Nübling, Eugen Theodor 

Geburtsdatum/-ort: 28.05.1856;  Ulm
Sterbedatum/-ort: 24.01.1946;  Gut Neusteußlingen, Gemeinde Hütten
Beruf/Funktion:
  • Zeitungsverleger, Wirtschaftshistoriker, Gutsbesitzer, Landtagsabgeordneter
Kurzbiografie: 1866-1872 Gymnasium in Ulm
1872-1873 Volontariat in der Hofbuchhandlung Julius Weise in Stuttgart
1873-1874 Gymnasium in Ulm, Abitur
1874-1875 Einjährig-Freiwilliger im Dragonerregiment Nr. 26 in Ulm (zuletzt Rittmeister der Landwehr)
1875-1878 Studium der Volkswirtschaft und der Rechtswissenschaften in Leipzig und München
1878 Übernahme des väterlichen Betriebs mit der „Ulmer Schnellpost“
1893 Reichstagskandidat für die Deutsch-soziale-antisemitische Partei im Wahlkreis Stuttgart
1896 Promotion zum Dr. phil. an der Universität Rostock
1897 Erwerb des Schloßguts Neusteußlingen
1903 Verpachtung der „Ulmer Schnellpost“, Rückzug nach Neusteußlingen; Reichstagskandidat für den Bund der Landwirte im Wahlkreis Ulm-Heidenheim
1906-1908 Landtagsabgeordneter (Bund der Landwirte) für den Wahlkreis Münsingen
1925-1932 Herausgeber der „Ulmer Schnellpost“ als monatlicher Zeitungskorrespondenz für den Mittelstand
1931 Ehrenmitglied des Vereins für Kunst und Altertum in Ulm und Oberschwaben
1951 Benennung des Nüblingwegs in Ulm
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: 16.5.1881 Berta, geb. Fuchs (9.8.1861-26.3.1922)
Eltern: Vater: Ernst Nübling (1810-1878), Buchdrucker (1833), Buchhändler (1835) und Zeitungsverleger (1837) in Ulm
Mutter: Johanna, geb. Dieterich (geb. 1815 Besigheim, gest. 1877 Ulm)
Geschwister: 3 Schwestern (eine jung gest.)
ein Bruder (jung gest.)
Kinder: Ernst Wilhelm Eugen (30.6.1882-26.1.1939), Staatsanwalt in Ulm
Hermann Adolf (21.5.1884-10.9.1914), Oberleutnant, gefallen
GND-ID: GND/1012291502

Biografie: Hans Eugen Specker (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 1 (2006), 193-196

Eugen Nübling entstammte einer seit dem 16. Jahrhundert in Ulm ansässigen, vielfach verzweigten und auch in reichsstädtischen Diensten nachweisbaren Familie. Sein Vater Ernst Nübling war nach einer 1824 in Tübingen begonnenen Schriftsetzerlehre und Wanderjahren in Wien, Passau, Augsburg und Stuttgart 1832 in Ulm zunächst in die traditionsreiche Wagnersche Buchdruckerei eingetreten, gründete jedoch schon 1833 eine eigene, rasch florierende Druckerei, der er 1835 eine Buch- und Musikalienhandlung anschloss. Die von ihm seit 1.12.1837 herausgegebene „Schnellpost, ein Tagblatt für Ulm und die Umgegend“ (seit 1841 „Ulmer Schnellpost“), die 1844 auch die Konzession zur Veröffentlichung politischer Nachrichten erhielt, entwickelte sich dank ihrer liberalen Richtung zur bedeutendsten unter den Ulmer Zeitungen.
Als einziger überlebender Sohn zum Nachfolger im Unternehmen bestimmt – der 1847 als Teilhaber in die Firma eingetretene Theodor Nübling (1817–1873), der jüngere Bruder von Nübling, war kinderlos geblieben – sollte Nübling nach Besuch des Ulmer Gymnasiums bis Obersekunda als Volontär in der Hofbuchhandlung Weise in Stuttgart das Geschäftsleben kennen lernen. Auf eigenen Wunsch kehrte er jedoch ans Gymnasium zurück, legte 1874 die Reifeprüfung ab und bezog nach Ableistung des Militärdienstes 1875 die Universität Leipzig, wo ihn vor allem der Nationalökonom Wilhelm Georg Roscher (1817– 1894) beeindruckte, während er sich nach seinem Wechsel an die Universität München 1877 eher rechtswissenschaftlichen Studien widmete. Aus dieser, wie er in einem Lebenslauf schrieb, keinem „Brotstudium“ verpflichteten „wissenschaftlichen Betätigung“ riss ihn der plötzliche Tod des Vaters 1878.
Als Nübling die „Schnellpost“ als Verleger und 1884 auch als Redakteur übernahm, sah sich diese einer wachsenden Konkurrenz durch das 1860 gegründete „Ulmer Tagblatt“ ausgesetzt, gegen die sich Nübling zunächst durch Verbesserung der Vertriebswege, ein täglich kostenlos abgegebenes „Anzeigenblatt“ und ein seit 1882 beigelegtes Sonntagsblatt zu behaupten versuchte. Der mit der Berufung von Hans Kleemann zum Schriftleiter 1890 (bis 1897) einsetzende national-konservative und zeitweise antikatholische Kurs, vor allem aber der durch einen Prozess vor dem Ulmer Landgericht gegen einen wegen Steuerhinterziehung angeklagten jüdischen Kaufmann ausgelöste radikale Antisemitismus, der die „Schnellpost“ 1891 bis 1896 der Deutsch-sozialen-antisemitischen Partei öffnete, und schließlich Vorwürfe Nüblings gegen Oberbürgermeister Heinrich Wagner wegen dessen Grundstückspolitik, die für die „Schnellpost“ 1899 den Entzug der städtischen Anzeigen zur Folge hatten, führten zum Niedergang der Zeitung, die 1903 verpachtet wurde und 1912 ihr Erscheinen einstellte.
Neben diesen, auch von Nüblings wirtschaftspolitischen Vorstellungen von der Bedeutung des Mittelstands gegenüber der „Hochfinanz“, seiner Kritik an der reinen Goldwährung und den Ideen des 1889 als Hofprediger in Berlin entlassenen Adolf Stoecker geprägten Auseinandersetzungen entstanden seine historischen Arbeiten. Auf Vorschlag Gustav Schmollers (1868-1917), dem Nübling einen „Kritische Beiträge zur sozialen Frage“ betitelten Aufsatz zugesandt hatte, wandte er sich der Wirtschaftsgeschichte zu und legte 1890 einen in Urkundenedition und Darstellung gegliederten Band über „Ulms Baumwollweberei im Mittelalter“ vor, den Schmoller in die von ihm herausgegebenen „Staats- und socialwissenschaftlichen Forschungen“ aufnahm. In rascher Folge erschienen danach 1892 bis 1898 Untersuchungen zum Fischerei- und Fleischereiwesen, zum Weinhandel, zum Lebensmittel-, Schuster- und Ledergewerbe und zum Leinwandhandel, vorwiegend mit Bezug auf Ulm, teilweise mit einem Ausblick auf Württemberg, die fast stereotyp den Untertitel „Beitrag zur deutschen Städte- und Wirtschaftsgeschichte“ führten. Verschiedene dieser Arbeiten wurden durch den damals in Rostock lehrenden Nationalökonomen Wilhelm Stieda (1852-1933) rezensiert, auf dessen Anregung Nübling 1896 dort zum Dr. phil. promoviert wurde.
Aus dem tagespolitischen Geschehen seiner Zeitung während der 90er Jahre erwuchs 1896 eine umfangreiche, durch ausführliche Quellenreferate um Sachlichkeit bemühte Darstellung über „Die Judengemeinden des Mittelalters, insbesondere die Judengemeinde der Reichsstadt Ulm“, und für die Ulmer Oberamtsbeschreibung von 1897 verfasste Nübling u. a. Beiträge zur Geschichte des 19. Jahrhunderts, zum Handel, Verkehrs- und Zeitungswesen. Eine Zusammenfassung seiner zunächst meist im „Ulmer Sonntagsblatt“, einem „Unterhaltungsblatt“ der „Ulmer Schnellpost“, publizierten und daher weithin auf detaillierte Quellennachweise verzichtenden Aufsätze legte Nübling 1900 in Sammelbänden über „Ulms Handel und Gewerbe im Mittelalter“ und „Ulms Kaufhaus im Mittelalter“ vor.
Bereits 1897 hatte Nübling die Ruine Neusteußlingen oberhalb des Schmiechtals erworben und zu einem Landgut ausgebaut. Dorthin zog er sich nach dem Scheitern seiner Zeitung zurück und führte noch einmal bisherige Studien in einer nur in kleiner Auflage gedruckten Untersuchung zu „Ulm unter Kaiser Karl IV. 1347-1378“ (1902) und in einem zweibändigen, in chronologische Materialsammlung und Darstellung nach Sachgesichtspunkten gegliederten Werk über „Die Reichsstadt Ulm am Ausgang des Mittelalters 1378-1556“ (1904 und 1907) zusammen. Mit einer 1917 als Teillieferung erschienenen, erst 1936 maschinenschriftlich abgeschlossenen Arbeit über den „Bankbruch der Lauginger-Gesellschaft“ legte er schließlich aufschlussreiche, durch eine Darstellung ergänzte Quellen zu den oberdeutschen Handelsbeziehungen nach Venedig am Ende des 15. Jahrhunderts vor. Dazwischen widmete er sich der „Währungsgeschichte des Merkantilzeitalters“ (1903), schrieb gleichzeitig – an seine währungspolitischen Vorstellungen anknüpfend – ein praxisbezogenes „Handbuch zur Währungsfrage“ (1903) und befasste sich mit der zeitgenössischen „Währungs- und Wirtschaftsgeschichte 1891-1900“ (1908).
Eine neue Aufgabe fand Nübling als Abgeordneter des Bundes der Landwirte für den Wahlkreis Münsingen im Württembergischen Landtag, wo er sich – selbst Betreiber einer Genossenschaftsmühle auf seinem Landsitz – vor allem für die Belange des landwirtschaftlichen Genossenschaftswesens einsetzte. Zunehmend erblindet, gab er 1925 bis 1932, wieder unter dem Namen „Ulmer Schnellpost“, eine sich unter dem Eindruck der Inflation mit Währungsfragen und der Verarmung des Mittelstandes beschäftigende monatliche „Zeitungskorrespondenz für Heimatgeschichte und Heimatpolitik“ heraus, die er ab 1926 mit einer der Geschichte schwäbischer Fürstengeschlechter gewidmeten Zweimonatsschrift „Schwäbische Geschichtsblätter“ verband.
Nübling ist vor allem als Wirtschaftshistoriker des Mittelalters hervorgetreten, wobei – wie sein umfangreicher Nachlass im Stadtarchiv Ulm zeigt – seine Interessen weit über Ulm hinausreichten. Auf rasche Veröffentlichung von Quellen und der daraus gewonnenen Ergebnisse in der Presse und in zahlreichen Broschüren bedacht, finden sich auch Wiederholungen und Verallgemeinerungen, mit denen er – ihm ein wichtiges Anliegen – historische Erkenntnisse für die Gegenwart nutzbar machen wollte. Sein Verdienst bleibt, auch wenn Einzelergebnisse durch jüngere Forschungen überholt sind oder der Überprüfung bedürfen, einen wesentlichen Beitrag zur Erforschung der Gewerbe- und Handelsgeschichte geleistet zu haben. Nach dem „Verfasser zahlreicher Werke über ulmische Geschichte“ wurde 1951 auf Vorschlag des Vorsitzenden des Vereins für Kunst und Altertum in Ulm und Oberschwaben, dessen Ehrenmitglied er seit 1931 war, der „Nüblingweg“ in Ulm benannt.
Quellen: StadtA Ulm, Personendokumentation (G 2: E. Nübling); wiss. NL (H: E. Nübling).
Werke: (Auswahl; Bibliographie, auch unter Berücksichtigung der im „Ulmer Sonntagsblatt“ 1889-1906 und im „Schwäbischen Merkur“ 1902-1905 erschienenen Beiträge, in: Huber, E. Nübling (vgl. Lit.). Ulms Baumwollweberei im Mittelalter. Urkunden und Darstellung (Staats- und socialwiss. Forschungen 9, H. 5), 1890; Ulms Fischereiwesen im Mittelalter, 1892; Ulms Fleischereiwesen im Mittelalter, 1892; Ulms Lebensmittelgewerbe im Mittelalter, 1892; Ulms Weinhandel im Mittelalter, 1893; Das Schustergewerbe in Württemberg, in: Schriften des Vereins für Socialpolitik 64 (1895), 222-285; Die Judengemeinden des Mittelalters, insbesondere die Judengemeinde der Reichsstadt Ulm, 1896; Das Ledergewerbe in Württemberg, in: Schriften des Vereins für Socialpolitik 69 (1897), 437-550; Beiträge in: OAB Ulm, 1897, Bd. 1: Kurzer Rückblick auf die neueste Geschichte der Stadt 1810-1896 (182-195), Verkehrswesen (724-730), Bd. 2: Lage der Stadt, Gebäude, die Ulmer (1-63), Ulm als Garnison (110-127), Gewerbe und Handel (138-215, zusammen mit Trüdinger), Ulmer Zeitungswesen (243-246); Der Leinwandhandel der Rauhen Alb, insbesondere der Orte Gerstetten und Laichingen, in: Schriften des Vereins für Socialpolitik 77 (1898), 413-520; Ulms Handel und Gewerbe im Mittelalter, 1900; Ulms Kaufhaus im Mittelalter, 1900; Ulm unter Kaiser Karl IV. 1347-1378, 1902; Aktenmäßige Darstellung der Ulmer Wallniederlegung, 1902; Zur Währungsgeschichte des Merkantilzeitalters, 1903; Was der Kaufmann von der Währungsfrage und ihrer Geschichte wissen muss. Ein Lehr- und Lesebuch für Kaufleute, Beamte, Gewerbetreibende und Studierende, 1903; Die Reichsstadt Ulm am Ausgang des Mittelalters 1378-1556, 2 Bde, 1904 und 1907; Zur Geschichte der Frauenfrage, 1907; Hartgeld oder Papier?, 1907; 10 Jahre Währungs- und Wirtschaftsgeschichte 1891-1900, 1908; Der Bankbruch der Lauginger-Gesellschaft. Urkunden und Darstellung. Ein Beitrag zur Geschichte der deutsch-venetianischen Handelsbeziehungen des 15. Jhs., 1917, fortgeführt und als masch. Manuskript, abgeschlossen 1936; Die Karolinger und das Haus Montfort, in: Schwäbische Geschichtsblätter 1-7 (1926-1932).
Nachweis: Bildnachweise: Foto in Schwäbische Donau-Zeitung vom 26. 5. 1956 und bei Raberg (vgl. Lit.).

Literatur: Max Huber, E. Nübling, in: Ulm und Oberschwaben 32 (1951), 115-119, mit Schriftenverzeichnis; Wolfgang Nübling, Nüblinge in Ulm und um Ulm herum, Teil II, 1993; Raberg, Biogr. Handbuch, 620 f.; Hermann Simon, Geschichte der Ulmer Presse von den Anfängen bis zum Beginn des 20. Jhs., Diss. phil. München 1954 (masch.).
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