Gehrig, Kilian 

Geburtsdatum/-ort: 07.05.1892;  Gissigheim
Sterbedatum/-ort: 07.03.1972; Erlenbach a. M., beigesetzt 10.03.1972 Boxtal
Beruf/Funktion:
  • Priester, Verfolgter des NS-Regimes
Kurzbiografie: 1898-1905 Volksschule Gissigheim
1905-1911 Gymnasium Tauberbischofsheim mit Abitur
1911-1915 Studium Theologie Freiburg und St. Peter/Schwarzwald
1915 30.06. Priesterweihe St. Peter; Vikar Neuweier
1915-1917 Garnisonsdienst Rastatt und Freiburg; danach Lazarettpfarrer Rastatt
1917-1918 Feldgeistlicher an der Westfront; Träger des Eisernen Kreuzes II. Klasse
1919-1920 Vikar Pforzheim (St. Franziskus)
1920-1925 Caritassekretär Pforzheim
1925-1930 Caritasrektor Pforzheim
1925 Geschäftsführer des Pressevereins Pforzheim
1930-1965 Pfarrer in Boxtal (investiert 06.04.1931)
1940 07.06.-01.10. Schutzhaft Tauberbischofsheim und Mosbach
1940 25.06. Entzug der Befugnis zur Erteilung des Religionsunterrichts durch das Badische Ministerium des Kultus und Unterrichts
1953-1972 Mitglied des Aufsichtsrates der Fränkischen Nachrichten Tauberbischofsheim
1965 Ehrenbürger Boxtal
1965-1972 Ruhestand Miltenberg a. M.
Weitere Angaben zur Person: Religion: römisch-katholisch
Eltern: Vater: Ferdinand Gehrig, Landwirt
Mutter: Anna Josepha, geb. Honikel
Geschwister: 2 Schwestern
3 Brüder
GND-ID: GND/1012412989

Biografie: Clemens Siebler (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 1 (1994), 103-104

Im bäuerlichen Elternhaus wuchs Gehrig als Jüngster von sechs Geschwistern auf. Vom Pfarrer auf den Eintritt in die Untertertia vorbereitet, besuchte er das Gymnasium in Tauberbischofsheim und studierte danach Theologie in Freiburg. Kurz nach seiner Priesterweihe und nur wenige Tage nach Antritt seiner ersten Vikarsstelle wurde er im Sommer 1915 zum Militärdienst eingezogen. Nach seiner Entlassung war er in Pforzheim zunächst Vikar (St. Franziskus) und stellte sich danach während eines vollen Jahrzehnts in den Dienst der örtlichen Caritas. Zugleich Leiter des Pforzheimer Lehrlings- und Jugendheims, war er ein umsichtiger und verständnisvoller Führer der ihm anvertrauten jungen Menschen. Als Caritasrektor machte er sich vor allem zum Anwalt der Notleidenden, wußte aber auch um die geistig-seelischen Bedürfnisse der Mitmenschen. Daher engagierte er sich nicht nur sozialpolitisch, sondern förderte auch nachhaltig das kirchliche Pressewesen. Gehrigs Initiative war es zu verdanken, daß ein lokaler katholischer Presseverein ins Leben gerufen und das „Pforzheimer Morgenblatt“ herausgegeben werden konnte (1925). Seit 1930 war Gehrig Pfarrer in Boxtal und betreute auch die Filiale Mondfeld. Trotz seiner Frömmigkeit, seines großen Seeleneifers und seines oft gerühmten Organisationstalents trüge sein Leben als Priester keine Züge des Außergewöhnlichen, wäre er nicht wegen seiner religiösen und politischen Überzeugung in Konflikt mit den Nationalsozialisten geraten. In der politischen Gemeinde ständig bespitzelt und mehrfach denunziert, hatte er sich bei den braunen Machthabern sehr schnell mißliebig gemacht. Man nahm Anstoß daran, daß Gehrig nie die Hakenkreuzflagge zeigte und daß er in der sonntäglichen Christenlehre regimeverachtende Äußerungen machte. Unmutig reagierte die örtliche Parteileitung, weil der Pfarrer an der Abhaltung althergebrachter Prozessionen festhielt und staatliche Unterdrückungsmaßnahmen gegenüber kirchlichen Belangen (Aufhebung des Religionsunterrichts in den Fortbildungsschulen) öffentlich von der Kanzel bekanntgab. Als er sich weigerte, anläßlich des deutschen Sieges in der Schlacht um Flandern der staatlichen Aufforderung zum Geläute der Kirchenglocken nachzukommen, holten seine Gegner zum Schlag gegen ihn aus. Gehrig wurde bezichtigt, durch sein Verhalten den Bestand und die Sicherheit des Volkes und Staates gefährdet, des weiteren Unruhe und Empörung unter der Bevölkerung verursacht zu haben. Fast vier Monate lang wurde er in Schutzhaft gehalten; daß er nicht in das KZ Dachau verlegt wurde, war nur dem mutigen Einsatz des damaligen Oberstaatsanwalts und Mosbacher Gefängnisdirektors zu verdanken. Obwohl im Oktober 1940 wieder auf freien Fuß gesetzt, war sein seelsorgerliches Wirken auch in Zukunft erheblich eingeschränkt, denn bis zum Sturz der NS-Herrschaft blieb ihm die Befugnis, Religionsunterricht zu erteilen, entzogen.
Für die unbeschwerte und heitere Natur Gehrigs spricht, daß er nach dem Krieg seinen Feinden großmütig verzieh. Mutig nahm er auch jetzt wieder die ihm neugestellten Aufgaben in die Hände: die Eingliederung der Heimatvertriebenen, aber auch dringlich gewordene Restaurations- und Bautätigkeiten in Pfarrei und Filiale. Seine nahezu zwanzigjährige Mitarbeit im Aufsichtsrat der Fränkischen Nachrichten läßt noch einmal erkennen, welche große Bedeutung er der Presse beimaß.
Erst im vorgerückten Alter von 73 Jahren beantragte Gehrig seine Zurruhesetzung. Die politische Gemeinde Boxtal bedankte sich für seinen selbstlosen Dienst mit der Ernennung zum Ehrenbürger (1965).
Quellen: EAF, Personalakten Kilian Gehrig
Nachweis: Bildnachweise: Gissigheim. Ortschronik, a. a. O., 257; Fränkische Nachrichten und Konradsblatt, a. a. O.

Literatur: Kilian Gehrig, in: Gissigheim. Ortschronik aus dem Badischen Frankenland, Tauberbischofsheim 1969, 266; Ludwig Mönch, Pfarrer i. R. Kilian Gehrig †, in: Fränkische Nachrichten (22.), 1972 Nr. 57, 18; N. N., Nachruf Kilian Gehrig, in: Konradsblatt 56, 1972 Nr. 15, 26; Erwin Keller, Kilian Gehrig, in: FDA 97, 1977, 438-439
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