Fischer, Fritz 

Geburtsdatum/-ort: 17.02.1900;  Müllheim
Sterbedatum/-ort: 23.04.1986;  Müllheim
Beruf/Funktion:
  • Journalist, Zeichner und Maler, Kommunalpolitiker
Kurzbiografie: 1906–1916 Volksschule u. Realschule in Müllheim, dann
ab 1916 Rotteck-Oberrealschule Freiburg
1918 VI–XI Feldartillerie-Reg. 76 in Freiburg
1919–1920 nach Abitur Praktika im Weinbau u.a. in Traben-Trarbach/Mosel
1920–1925 Studium d. Volkswirtschaft in Freiburg u. München, 1925 Promotion bei Karl Diehl: „Die wirtschaftliche u. soziale Lage d. Markgräfler Weinbauernschaft, dargestellt am Amtsbezirk Müllheim“
1925–1927 diverse Beschäftigungen
1927–1943 Redakteur d. Markgräfler Nachrichten in Müllheim
ab 1932 Mitgl. im Kirchenausschuss Vögisheim; später Kirchengemeinderat Müllheim
1937 V 1 Aufnahme in die NSDAP, Nr. 4 460415
1943–1944 Vorstandsmitgl. des Bürgeln-Bundes
1943–1944 Redakteur beim Führer-Verlag Karlsruhe
1945 Kriegsteilnahme u. amerik. Gefangenschaft
1945–1948 Holzmacher im Müllheimer Gemeindewald
1947–1959 Landessynodaler d. Ev. Landeskirche in Baden
1948–1966 Redakteur bei d. BZ in Müllheim u. Freiburg
1953–1971 Gemeinderat, ab 1956 ehrenamtl. Bürgermeister-Stellvertreter d. Stadt Müllheim
1974 Gründungsvorsitzender des Markgräfler Wein- u. Heimatmuseums Müllheim
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Auszeichnungen: Ehrungen: Ehrenbürger d. Gemeinde Liel (1952) u. d. Stadt Müllheim (1973); Ehrenmitgl. d. Geschichtsvereins Markgräflerland (1975); Hebelplakette d. Gemeinde Hausen im Wiesental (1980).
Verheiratet: 1960 (Müllheim) Ilse, geb. Schillinger (1919–2006)
Eltern: Vater: Fritz (1859–1917), Malermeister
Mutter: Anna, geb. Schäfer (1868–1952)
Geschwister: keine
Kinder: keine
GND-ID: GND/1012377946

Biografie: Renate Liessem-Breinlinger/Jan Merk (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 6 (2016), 110-112

Fischer strahlte eine große Ruhe und Besonnenheit aus. Dabei arbeitete er fleißig und kreativ in drei Bereichen zugleich: als Redakteur, als Mandatsträger der politischen wie kirchlichen Gemeinde und als Chronist der Heimat mit Zeichenstift und Pinsel. Seiner Geburtsstadt und dem Markgräflerland blieb er zeitlebens eng verbunden. Ihnen galt seine publizistische Arbeit als angesehener, überaus beliebter „homme de lettres“. Anlässlich einer Gedächtnisausstellung ein Jahr nach seinem Tod wurden die benediktinischen Ideale „stabilitas loci“ und „ora et labora“ als kennzeichnend für seinen Lebenslauf herausgestellt.
Fischer entstammte einem kleinbürgerlichen Elternhaus. Der Vater war Malermeister, Dekorationsmaler und Gemeinderat, die Mutter führte als Witwe die kleine Weinhandlung ihrer Eltern weiter. Fischer besuchte vier Jahre lang die Volksschule in Müllheim, dann die Realschule bis zur Schlussprüfung. Im September 1916 trat er in die Obersekunda der Rotteck-Oberrealschule in Freiburg ein, wohin er täglich mit der Bahn pendelte. Nach der Unterprima verbrachte er ab Juni 1918 ein halbes Jahr beim Feldartillerie-Regiment 76 in Freiburg bis zur Entlassung aus dem Militärdienst am 18. November 1918. Im Juli 1919 legte er das Abitur ab. Nach Tätigkeiten in Weinbau- und Weinhandelsbetrieben im Markgräflerland und an der Mosel studierte er, dem Rat seines Freundes Friedrich Janz folgend, Volkswirtschaft an der Universität Freiburg und 1920/21 in München. Ursprünglich hatte er Ingenieur oder Architekt werden wollen. Seinen ästhetischen Interessen folgend hörte er auch kunstgeschichtliche Vorlesungen von Hans Jantzen, Ernst Buschor und Heinrich Wölfflin. 1925 schloss er sein Studium mit der Dissertation ab. Erstmals wies er darin detailliert auf die strukturell prekäre Lage der vielen kleinen Winzer im Markgräflerland hin.
In den folgenden Jahren hoher Arbeitslosigkeit nahm er diverse Beschäftigungen auf: Vertretung des Syndikus’ des Reichsverbands der deutschen Bürstenfabriken, Stoffmalerei, Fertigung von Bändeln für Damenblusen. Durch die Veröffentlichung von Artikeln über den Weinbau fand er schließlich zur Presse und wurde Redakteur der in Müllheim erscheinenden Markgräfler Nachrichten. 16 Jahre lang gab er dem Blatt mit seinen Artikeln und Illustrationen ein markantes Profil. Der Politologe Klaus Amann hat darauf hingewiesen, dass Fischer in seiner Berichterstattung „das integrierende, gemütliche Lokalgemälde“ bevorzugte. Heimatgeschichten nahmen einen breiten Raum ein und sorgten für eine große Popularität, auch gegenüber dem NS-Parteiblatt „Der Alemanne“. Während der ersten Jahre des II. Weltkriegs schuf Fischer mit rund 150 „Briefen an Schorsch“ eine für die Soldaten aus der Region wichtige Verbindung in die Heimat.
„Fischers Verhältnis zum Nationalsozialismus war zwiespältig“ (Amann, 1984, S. 79). Zusammen mit den Verlegern Scholz und Kleinlein trat Fischer 1937 der NSDAP bei. 1943 wurde er als Vertreter Müllheims in den Vorstand des Bürgeln-Bundes berufen. Er begrüßte soziale und wirtschaftliche Fortschritte und die Förderung des Heimatgedankens, lehnte aber rassistisches Gedankengut ab. Dennoch formulierte er in einem Bericht über die Ausschreitungen in der Pogromnacht 1938 in Müllheim weisungsgemäß verfälschend: „Hier wie in Sulzburg, wo sich ebenfalls die Empörung Luft machte, musste eine größere Zahl Juden in Schutzhaft genommen werden.“ Fischer habe diese und schlimmere Auslassungen nach dem Ende der Naziherrschaft „als Tiefpunkte seines Lebens empfunden“ (Amann, 1984, S. 194).
Als 1943 wegen Rohstoffmangels die Einstellung der Markgräfler Nachrichten verfügt wurde, sollte Fischer in die Redaktion der Parteizeitung „Der Alemanne“ in Freiburg übernommen werden, was er ablehnte. Als Ersatzangebot wählte er die Zeitung „Der Führer“ in Karlsruhe, wo er den Heimatteil „Badener Land“ redigierte, bis er im Spätjahr 1944 zur Wehrmacht eingezogen wurde. Das Kriegsende erlebte Fischer in Nürnberg bei einer Flak-Scheinwerfer-Batterie; er geriet in amerikanische Gefangenschaft und wurde den Franzosen übergeben.
Über die Zeit danach schrieb Fischer: „Als ich im Herbst 1945 aus der Kriegsgefangenschaft heimkehrte, war mir bewusst, dass ich während des Naziregimes keinerlei Straftaten begangen hatte. Es wäre aber für mich innerlich unmöglich gewesen, wieder in meinen Beruf einzusteigen, so, als wenn nichts passiert gewesen wäre.“ (StAF, Spruchkammerakte, Begleitbrief vom 22.7.1948). Wichtigen Halt bot ihm die Evangelische Kirche, wo er 1932 bis 1938 im Kirchenausschuss Vögisheim, 1933 bis 1947 in der positiven Vereinigung (später: Bekennende Kirche), ab 1947 im Kirchengemeinderat Müllheim und für 12 Jahre auch als Landessynodaler wirkte.
Von 1945 bis 1948 arbeitete Fischer als städtischer Holzmacher im Müllheimer Wald. Die selbstauferlegte Läuterung durch Schwerarbeit endete mit seinem Eintritt in die Redaktion der Badische Zeitung, die wenig später den Titel „Markgräfler Nachrichten“ für ihre Müllheimer Ausgabe von der Markgräfler Druckerei und Verlagsgesellschaft übernahm. Damit war der Gedanke an eine Wiederbelebung der Heimatzeitung endgültig gescheitert. Fischer arbeitete zunächst in der Lokalredaktion seiner Heimatstadt, später in der Zentralredaktion in Freiburg. Dort waren regelmäßige Beilagen wie „Der Bauer und sein Hof“, „Gestern und Heute“ und „Reisen und Wandern“ Schwerpunkt seiner Arbeit. Der langjährige Chefredakteur Ansgar Fürst würdigte, wie Fischer „sich von den Aufgeregtheiten eines Redaktionsbetriebs gar nicht anstecken ließ, sondern dagegen sein abwägendes und heiteres Wesen setzte“ und „wie einfühlsam er mit Menschen umging.“ (Markgräfler Museum, NL Fischer, Brief vom 25.4.1986)
Fischers umfangreiche Hinterlassenschaft von über 300 Zeichnungen und Aquarellen, daneben auch Holz- und Linolschnitte und wenige Ölbilder, befindet sich im Markgräfler Museum. Viele Bilder sind auch in Privatbesitz, denn Fischer war freigiebig mit seinen Werken, die er zumeist in kleinen Formaten schuf, entsprechend seiner unaufdringlichen Wesensart. Frühe Skizzenbücher belegen Fischers Wurzeln in der Jugendstilmalerei. Die Aquarelle zeigen seine Begeisterung für den Impressionismus und Paul Cézanne. Nach 1945 setzte er sich kurze Zeit mit abstrakter Malerei auseinander – doch das war nicht sein Weg. Seine Werke haben immer auch stark dokumentarischen Charakter: er freute sich an der Schönheit seiner Heimat und hielt fest, was er sah und wie er es sah. Die Holzschnitte und Federzeichnungen der Landschaft am südlichen Oberrhein hatten zunächst auch einen praktischen Hintergrund gehabt, ersetzten sie doch bis in die 1960er-Jahre in den Zeitungen die damals teuren Fotografien. 1933 illustrierte Fischer die erste Gedichtausgabe von Lina Kromer. Die Freundschaft mit ihr brachte ihn in lebenslangen Kontakt mit zahlreichen alemannischen Dichterinnen und Dichtern. Zu Fischers 70. Geburtstag war eine erste Ausstellung seines künstlerischen Werkes im Müllheimer Rathaussaal zu sehen. 1980, als Fischer in Hausen im Wiesental die Hebelmedaille erhielt, präsentierte die Stadt Schopfheim über 100 seiner Aquarelle und Zeichnungen. Seither wurden seine Werke auch in anderen Markgräfler Orten ausgestellt.
Neben der journalistischen und künstlerischen Arbeit war Fischer auch heimatgeschichtlich und kommunalpolitisch engagiert. Er verfasste die Ortschroniken von Liel und Vögisheim sowie Geschichtswerke über seine Heimatstadt Müllheim. Im Geschichtsverein Markgräflerland, dessen Ehrenmitglied er wurde, publizierte er mehrere lokalhistorische Aufsätze. Schließlich schrieb er Beiträge in Vereinschroniken und Festschriften in der Nachkriegszeit. 1974 war er Gründungsvorsitzender des Markgräfler Wein- und Heimatmuseums.
Mit hoher Stimmenzahl wurde er seit 1953 als Parteiloser in den Gemeinderat der Stadt Müllheim gewählt, wo er ab 1956 als erster ehrenamtlicher Bürgermeister-Stellvertreter fungierte. Fischer gestaltete die Nachkriegsentwicklung seiner Heimatstadt mit. Die Gebietsreform der 1970er-Jahre, durch die Müllheim den Status als Kreisstadt verlor, bekämpfte der Verfechter kleiner Einheiten entschieden, auch weil er den Begriff „Markgräflerland“ im Namen des neuen Landkreises vermisste.
Fischers Persönlichkeit kennzeichneten eine liebenswerte Bescheidenheit, menschliche Wärme, Güte, Lauterkeit und feiner Humor. Er war ein glaubwürdiger, überaus populärer, kundiger Lokalhistoriker und Interpret des Markgräflerlandes, dem er als engagierter Bürger diente. Seine Frau, Tochter des Müllheimer Schreinermeisters und Stadtrats Karl Schillinger, hat seinen Nachlass gesichert und die Stadt zur Alleinerbin eingesetzt. Im Markgräfler Museum erinnern Bilder und Schriften sowie der Fischer-Saal an den Müllheimer Ehrenbürger, dessen Ehrengrab die Stadt pflegt und nach dem sie 1993 eine Straße benannt hat.
Quellen: UA Freiburg B 44/58, Abgangszeugnis 1925, B 110/397, Promotionsakte, B 110/401 gedruckte Diss. 1929; BA Berlin NSDAP-Gaukartei (Baden), Aufnahme in die NSDAP, 1.5.1937,; StAF D 180/2 Nr. 208822 Spruchkammerakten, Meldebogen vom 22.7.1948; Archiv d. BZ Freiburg, Zeitungsbände u. personengeschichtliche Sammlung; Markgräfler Museum Müllheim, Nachlass Fischer mit Lebensbericht vom 22.2.1967; Auskünfte von Klaus Amann, Freiburg, Willi Hunziger, StadtA Müllheim, Heidi Leinfelder, A d. ev. Kirchengde. Müllheim.
Werke: Der Weinbau im Markgräflerland. Die wirtschaftliche u. soziale Lage d. Markgräfler Weinbauernschaft, dargest. am Amtsbezirk Müllheim i. Baden, Diss. rer. pol., Freiburg 1925, 1929; Aus dem Leben eines dt. Flugpioniers. Zum Gedenken an Otto Stiefvatter, 1938; Aus d. Geschichte des Dorfes Liel 952–1952, 1952; Das Markgräfler Weinbaugebiet, in: Weinland B-W Bd. 1, o. J. [1959], 107-168; Adolph Blankenhorn – ein Pionier des dt. Weinbaus, in: Weinland B-W Bd. 2, o. J. [1959], 85-88; (Red.) Müllheim/Baden. Aus seiner Geschichte, 1961; Markgräflerland, in: Fahrten durch das bad. Weinland. Bearb. von Eugen Herwig, 1970, 2. Aufl. 1978, 75-132; Gedanken eines Markgräflers. Ansprache anlässlich d. Verleihung des Ehrenbürgerbriefes, 1973; (mit Horst Tries u. Leif Geiges) Müllheim. Stadt zwischen Wald u. Reben, 1973, 2. Aufl. 1991; Markgräfler Skizzenbuch. 1978; Das zweigeteilte Dorf. Aus d. Geschichte des heutigen Müllheimer Stadtteils Vögisheim, 1985; Schreib mir’s auf. Eine Kindheit in Müllheim 1900–1914. Red. von Nikolaus Cybinski, 2000. – Zahlr. Beiträge u. Illustrationen zu Festschriften v. Markgräfler Gemeinden u. Vereinen, Buchillustrationen in: Im Blaue zue. Gedichte von v. Lina Kromer, 1933, u. lokalgeschichtl. Aufsätze in: Das Markgräflerland, 1961–1985.
Nachweis: Bildnachweise: Bronzebüste (1980) von Thomas Egel-Goldschmidt in: Baden-Württembergische Biographien 6 (2016), S. 109. Selbstportraits u. Portraitfotografien im Markgräfler Museum Müllheim

Literatur: Leopold Börsig, Der Zeichner u. Maler Fischer, in: Das Markgräflerland 1-2, 1971, 89-92; Hebelplakette für „charaktervollen Markgräfler“, in: Oberbad. Volksblatt v. 5.5.1980; Hubert Mack, 37 Jahre bei d. BZ. Meine Erinnerungen an den Aufbau u. die Entwicklung d. „Heimatredaktion“, Freiburg 1983; Klaus Amann, Markgräfler Heimatpresse. Studien zu ihrer Geschichte u. zur Kontinuität d. Lokalteile in den Jahren 1925–1955, 1984; Anton Goehr, Leben und Werk von der Landschaft geprägt. Zum Tode einer der profiliertesten Persönlichkeiten des Markgräflerlandes, in: BZ v. 25.4.1986; Martin Keller, Dr. Fritz Fischer, in: Das Markgräflerland 2, 1986, 278; Bruno Schneider, Fischer, Maler – Zeichner – Journalist, in: Gedächtnisausstellung für Fischer am 3. 5. 1987 in d. Martinskirche zu Müllheim, 1987, 4-9; Hanspeter Sänger, Über Dr. Fritz Fischer, in: Schreib mir’s auf, 2000, 7-11; Jan Merk, Vom Weinmuseum zum Markgräfler Museum im Blankenhorn-Palais, in: Stadt Müllheim (Hg.), texte. Die FS zu 1250 Jahren urkundlicher Ersterwähnung, Müllheim 2008, 99-106; Anton Josef Martin, Z’Bürglen uf der Höh. Richard Sichler auf Schloss Bürgeln, 2009; Dorothee Philipp, Maler, Literat, Heimatdichter u. Journalist. Gedenkfeier für den Müllheimer Ehrenbürger Fischer, in: BZ vom 26.4.2011.
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