Henn, Fritz 

Geburtsdatum/-ort: 03.01.1901;  Heidelberg
Sterbedatum/-ort: 24.03.1984;  Heidelberg
Beruf/Funktion:
  • Musikpädagoge, Dirigent, Leiter der Rundfunksendestelle Heidelberg
Kurzbiografie: 1920 Abitur Oberrealschule Heidelberg
1920-1924 Studium an der Universität Heidelberg (Recht, Volkswirtschaft, Musikwissenschaft) und an der Hochschule für Musik und Theater Mannheim
1922-1928 Korrepetitor, Chordirektor, Kapellmeister am Städtischen Theater Heidelberg
1924 Dr. phil. Universität Heidelberg
1928 Meisterschüler bei Felix von Weingartner in Basel
1929-1930 Kapellmeister am Opernhaus in Hannover
1930-1933 Abteilungsleiter der Orchester- und Kapellmeisterklasse an der Musikhochschule in Mannheim
1934 Übernahme und Leitung des Heidelberger Konservatoriums für Musik
1945-1947 Städtischer Musikdirektor (Oper und Konzert)
1946-1948, 1953-1959 Stadtrat (CDU)
1946 Gründung der „Staatlich anerkannten Hochschule für Musik und Theater“ in Heidelberg
1955-1968 Leiter der Sendestelle Heidelberg-Mannheim und des Studios Karlsruhe des Süddeutschen Rundfunks in Heidelberg
1969 Übergang der Musikhochschule an das Land Baden-Württemberg und des Konservatoriums an die Stadt Heidelberg
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Verheiratet: 1929 Johanna, geb. Bendemann (1906-1977), Tochter des Generalleutnants Hans Bendemann und seiner Ehefrau Marie, geb. Rothe
Eltern: Vater: Friedrich Henn (1868-1953), Kaufmann in Heidelberg
Mutter: Maria, geb. Zipf
Geschwister: 1
Kinder: 2
GND-ID: GND/1012404137

Biografie: Horst Ferdinand (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 2 (1987), 126-127

In der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts lag die Musikpflege in Heidelberg in den Händen bedeutender Männer, deren Ausstrahlung weit über die Stadt selbst hinausreichte. Hermann Meinhard Poppen und vor ihm Philipp Wolfrum drückten der musikalischen Praxis in Universität, Stadt und evangelischer Kirche den unverwechselbaren Stempel ihrer Persönlichkeiten auf, während der künstlerisch wie organisatorisch gleich begabte Henn lange Jahrzehnte hindurch für wichtige Entwicklungen in den Sparten Orchester, Theater, Konservatorium, Musikhochschule und Rundfunk verantwortlich zeichnete. Der Lehrstuhl für Musikwissenschaft war in dieser Periode mit erstrangigen Gelehrten wie Hans-Joachim Moser, Heinrich Besseler und Thrasybulos Georgiades besetzt.
Schon der fünfzehnjährige Henn konnte – dank einer intensiven musikalischen Ausbildung, die im 7. Lebensjahr begann – in den Gottesdiensten in der Jesuitenkirche und in der Synagoge den Organisten vertreten und sich als Chordirigent betätigen. Von Anfang an waren das Beschwingte, Freudige, Fröhliche Grundzüge seines Musizierens, freilich immer gestützt auf eine grundsolide und von der Pike auf erlernte Technik. Dem entsprach ein äußerst wacher Sinn für die Bedingungen, unter denen sich solches ereignen sollte, und dem entsprach auch das Thema der Dissertation „Der Tarif- und Normalvertrag der Bühnenangehörigen in seiner Bedeutung für die soziale Lage“. Damit waren die Weichen für den Lebensweg gestellt: Immer wieder durchdrangen sich bei seinen breit gestreuten Aktivitäten künstlerische, pädagogische und organisatorische Elemente und schlossen sich, gesteuert von seiner geschickten Hand, zu eindrucksvoller Effizienz zusammen. Eine erste Tat war die von ihm geleitete Produktion des „Corregidors“ (Hugo Wolf), eines höchst subtilen und schwierigen Werks. Daß er sich als „Fertiger“ noch ein Jahr lang bei einem berühmten Dirigenten, Felix von Weingartner, um die höheren Weihen seines Metiers bemühte, liegt in der Grundlinie seines beruflichen Ethos: nämlich bei jeder Gelegenheit an der Erweiterung seines musikalisch-geistigen Horizonts zu arbeiten.
Die Stunde Henns schlug nach der Katastrophe des Jahres 1945. Vorsichtig taktierend hatte er es verstanden, sich zwischen 1933 und 1945 vom Ungeist der Zeit fernzuhalten, so daß er als einer der wenigen „Nichtbelasteten“ (in der damaligen Terminologie) schon bald an die Neubelebung des Musiklebens seiner Heimatstadt gehen konnte. Darüber hinaus stellte er sich auch als Stadtrat zur Verfügung, um seinen Beitrag zum Wiederaufbau des Gemeinwesens auf dem Gebiet der Kulturpolitik zu leisten. Es gelang ihm u. a., die geplante Auflösung des städtischen Orchesters zu verhindern, und schon am 1. 8. 1945, noch im Bannkreis des Zusammenbruchs, konnte das erste – von ihm geleitete – Serenadenkonzert im Schloßhof stattfinden. Er sorgte für den Wiederbeginn bei den Städtischen Bühnen – allen, die es miterlebt haben, bleibt sein Mozart-„Figaro“ unvergeßlich –, auch durch die Berufung eines fähigen Intendanten, Heinrich Köhler-Helffrich. Schließlich gab er wesentliche Impulse für das Musikleben der Stadt durch die Gründung der Heidelberger „Hochschule für Musik und Theater“, aus der eine Reihe namhafter Künstler hervorging. Auch konnte (und kann) dort die Ausbildung zum Schulmusiker, bis zur Abschlußprüfung, und zum Privatmusikerzieher absolviert werden. Viele Hunderte tüchtiger Musiklehrer verdanken dieser Hochschule das ausgezeichnete Rüstzeug für ihren Beruf, und die Fähigkeit Henns, junge Menschen für die Musik zu begeistern, erlebte auf diesem Feld die wohl für ihn befriedigendste Bewährungsprobe. Die Verpflichtung bedeutender Dozenten, unter ihnen Wolfgang Fortner, Gerhard Frommel, Rolf Hartmann, Ernst-Lothar von Knorr, Walter Leib, Heinz Stanske und Karl Heinrich Wörner, gewährleistete das hohe Niveau der Anstalt.
Schon in reifen Jahren entschloß er sich, dem Ruf des Süddeutschen Rundfunks zu folgen und im Jahre 1955 die Sendestelle Heidelberg zu übernehmen. Hier wurde er zum „Auge und Ohr des Gesamtraums“ (E. Kuntz) – bei der natürlichen Rivalität der Städte Heidelberg, Mannheim und Karlsruhe nicht ohne weiteres selbstverständlich. Angeborene Diplomatie, persönliche Warmherzigkeit und Hilfsbereitschaft und ein durch nichts zu erschütternder Optimismus halfen ihm, die diffizile Aufgabe der Leitung der Sendestelle vorbildlich zu lösen. Er, der Heidelberger von Geburt und Berufung, sah sich – bei aller naturgegebenen Wertschätzung seiner Vaterstadt – ohne lokalpolitische Scheuklappen nur dem Ganzen des nordbadischen und kurpfälzischen Raums verpflichtet. – Wie viele große Söhne Heidelbergs ruht er auf dem dortigen Bergfriedhof.
Nachweis: Bildnachweise: im Artikel von E. Kuntz.

Literatur: O. Riemer, Ein Pionier der Heidelberger Musik, in: Heidelberger Tageblatt vom 4.1.1961; E. Kuntz, F. Henn 65 Jahre, in: Rhein-Neckar-Zeitung vom 3.1.1966.
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