakademie Karlsruhe, Nachfolger von W. Conz
1939-1943 Kriegsteilnehmer als Hauptmann der Reserve, Elsass, dann Russland
1946-1975 freischaffender Künstler, Themenschwerpunkte im Nachkriegswerk: Ansichten badischer Städte und das heimatliche Brauchtum
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Auszeichnungen: Graphischer Preis der Zeitschrift „Die Rheinlande“, Düsseldorf (1912); Österreichische Staatsmedaille für Bildende Kunst, Wien (1913); Eisernes Kreuz I. und II. Klasse, Ritterkreuz II. Klasse des Ordens vom Zähringer Löwen (bis 1918); Ehrenkreuz für Frontkämpfer (nach 1918), Goldene Medaille der Stadt Karlsruhe (1929); Badischer Staatspreis für Malerei (1930); Kriegsverdienstkreuz II. Klasse (1941)
Verheiratet: 1934 (Calbe an der Saale) Ruth, geb. Schellenberg, Gymnastiklehrerin (geb. 1908)
Eltern: Vater: Karl (1855-1941), Dr. h. c., Oberbaurat
Mutter: Franziska Bertha, geb. Rehmann (1854-1936), Tochter des fürstlich-fürstenbergischen Leibarztes Emil Rehmann in Donaueschingen
Geschwister: 1 Schwester
Kinder: 1 Tochter
GND-ID: GND/1012282015

Biografie: Renate Liessem-Breinlinger (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 4 (2007), 198-200

In seinem 90. Lebensjahr stand Kupferschmid noch vor der Leinwand und malte mit sich aufbäumender Energie einen ganzen Zyklus von Szenen aus der schwäbisch-alemannischen Fasnet, Bilder, die in Karlsruhe schon erwartet wurden, denn die Stadt richtete zur Feier seines 90. Geburtstages 1975 im Foyer des Rathauses eine Ausstellung aus. Sie musste jedoch in memoriam eröffnet werden, da Kupferschmid wenige Wochen zuvor starb. Sieben Jahrzehnte seines Schaffens wurden hier dokumentiert: Portraits und Motive aus Karlsruhe, die schon vor dem I. Weltkrieg entstanden waren, dann die unverwechselbaren Bilder von Großbaustellen, Hafen- und Industrieanlagen, vorwiegend aus den 1920er und 1930er Jahren, die ihn überregional bekannt machten, bis hin zu den Landschaften und Städten am Oberrhein, die neben Studien zum heimischen Brauchtum für sein Alterswerk typisch sind. Seine Gemälde führte Kupferschmid in Aquarell, Öl- und Tempera aus; sein graphisches Medium war die Radierung, deren lineare Differenzierungsmöglichkeiten und malerische Hell-Dunkel-Wirkungen er souverän beherrschte. Diese Technik hatte er an der Kunstakademie Karlsruhe in der Meisterklassen von Walter Conz erlernt, und als dessen Nachfolger gab er sie nach 1934 weiter.
Dass Kupferschmids Lehrtätigkeit zeitlich mit dem „Dritten Reich“ zusammenfiel, wurde bei der Würdigung seines Werks in der Nachkriegszeit stets mitbedacht und durch Zurückhaltung beantwortet. Er reduzierte damals seinen Aktionsradius auf das heimatliche Baden und richtete sich auf Dauer in seinem Bauernhaus in Sasbachwalden ein, das er 1938 als Landsitz gekauft hatte. Vor dem II. Weltkrieg hatte er überregionale Anerkennung genossen, Aufträge aus der Groß- und Schwerindustrie hatten sich gehäuft. Bravourös stellte er imposante Anlagen in Betrieb dar, Hochöfen, Gießhallen, Walzwerke, Pressen, technisch stimmig und, kontrastierend mit den wuchtigen Sujets, in impressionistischer Leichtigkeit. Diese Arbeiten wurden in der Rückschau als Verklärung der Rüstungsindustrie interpretiert (1981), für Kupferschmid waren sie nur die logische Konsequenz aus seinem zweifachen Studium als Künstler und Ingenieur. Pathetische Worte waren nicht seine Sache. Zeitgenössische Kunstinterpreten sparten jedoch nicht damit. Fritz Wilkendorf benutzte 1937 in der damals führenden deutschen Kunstzeitschrift Vokabeln wie gewaltig, trotzig, kühn, sprach von heroischer, stahlharter Romantik unserer Tage. Damit schoss er schon für die damaligen Verhältnisse übers Ziel hinaus, für die Nachkriegsrezeption war diese Festlegung Gift. Wilkendorf blieb Kupferschmid jedoch als Chronist treu und publizierte in den 1960er Jahren wieder über seine Arbeit, zum Beispiel in der „Badischen Heimat“.
Kupferschmid stammte aus einer bürgerlichen Familie, beheimatet in der Baar. Der Vater war Oberbaurat bei der Wasser- und Straßenbaudirektion mit Schwerpunkt auf dem Rheinbau. Dass Kupferschmid die Hafenanlagen von Karlsruhe und Mannheim früh als Motiv entdeckte, hat hiermit zu tun. Vermutlich förderte der Vater auch die Studienreisen des Sohnes von 1912 bis 1914, schließlich hatte dieser seinen Wunsch erfüllt, „etwas Rechtes zu lernen“, ehe er sein Kunststudium begann. Den Kriegsausbruch 1914 erlebte Kupferschmid in Venedig. Spontan meldete sich der 29-jährige als Freiwilliger ins Feld. Er kämpfte an der Westfront in Flandern, an der Somme und bei Arras und später im Osten in Galizien. Im Spätjahr 1918 kehrte er als Offizier mit hohen Auszeichnungen nach Karlsruhe zurück. In der schlagartig veränderten Welt entschied er sich gegen die Bewegungen von links, deren Demonstrationen er nur von der malerischen Seite etwas abgewinnen konnte und schloss sich der Karlsruher Einwohnerwehr und später dem Landessschutz an.
Bald nach dem Kriegsende meldeten sich große Firmen mit Aufträgen dank seiner technikbejahenden Einstellung und brillanten Kunst, die schon 1912 durch die Zeitschrift „Die Rheinlande“ bekannt gemacht worden war. In seiner Personalakte zählt er eine Reihe von klingenden Namen auf: Gutehoffnungshütte, Eisen- und Stahlwerke Hoesch, Franz Haniel, Grün und Bilfinger, Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerke, Badenwerk, Schluchseewerk, Grimselwerk, Deutsche Werft und den Verein Deutscher Eisen- und Stahlindustrieller. Ab der Mitte der 1930er Jahre kam die Friedrich Krupp AG in Essen hinzu. Mit den Parteien der Weimarer Republik konnte er sich nicht identifizieren; er bedauerte das Ende der Monarchie. 1930 trat er in die NSDAP ein, betonte aber später, dass er die Professur nur auf Grund seiner künstlerischen Leistung erhalten habe, was von der Spruchkammer Freiburg im Br. auch ausdrücklich anerkannt wurde. Im Februar 1946 wurde er entlassen, aus dem Entnazifizierungsverfahren ging er als „Mitläufer ohne Sühnemaßnahmen“ hervor. Dennoch fällt auf, dass das Einstellungsverfahren vom Lehrauftrag für freie Graphik über die Ernennung zum Leiter einer Meisterwerkstätte bis zur Verleihung einer planmäßigen Professur 1941 in großer zeitlicher Nähe und Parallelität zu dem anderer Regimekonformer verlief, die 1933 en bloc an die Stelle nicht genehmer Entlassener rückten. Von Kupferschmids Mitgliedschaft im Kampfbund für deutsche Kultur seit 1929 hatte das badische Kultusministerium im Zusammenhang mit dem Berufungsverfahren empfehlend Kenntnis erhalten.
Mit Beginn des II. Weltkriegs meldete sich Kupferschmid erneut freiwillig zum Kriegseinsatz, obwohl er im 54. Lebensjahr stand. Er war als Transportoffizier im Elsass, dann in der Ukraine in Poltawa bei Charkow. Dort hatte er 1942 Gelegenheit, Aquarelle mit Stadtansichten zu fertigen. 1942 während des Vormarschs nach Stalino im Donez-Steinkohlebecken malte er russische Gefangene und Flüchtlingsgruppen. Vier dieser Bilder wurden 1975 in der Karlsruher Ausstellung gezeigt. 1943 wurde er verwundet und als Kriegsbeschädigter entlassen. Durch die Vernichtung seines Dienstateliers und seiner Wohnung in Karlsruhe büßte er einen großen Teil seines Werks ein. Nach dem Einmarsch der französischen Besatzungstruppen wurde er vier Wochen lang als Geisel für Sasbachwalden im Gefängnis in Bühl festgehalten. Er resignierte nicht, begann bald wieder zu malen und zu musizieren, denn er war auch ein begabter Hornist. Er fand wieder Freude daran, sich als humorvoller Unterhalter zu beweisen, wenn auch weniger ausgelassen als auf den Akademie- und Künstlerbund-Festen vor dem I. Weltkrieg.
Quellen: StadtA Karlsruhe, zeitgeschichtliche Sammlung; GLA Karlsruhe 466/11245, 425/425 Zug. 1981/74 Fasz. 59, 235/1419, 235/9210, 233/24777, 455a/Ztr.Spr.Kupferschmid/B/Sv/771; mündliche Auskünfte d. Ehefrau u. Tochter im Nov. 2000.
Werke: Historische Uniformen bad. Regimenter, 1965; Bilder im Hoesch-Museum Dortmund, Kupferstichkabinett d. Staatl. Kunsthalle Karlsruhe, im Schloss Bondorf im Schwarzwald (Schloss-Narrenstuben) u. im Besitz d. Familie.
Nachweis: Bildnachweise: BH 35, 1955, 305; BH 41, 1961, 358 (vgl. Lit.).

Literatur: Thieme/Becker 22, 1928, 127; Fritz Wilkendorf, Neue Kunst in Baden, in: Das Bild, Monatsschr. für das Dt. Kunstschaffen in Vergangenheit u. Gegenwart, 1937, 84-88; 100 Jahre Akad. d. Bildenden Künste Karlsruhe, „Die Lehrer“. Ausstellung in d. Staatl. Kunsthalle Karlsruhe 1954; Fritz Wilkendorf, in BH 35, 1955, 306-312; Vollmer 3, 1956; Fritz Wilkendorf, in: BH 41, 1961, 359 ff.; ders. in: Karlsruher Fächer 17, 1963; ders. in: Welt am Oberrhein 5, 1965, 327 ff.; ders. in: Ekkart 1966, 201-208; Otto Ernst Sutter, Ortenauer Heimatblatt 2, 1961 u. 9, 1965; Helga Dressler, Bilder u. Radierungen, Faltblatt zur Ausstellung im Rathaus d. Stadt Karlsruhe, 1975; Kurt Gayer, H. Kupferschmid, eine Würdigung, in: B-W 22, 1975; Emil Mangler, Zum Tode von Professor H. Kupferschmid, in: Ekkart 55, 1976, 153-161; Adressbuch d. Stadt Karlsruhe 1976, 34 f.; Kunsthalle Karlsruhe, Kunst in Karlsruhe 1900-1950, 1981, 156 u. 227; Leo Mülfahrt, Kleines Lexikon Karlsruher Maler, 1987, 73 u. 200; Adolf Hirth, Das Saschwaller Buch, 1997, 194 f.; Saur, Allg. Künstlerlexikon. Bio-bibliogr. Index, 2000, 752; Klaus Türk, Bilder d. Arbeit, 2000, 283.
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