Frey, Ernst 

Geburtsdatum/-ort: 16.11.1867;  Zwingenberg/Baden
Sterbedatum/-ort: 04.07.1932;  Karlsruhe
Beruf/Funktion:
  • evangelischer Theologe, Kammerstenograph
Kurzbiografie: 1887 Abitur, anschließend theologisches Studium an den Universitäten Straßburg, Tübingen und Heidelberg; 1890 Ordination
1891 Vikar in Heidelberg-Wieblingen, Hügelheim, Salem; 1892 Gallenweiler, Badenweiler; 1893 Wurm; 1894 Neckargemünd; 1895 Pfarrer in Obergimpern
1897 Vom Kirchendienst beurlaubt (1900 ausgeschieden), Kammerstenograph im Badischen Landtag in Karlsruhe bis 1924
1897 Mitbegründer des Stenographiesystems Stolze-Schrey
1902-1921 Redakteur der stenographischen Zeitschrift „Der Praktiker“
1912-1918 und
1921-1925 Vertreter des Systems Stolze-Schrey in den von der Reichsregierung eingesetzten Ausschüssen für die Schaffung einer deutschen Einheitskurzschrift
1918-1919 Mitwirkung bei der Erstellung der Verfassung der Vereinigten Evangelisch-Protestantischen Landeskirche Badens
1919-1932 Mitglied der Synode der Landeskirche
1920 Dr. theol. h. c. der Theologischen Fakultät der Universität Heidelberg
1924 Mitbegründer der Deutschen Einheitskurzschrift
1924 Religionslehrer am Bismarckgymnasium Karlsruhe, Professor
1932 Ruhestand
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: 1895 Anna Helene Marie, geb. Elsässer
Eltern: Vater: Jacob Martin Frey, Schullehrer
Mutter: Emma, geb. Koch
Geschwister: 14
Kinder: 3
GND-ID: GND/101240711X

Biografie: Horst Ferdinand (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 3 (1990), 90-91

Frey wuchs in sehr bescheidenen Verhältnissen auf. Er war das dritte von 15 Kindern; fünf davon starben früh. Bei der Berufswahl folgte er einem väterlichen Wunsch; seine eigentliche Neigung ging zu dieser Zeit schon in ganz anderer Richtung: als Schüler hatte er die Gabelsberger-Kurzschrift erlernt und war von da an ein begeisterter Stenograph. Die Stenographie wurde zur Dominante seines Lebenswerks; er hat sie als Parlamentsstenograph, als Stenographielehrer und Lehrbuchverfasser, als Publizist, vor allem aber bei vielen Gelegenheiten als hochangesehener Sachverständiger praktiziert. Der Theologie blieb er zeit seines Lebens verbunden, sie wurde aber zur Subdominante in seinen vielfältigen Aktivitäten.
Die Laufbahn des jungen Vikars folgte dem üblichen Schema. Innerlich schwamm er aber schon in anderem Fahrwasser. 1887 war er von Gabelsberger zu dem System Schrey übergegangen und wurde bald einer der eifrigsten Mitarbeiter des Systemerfinders dieses Namens (1850-1938).
1897 wurde sein Schicksalsjahr. Er gab den Kirchendienst auf, wurde Kammerstenograph und wirkte bei den Verhandlungen über den Zusammenschluß der Systeme Stolze und Schrey in Berlin mit. In der pulsierenden wilhelminischen Kapitale mag manch verwunderter Blick den badischen Dorfpfarrer gestreift haben; er wurde aber schnell als erstrangiger Sachkenner respektiert und war einer der Hauptakteure bei der Verschmelzung der beiden Systeme. Er selbst und sein Kollege Theodor Mager waren die ersten Stolze-Schrey-Parlamentspraktiker.
Von der Jahrhundertwende an rückte das von Frey immer angestrebte Ziel einer einheitlichen Kurzschrift in Deutschland näher. Frey nahm an den mühsamen Verhandlungen der zu diesem Zweck gebildeten Expertenkommission teil und wies sich durch einen von ihm vorgelegten Entwurf eines Mittelsystems zwischen Gabelsberger und Stolze-Schrey (in: „Der deutsche Stenograph“ Nr. 4, 5 Berlin 1914) erneut als origineller Sachkenner aus. Der Ausschuß leistete bis 1918 wichtige Vorarbeit für eine einheitliche Kurzschrift.
Von den ideologischen Grabenkämpfen, in denen sich die verschiedenen Kurzschriftschulen befehdeten, kann man sich heute keine rechte Vorstellung mehr machen. Bei solchen Auseinandersetzungen war eine starke Persönlichkeit wie Frey mit hervorragender Sachkompetenz und fester Hand besonders gefragt. Aber auch ausgeprägt patriarchalische Züge waren ihm eigen, die zuweilen seine Liberalität überdeckten. Zum Persönlichkeitsbild gehört auch, daß er, wie fast alle seine Generationsgenossen, seine Einjährigenzeit als eine freudig zu erfüllende selbstverständliche Pflicht ansah; er bedauerte immer, daß er wegen fehlender Mittel nicht die zum Offiziersstand führenden Übungen absolvieren konnte. Nur mit Mühe ließ sich der 47jährige im Jahre 1914 davon abhalten, als Offiziersstellvertreter einzurücken. Einer seiner Söhne fiel.
Nach dem Ende des landesherrlichen Regimes (1918) mußte eine neue Kirchenverfassung für die Badische Landeskirche erstellt werden; Frey wurde deren Hauptschöpfer. H. Erbacher spricht (RGG I) von einem „demokratisch-parlamentarischen Einschlag“ in der neuen Verfassung und erwähnt dabei die Einführung der Verhältniswahl und der Urwahl zur Landessynode. In der Tat ist die Handschrift des erfahrenen Parlamentsbeamten Frey besonders bei den zahlreichen Vorschriften über das Stimmrecht und die Wahlen und bei den Bestimmungen über die Gremien deutlich erkennbar. Die Anerkennung für Frey in Form des Ehrendoktorhuts blieb nicht aus. Um die Gestalt der neuen Einheitskurzschrift wurde von 1921 an erbittert gerungen. Es zeigt die allseits anerkannte Reputation Freys, daß er in dem Augenblick, als die Verhandlungen endgültig zu scheitern drohten, beauftragt wurde, einen Kompromißvorschlag zu machen (nämlich den zur späteren Einheitskurzschrift führenden sogenannten Juli-Entwurf noch einmal zu überarbeiten). Die zerstrittenen Kurzschriftschulen konnten sich zwar auch darauf nicht einigen; aber der entschlossene Staatssekretär im Reichsinnenministerium H. Schulz erlangte die Zustimmung der preußischen Regierung zu dem Juli-Entwurf – die anderen Länder hatten ihn bereits akzeptiert –, und der 20. 9. 1924 wurde zur Geburtsstunde der Deutschen Einheitskurzschrift. Sie vereinigt den Formenreichtum des Gabelsbergerschen mit der Klarheit in Aufbau und Regelwerk des Stolze-Schreyschen Systems und ist von den schöpferischen Ideen Freys wesentlich geprägt. Mit einer Reihe von erfolgreichen Lehrbüchern trug Frey die neue Einheitskurzschrift in weite Kreise. Er ist übrigens der Erfinder des Wortes „Kürzel“, das längst Eingang in die Alltagssprache gefunden hat.
Als im höheren Lebensalter die Bürde des anstrengenden Parlamentsdienstes beschwerlich wurde, nahm Frey gerne die ihm angebotene Religionslehrerstelle am Karlsruher Gymnasium an und unterrichtete dort in den letzten acht Jahren seiner ungewöhnlichen Laufbahn. Dem Rastlosen, der sich auf so disparaten Gebieten glänzend bewährt hatte und in der Kurzschriftgeschichte und in der Geschichte der Badischen Landeskirche bleibende Spuren hinterließ, waren nur wenige Wochen des Ruhestands beschieden.
Werke: Welches Stenographiesystem ist das beste? Berlin 1895; Die Verhältniswahl als Wahlverfahren zum Badischen Landtag, Karlsruhe 1912; Systemurkunde der Deutschen Einheitskurzschrift (Verkehrs- und Redeschrift) samt Beispielsammlung (mit Max Meidinger und Eduard Schaible, Wolfenbüttel 1926, 1932 4. Aufl.); Die Dreiteilung der deutschen Einheitskurzschrift, in: Der deutsche Stenograph, Berlin 1927 Fachbeilage, 33 ff.; Lehrbuch der deutschen Einheitskurzschrift, Karlsruhe 1930 6. Aufl.; Übungsbuch zum Lehrbuch der deutschen Einheitskurzschrift, Karlsruhe 1930 3. Aufl.; Schlüssel zum Lehrbuch der deutschen Einheitskurzschrift, Karlsruhe 1930 5. Aufl.; Lesebuch für Handelsschulen in deutscher Einheitskurzschrift, Karlsruhe o. J.; Leitfaden der deutschen Einheitskurzschrift, Karlsruhe o. J.
Nachweis: Bildnachweise: in: Arthur Mentz, Geschichte der Kurzschrift, Wolfenbüttel 1949, 144 f.

Literatur: (Auswahl) Verfassung der vereinigten evangelisch-protestantischen Landeskirche Badens, in: Gesetzes- und Verordnungsblatt für die Vereinigte Evangelisch-Protestantische Kirche Badens für das Jahr 1919, Nr. 1-17; Karlsruhe 1919; L. Schneider/G. Blauert, Geschichte der deutschen Kurzschrift, Wolfenbüttel 1936; dort S. 186 weitere Literaturangaben; C. Johnen, Allgemeine Geschichte der Kurzschrift, Berlin 1940 4. Aufl.; H. Ferdinand, Art. Kurzschrift, in: Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, begr. von H. Nicklisch, Stuttgart 1957 3. Aufl.; H. Erbacher, Baden, in: RGG I 3. Aufl., 833 ff.; Frey Haeger, Geschichte der Einheitskurzschrift, Wolfenbüttel 1972 2. Aufl.
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