Krezdorn, Siegfried 

Geburtsdatum/-ort: 11.11.1914;  Schussenried
Sterbedatum/-ort: 12.10.1982;  Bad Schussenried
Beruf/Funktion:
  • Bürgermeister, MdL-CDU, Landeskundler
Kurzbiografie: 1920–1924 Volksschule in Schussenried u. Kisslegg
1924–1930 Realschule Schussenried
1930–1932 Kaufmännische Lehre in d. Käserei Dürren
1934 Abitur in Ravensburg, Anmeldung in d. NSDAP
1935–1939 Studium d. Rechtswissenschaft in Königsberg, dann vom SS 1935 bis WS 1938/39 Studium d. Volkswirtschaft in Frankfurt am M. mit Abschluss Diplomkaufmann, dann
1939–1941 Maschinenbaustudium an d. TH Berlin- Charlottenburg bis zum Vordiplom; d. Nachweis d. Promotion zum Dr. rer. pol., nach eigener Angabe (StAL EL 285 Az. 1590) ohne Ort am 1. Mai 1943, ist nicht zu erbringen
1941 Wehrdienstausbildung als Funker in Memmingen
1942 Unfall bei d. Wehrmacht, als Invalide entlassen
1943–1945 Direktionsassistent bei Escher Wyss, Ravensburg
1945 Arbeit im Rathaus in Schussenried
1946–1952 Redner d. CDU vor allem im Kreis Ravensburg, 1947 bis 1950 Vorsitzender d. Jungen Union Oberschwaben; 1947 bis 1952 MdL-CDU
1948–1953 Bürgermeister von Waldsee, Kreistagsmitglied; am 20. Okt. 1951 Dienstunfall mit Querschnittslähmung als späterer Folge, deswegen Rücktritt
1949 Stellvertr. Präsident des Volksmusikverbandes Südwürttemberg- Hohenzollern
1975 Ehrenmitglied des Hegauer Geschichtsvereins
1977 Korrespond. Mitglied d. Kommission für geschichtl. Landeskunde in Baden-Württemberg u. Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Verheiratet: Unverheiratet
Eltern: Vater: Albert (1881–1938), Geometer, Vermessungsrat
Mutter: Caroline, geb. Wendelstein (1885–1971)
Geschwister: 5; Hildegard (1907–1978), Berthold (1909–1983), Dr. med., Irmgard (1917–2001), Gertrud (1919–1998), Dr. med., u. Sigismund (1922)
Kinder: keine
GND-ID: GND/1012381544

Biografie: Otto Minsch (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 6 (2016), 277-279

Krezdorn wuchs in seiner Geburtsstadt als drittes von sechs Kindern einer Beamtenfamilie auf. Obwohl der Vater Leiter des Katasteramtes in Schussenried und später des Vermessungsamtes in Waldsee gewesen war, reichten die finanziellen Mittel der Familie nicht aus, um nach dem ältesten Sohn auch noch den jüngeren studieren zu lassen. Darum musste Krezdorn mit 16 Jahren das Gymnasium verlassen. Nach einer kaufmännischen Lehre aber trat er in die Höhere Handelsschule in Ravensburg ein und legte das Abitur ab. Danach begann er ein Jurastudium in Königsberg, das er, der sich schon 1934 in der NSDAP angemeldet hatte und nach seiner Frankfurter Studentenakte seit November 1935 Mitglied des NS-Studentenbundes und als Mitglied des Stahlhelms in die SA inkorporiert worden war, angeblich wegen regimekritischer Äußerungen hatte abbrechen müssen, wie er nach dem Kriege erklärte. Er wechselte sogleich nach Frankfurt, studierte Ökonomie und diplomierte dort. Wegen geringer Einstellungschancen wandte sich Krezdorn dann einem Maschinenbaustudium in Berlin zu, das er 1941 nach dem Vordiplom wegen der Einberufung zur Wehrmacht beendete. Nach einer schweren Kopfverletzung wurde er schon ein Jahr später als Invalide entlassen und fand nach seiner Genesung 1943 Arbeit bei seinem Onkel Oskar Farny in dessen Brauerei in Dürren, wechselte aber bereits nach einem halben Jahr als Direktionsassistent in die Maschinenfabrik Escher-Wyss nach Ravensburg.
Bald nach dem Ende des Krieges und dem Einmarsch der Franzosen im April 1945 begann Krezdorns politische Karriere. In der schwierigen Zeit des Umbruchs und der Besatzung hatte er eine Stelle auf dem Rathaus in Schussenried erhalten, die besonders seine Sprachkenntnisse forderte. Schon im Spätherbst 1945 traf er wiederholt auf politisch Gleichgesinnte wie Albert Sauer und Bernhard Bauknecht (1900–1985) und nahm auch an den Gründungsversammlungen der CDU in Aulendorf und Sigmaringen teil. Sein intensives Bemühen, die junge Generation für die politischen Fragen der Zeit zu interessieren, bewog den CDU-Landesvorstand, Krezdorn bei der Landtagswahl als Vertreter der Jungen Union auf die Landesliste zu setzen. Mit 33 Jahren zog er 1947 als jüngster Abgeordneter in den Landtag von Württemberg-Hohenzollern ein und gehörte in seiner Fraktion dem Arbeitnehmerflügel an, der wiederholt mit Anträgen zur Verbesserung der Situation der Kriegsbeschädigten, Hinterbliebenen und Kinder hervortrat.
Auch in der Südweststaatsfrage engagierte sich KrezdornEr organisierte am 18. Februar 1949 zusammen mit Kultusminister Albert Sauer eine nicht öffentliche Konferenz der oberschwäbischen CDU-Vertreter in Waldsee, die die schnellstmögliche Vereinigung von Baden, Württemberg und Hohenzollern forderten. Aufsehen erregten oberschwäbische CDU-Abgeordnete mit Krezdorn an der Spitze im gleichen Jahr, als sie bei der Abstimmung über das Grundgesetz im Bebenhausener Landtag mit „Nein“ votierten, weil es ihnen zu liberal, aber zu wenig christlich und föderal erschien. Altbundeskanzler Kiesinger übrigens, mit dem Krezdorn immer in freundschaftlicher Beziehung stand, würdigte ihn an Krezdorns 60. Geburtstag auf Schloss Weitenburg „als den geistigen Mittelpunkt der optimistisch gestimmten Abgeordneten im Bebenhausener Landtag.“ (Schwäb. Ztg. Biberach, 24.11.1974).
Krezdorn, inzwischen ein bekannter Politiker in Oberschwaben, ließ sich im Dezember 1948 in Waldsee für die Bürgermeisterwahl aufstellen. Sie ging unerwartet eindeutig aus: bei beachtlichen 73,6 Prozent Wahlbeteiligung wurde er schon im ersten Wahlgang mit 55,6 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen gewählt. Im Dezember 1948 trat er sein Amt an, wohl wissend, in welch schwieriger Lage sich die 5000 Einwohner zählende Stadt befand, die 1938 ihre Funktion als Oberamtsstadt verloren hatte. Waldsee wies damals die höchste Arbeitslosigkeit in Südwürttemberg-Hohenzollern auf. Es ging also darum, dem Städtchen eine neue Orientierung zu geben. In seiner nur kurzen Amtszeit betrieb Krezdorn den Bau des Moorbades, die Gründung der bald weit bekannten Schwäbischen Bauernschule, eine Verbesserung der Wasserversorgung, die Kanalisation und damit die Rettung des Stadtsees und auch eine bauliche Erweiterung der Stadt, was besonders durch den Zustrom von Flüchtlingen notwendig geworden war.
Große Unterstützung fand er dabei beim einflussreichen Haus Waldburg-Wolfegg-Waldsee, zu dem er gute Beziehungen unterhielt. Das fürstliche Haus, größter Grundeigentümer der Stadt, stellte Baugebiete zur Verfügung und überließ der Stadt Wasserrechte. Aus dem Schloss- wurde der Kurpark. Zum Jahresende 1950 hatte sich die Situation bereits deutlich verbessert. In der jungen Kurstadt waren neue Arbeitsplätze geschaffen, und der Betrieb des Moorbads brachte Einnahmen. Es war Krezdorn gelungen, mit mehreren Versicherungen Belegungsverträge abzuschließen. Im ersten Kurjahr wurden bereits 10 000 Übernachtungen gezählt. Die Kurbetriebe blieben bis in die Gegenwart ein wichtiger Wirtschaftszweig von Bad Waldsee.
Die Zäsur im Leben des jungen Bürgermeisters geschah im Herbst 1951, als er auf einer Dienstfahrt in Rangendingen bei einem unverschuldeten Verkehrsunfall schwer verletzt wurde. Die anfängliche Hoffnung auf Heilung trog; längere Krankenhausaufenthalte brachten kaum Besserung, eine Operation am Rückenmark führte sogar zur Querschnittslähmung. Als feststand, dass Krezdorn seine Amtsgeschäfte nur noch eingeschränkt würde führen können, wurde seine Ablösung gefordert. Er stellte den Antrag auf Versetzung in den Ruhestand. Damit begann ein langer Streit über die Kosten des Unfalles und Krezdorns Versorgungsregelung. Sein Hilferuf an den Landrat dokumentiert die Notlage: „Ich habe täglich Auslagen […] und in Waldsee kümmert sich kein Mensch um mein Geschick“ (KreisA Ravensburg AZ. 024. 9 Bü E 2390). Erst nach fünf Jahren erkannte das Landgericht Ravensburg im Urteil am 22. März 1956 die Forderungen von Krezdorn an.
Krezdorn hatte unterdessen ein neues Betätigungsfeld gefunden: die historische Landeskunde. Anfangs ging er den Spuren seiner mütterlichen Vorfahren in Rottenburg nach, die dort lange Hospitalverwalter waren. So fand er zu weiteren historischen Themen, mit denen er sich dann über zwei Jahrzehnte beschäftigte. Sein Bemühen um die Hohenberger führte ihn ins Archiv der Freiherrn von Raßler auf der Weitenburg, das Tiroler Landesarchiv Innsbruck und das Südtiroler in Bozen. Arbeiten Krezdorns hatten oft einen biographischen Ansatz. Seine Veröffentlichungen umfassen über 200 Titel, deren inhaltliche Schwerpunkte Themen aus der Geschichte des schwäbischen Raumes bilden: die Freiherrn von Hohenberg, die Freiherrn Rassler von Gammerschwang und die zeitweise in Nordstetten ansässige Familie Keller von Schleitheim. Außerdem befasste er sich mit der Geschichte von Rottenburg, der Herrschaft Hohenberg, dem Hegau, Hohenzollern und Oberschwaben. In seinen letzten Lebensjahren galt seine Arbeit Kloster und Stadt Schussenried. Als Hörfunkautor brachte er sein Wissen in beliebten Hörfolgen im Südwestfunk ein. Es war geplant, Krezdorn zum Professor zu ernennen, der Verleihung des Titels aber kam sein Tod zuvor. Er erlag im Alter von 68 Jahren einem Herzversagen.
Quellen: KreisA Ravensburg B.2.RV-Az. 004. 11-Bü Y 2565, Reden Krezdorns vom 23. u. 30.10.1946, B.AG. 1.RV*-Az. 024. 9-Bü E 2390-/58, Stammliste vom 12.8.1949, B.AG. 1.RV*-Az. 024. 9-Bü E 2390-/78/84, Schreiben von Krezdorn an den Landrat vom 28.5.1954, Bürgermeisterakten; StadtA Waldsee Gemeinderatsprotokolle 1948–1953; KreisA Biberach Best. NL Kaufmann, Bü 51, Doku. Krezdorn; StAL EL 285 Az. 1590, Mitgliedschaft Krezdorns in d. Kommission für gesch. Landeskunde in B-W; Auskünfte d. Univ. Frankfurt, Krezdorns Meldekarte beim Studium d. Volkswirtschaft u. d. TU Berlin-Charlottenburg vom März 2015 sowie des Bruders Sigismund Krezdorn vom März 2014.
Werke: (Auswahl) Rottenburgs Handwerk zur Zeit d. Zünfte, Ausbildung u. Prüfungen, in: Hohenberger Warte 3, 1956, Nr. 10, auch in: Rottenburger Post vom 27.10.1956; Wie die Freiherrn von Hohenberg nach Rottenburg kamen, in: Sülchgauer Altertumsverein, Jahresgabe 1962, 5-31; Anton Freiherr von Stoerck aus Saulgau, Leibarzt d. österr. Kaiserin Maria Theresia, in: Lebensbilder aus Schwaben u. Franken 9, 1963, 69-84; Die letzten Freiherrn von Hohenberg, in: Sülchgauer Altertumsverein, Jahresgabe 1963, 12-21; (mit Walter Münch) Oberschwaben, Portrait einer Landschaft, 1963; Bergschloss Weitenburg im Wandel d. Geschichte, 1964; Wendler von Pregenroths Aufstieg u. Fall, in: Der Sülchgau, 1966, 50-59; Kaiser Maximilian in d. Martinswand, in: Tiroler Heimatbll. Bd. 44, 1969, 42-43; Gräfin Rosamunde zu Ortenberg, in: Zs. für hohenzoll. Gesch. 7/8, 1971, 70-76; Die letzten Grafen von Nellenburg, in: Hegau 17/18, 1972/73, 7-5; Rottenburg, Rottenburg-Bieringen u. Starzach, in: Der Landkreis Tübingen. Amtl. Kreisbeschreibung, hgg. von d. Staatl. Archivverwaltung B-W in Verbindung mit dem Landkreis Tübingen, 3 Bde, 1967–1974, Bd. 3, 1974, 287-444, 459-473 u. 603-661; Die Familie Keller von Schleitheim in Aach/Hegau, in: Hegau 22, 1977, 7-58; 1100 Jahre Dettingen an d. Iller, 1976; Burg Klamm in Tirol, 1978; Vom Klosterterritorium zum Stadtgebiet, in: Schussenried, Geschichte einer oberschwäb. Klosterstadt 1983, 63-118.
Nachweis: Bildnachweise: Foto (3.7.1950), in: Baden-Württembergische Biographien 6, S. 274, PrivatA Dr. Sigismund Krezdorn, Stuttgart. – Schussenboten vom 1.8.2014, Rottenburger Bote vom 18.11.2014 u. Guckloch vom 20.11.2014.

Literatur: Warum Waldsee?, in: Schwäb. Ztg. Waldsee vom 2.12.1948; Die Bürgermeisteramtsversammlung, in: Schwäb. Ztg. Waldsee vom 19.7.1949; Eröffnung d. Schwäb. Bauernschule, Geistiger Mittelpunkt, in: Schwäb. Zg. Waldsee vom 23.12.1949; Dr. Siegfried Krezdorn zu seinem 65. Geburtstag, FS., 1979; Martin Gerber, In memoriam Dr. Siegfried Krezdorn, in: Heimatkundl. Blätter für den Landkreis Biberach 5, 1982, Heft 2, 31; Herbert Berner, Dr. Siegfried Krezdorn (1914–1982), in: Hegau, 31/32, 1986/87, 247-249; Krezdorn stimmt gegen Grundgesetz, in: Schwäb. Ztg. Bad Waldsee vom 22.5.1999; Frank-Roland Kühnel, Landtagsabgeordnete von B-W seit 1946, 2002; Heinz Pfefferle, Die Renaissance des Regionalbewusstseins in Oberschwaben nach 1945, in: Elmar L. Kuhn (Hg.), Das große weite Tal d. Möglichkeiten, 2002, 144-168; Michael Barczyk, Von vier Holzzubern zum größten Moorheilbad in Oberschwaben: Bad Waldsee, in: Wolfgang Niess, Kult-Bäder u. Bäderkultur in Baden-Württemberg, 2004, 242-255; Otto Minsch, Dr. Siegfried Krezdorn – ein bedeutender Oberschwabe, Landtagsabgeordneter, Bürgermeister, Historiker, 2014.
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