Unger, Frieda 

Andere Namensformen:
  • später Haas
Geburtsdatum/-ort: 09.07.1888;  Schopfheim
Sterbedatum/-ort: 12.04.1975; Berlin
Beruf/Funktion:
  • Politikerin (USPD, KPD)
Kurzbiografie: Volksschule in Schopfheim
1902-1909 Dienstmädchen und Verkäuferin
1911 Eintritt in die SPD
1917 USPD
1922 KPD
1921-1925 Abgeordnete im badischen Landtag
1937 Verhaftung durch die Gestapo in Berlin
1945-1948 Abteilungsleiterin in der Zentralverwaltung Landwirtschaft und Forst, dem späteren Landwirtschaftsministerium der DDR
1948-1958 Leiterin der Ortsgruppe Johannistal der Nationalen Front
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev., später konfessionslos
Auszeichnungen: Trägerin des Vaterländischen Verdienstordens der DDR
Verheiratet: 1. 1909 Karl Unger, Maurer
2. 1927 Max Haas, Arbeiter
Eltern: Vater: Karl Friedrich Eckert, Steinhauermeister
Mutter: Maria Crescentia, geb. Stalder
Geschwister: 1
Kinder: 4 aus 1. Ehe
GND-ID: GND/1012368432

Biografie: Renate Liessem-Breinlinger (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 1 (1982), 258-259

Unger erlebte die Kaiserzeit nicht als die „gute alte Zeit“. Die kleinbürgerliche Familie, aus der sie stammte, geriet in Armut. Das Steinhauergewerbe, dem Vater und Großvater nachgingen, kam durch das Aufkommen der Zementindustrie zum Erliegen. Mit drei Jahren Waise, wuchs Unger im Haushalt ihrer Großmutter auf, bis sie mit vierzehn Jahren „in Stellung“ kam: zuerst arbeitete sie als Gehilfin in einem kleinen Gemischtwarengeschäft, dann als Verkäuferin in einem Warenhaus in ihrer Heimatstadt Schopfheim. Fünf Jahre brachte sie als Dienstmädchen in Basel und Freiburg i. Br. zu. Nach der Heirat mit dem Maurer Karl Unger wohnten die Eheleute zunächst in Riehen, Basel und Schopfheim, ab 1914 in Lahr.
Da ihr Mann seit 1910 Mitglied des Deutschen Sozialdemokratischen Wahlvereins (SPD) war, erhielt Unger Zugang zur parteieigenen Bibliothek in Basel. Durch die Lektüre sozialistischer Schriften wurden ihr die krassen Gegensätze der Vorkriegsgesellschaft, an denen sie bis dahin nur gefühlsmäßig Anstoß genommen hatte, zum Problem. Auf einer Versammlung streikender Arbeiter (1910) entdeckte sie ihre Begabung als Rednerin und Agitatorin. 1911 trat sie in die SPD ein; bei deren Spaltung 1917 stand sie entschieden auf der Seite der USPD; 1922 trat sie zur KPD über. Ihr Vorbild war Rosa Luxemburg. Mit Clara Zetkin war sie persönlich bekannt. 1921 erhielt sie eines der beiden Mandate der USPD im badischen Landtag. 1922 bis zum Ende der Legislaturperiode 1925 arbeitete sie mit den KPD-Abgeordneten zusammen.
Wegen ihrer führenden Beteiligung an den Herbstunruhen des Inflationsjahres 1923 in Lahr und Umgebung erging im Oktober 1923 Haftbefehl gegen sie. Im November des gleichen Jahres wurde sie festgenommen, wogegen der Offenburger SPD-Abgeordnete Adolf Geck beim Reichsinnenministerium schriftlichen Protest erhob. Der Staatsgerichtshof zum Schutz der Republik beim Reichsgericht in Leipzig eröffnete gegen sie ein Verfahren wegen Hochverrats. Da sie als Abgeordnete Immunität genoß, wurde sie im Frühjahr 1924 aus der Untersuchungshaft entlassen, um an den Sommersitzungen des Parlaments in Karlsruhe teilnehmen zu können. Nachdem ihr Mandat 1925 erloschen war, tauchte sie unter, wie sie es bislang schon in der sitzungsfreien Zeit getan hatte. Ihre Kinder ließ sie von zwei Verwandten versorgen. Zu einem geregelten Familienleben fand sie selbst nicht mehr zurück.
Ihr Prozeß fand im Mai 1926 in Leipzig statt. Sie wurde in Abwesenheit wegen Vorbereitung zum Hochverrat und Nötigung zu zweieinhalb Jahren Zuchthaus und dreihundert Mark Geldstrafe verurteilt. Diese Strafe trat sie noch im gleichen Jahr in Bruchsal an. Dort ging sie 1927 eine zweite Ehe ein mit einem wesentlich jüngeren Mann, dem Lahrer Arbeiter Max Haas, der an den Unruhen von 1923 ebenfalls beteiligt war. Auf ein Gnadengesuch erhielt sie noch im Lauf des Jahres 1927 Straferlaß, vielleicht im Zusammenhang mit der Heirat und der damit verbundenen Namensänderung. Das Ehepaar lebte zunächst einige Jahre in Lahr und zog dann 1931 nach Berlin. Von politischen Aktivitäten hielt sich Unger/Haas offenbar zurück, auch im Dritten Reich, weshalb sie damals zunächst unbehelligt blieb. 1937 wurde sie allerdings von der Gestapo verhaftet und zwei bis drei Monate im Polizeigefängnis in Schutzhaft gehalten, zwei weitere Monate in Untersuchungshaft in Moabit, dann aber wieder freigelassen.
Nach 1945 wurde sie Abteilungsleiterin der Zentralverwaltung Landwirtschaft und Forst für die SBZ. Nach der Bildung der DDR-Regierung wurde diese Verwaltung Landwirtschaftsministerium. Unger/Haas mußte kurz vorher wegen einer Erkrankung ausscheiden. In der Folgezeit, 1948-1958, war sie Leiterin der Ortsgruppe Johannisthal der Nationalen Front. Als Siebzigjährige zog sie sich wegen verschiedener Gebrechen aus dem öffentlichen Leben zurück. Anfang der sechziger Jahre wurde sie Witwe. Ihr erster Mann war schon 1945 verstorben, nachdem er mehrere Jahre in Konzentrationslagern zugebracht hatte. – Unger/Haas wurde von der DDR-Regierung mit dem Vaterländischen Verdienstorden in Silber ausgezeichnet und außerdem als Opfer des Faschismus eingestuft. Zu ihrem Tod im Jahr 1975 sandte der Staatsrat der DDR den Angehörigen ein Beileidstelegramm.
Quellen: Brief von Frau Haas vom 15. 7. 74 sowie mündliche Auskünfte von Frau Klara Vetter, geb. Unger, Lahr, an die Vf.
Nachweis: Bildnachweise: Foto im Nachlass Adolf Geck Nr. 2427 im GLAK.

Literatur: Renate Liessem-Breinlinger: Die Lahrer Hungerunruhen. Die Vorgänge vom Herbst 1923 nach Prozeßakten und Zeitungsberichten. Die Rolle der Abgeordneten Frieda Unger, in: Geroldseckerland 17 (1975), 141 bis 160; Günther Haselier: Inventar des Nachlasses Adolf Geck im Generallandesarchiv Karlsruhe. Veröffentl. d. Staatl. Archivverwaltung Baden-Württemberg, Band 28 (1975).
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