Köhler-Helffrich, Heinrich Karl August 

Geburtsdatum/-ort: 09.07.1904;  Karlsruhe
Sterbedatum/-ort: 02.02.1960;  Lenzkirch
Beruf/Funktion:
  • Intendant
Kurzbiografie: 1923 Abitur am Bismarck-Gymnasium Karlsruhe
1923-1926 Universitätsstudium (Musik- und Theaterwissenschaft, Geschichte) in Heidelberg, Berlin und Freiburg i. Br.
1927-1929 Spielleiter für Oper und Schauspiel am Stadttheater Mainz
1929-1932 Oberspielleiter in Saarbrücken
1932-1934 Kulturfilmregisseur in München, Filmautor in Berlin
1935-1937 Oberspielleiter der Oper am Mannheimer Nationaltheater
1937-1939 an den Städtischen Bühnen in Breslau
1939-1940 Leiter der Filmstelle des Reichsstands des Deutschen Handwerks, nach deren Schließung Referent für Eisenbeschaffung
1941-1944 Oberspielleiter der Oper an den Städtischen Bühnen Wuppertal
1944-1945 Soldat, Kriegsgefangenschaft in der Tschechoslowakei
1945-1946 (Oktober) Kulturreferent in der Nordbadischen Bezirksregierung Karlsruhe
1945-1949 Intendant der Städtischen Bühnen in Heidelberg (1946 Mitbegründer und erster Leiter der Sendestelle Heidelberg des Süddeutschen Rundfunks, 1947-1949 Leiter der Schwetzinger Festspiele, Dezember 1948-März 1949 Kommissarischer Intendant des Badischen Staatstheaters in Karlsruhe)
1949-1953 Intendant, später Staatsintendant des Hessischen Staatstheaters in Wiesbaden (1950-1953 Gesamtleitung der Internationalen Maifestspiele, Regiegastspiele im In- und Ausland)
1953-1956 Dramaturgischer Berater der bundeseigenen Bürgschaftsgesellschaft für Filmkredite, Frankfurt/M.
1957-1960 Mitarbeiter (Funkreferent) bei Inter Nationes, Bonn
Weitere Angaben zur Person: Religion: römisch-katholisch
Verheiratet: 1. 1939 Thetis, geb. Yannoucos, Solotänzerin (gesch. 1944)
2. 1944 Käthe Helene, geb. Richter, Opernsängerin (gesch. 1947)
3. 1950 Elisabeth Sieglinde (Linde) Hedwig, geb. Lauble, Opernsängerin (gesch. 1957)
Eltern: Vater: Heinrich Köhler (1878-1949), Badischer Staatspräsident (1923-1924, 1926-1927), Reichsfinanzminister (1927-1928), Stellvertretender Ministerpräsident und Landesbezirkspräsident (1945-1949)
Mutter: Rosa, geb. Hauck (1878-1911)
Geschwister: Bernhard (1908-1946), aus zweiter Ehe des Vaters mit Elsa, geb. Förster (1887-1978)
Paul (1914-1987)
Max (geb. 1916)
Elisabeth (geb. 1923)
Kinder: 1 aus 2. Ehe
GND-ID: GND/1012413055

Biografie: Horst Ferdinand (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 1 (1994), 198-200

Nicht nur die Liebe zu Musik und Theater gaben die kunstsinnigen Eltern ihrem ältesten Sohn mit auf den Lebensweg, sondern auch Beharrlichkeit, eisernen Willen, sprühendes Temperament und eine zuweilen überbordende Lebensfreude. Von der Vaterseite her erbte er die selbstbewußte Überzeugung, andere anleiten, führen, unterweisen zu können. Ausgerüstet mit diesen Talenten unterrichtete sich Köhler-Helffrich zunächst gründlich und systematisch in den einschlägigen Universitätsfächern, aber die Welt der Wissenschaft war nicht seine Sache. Schon während des Studiums gehörten die Abende fast täglich dem Theater, der sein Leben beherrschenden Leidenschaft. In vielen hunderten Aufführungen und Proben – an denen er zuerst als faszinierter Zuschauer, später als Regie-Eleve teilnahm – legte er den festen Grund zu einem umfassenden Kenntnis- und Erfahrungsfundus, der unentbehrlichen Basis für die spätere schöpferische Tätigkeit auf den zuweilen ja bedenklich schwankenden Brettern, die die Welt bedeuten.
Das erste Engagement ließ nicht lange auf sich warten. Dem 23jährigen bereits konnten in Mainz erste Regieaufgaben anvertraut werden, und nach dort bestandener Bewährungsprobe folgte eine dreijährige Verpflichtung als Oberspielleiter in Saarbrücken. Wegweisende Eindrücke aber erhielt er in der Zusammenarbeit mit einem der Großen der Zunft, Gustav Hartung (1887-1946), während der Heidelberger Schloßfestspiele (1926-1929). Verantwortungsvolle Leitungstätigkeit an großen Bühnen – Mannheim und Breslau – folgte. Kräche, unvermeidliche Ingredienzien des Theaterbetriebs, beendeten das Breslauer Engagement – Köhler-Helffrich mit seinem leidenschaftlichen Ungestüm und seiner hochgradigen Sensibilität war nicht gerade der Mann, der sich säuberlich aus solchen Fehden heraushielt, wobei allerdings sein versöhnender Mutterwitz immer wieder entschärfend wirkte. Der Kriegsbeginn (1939) brachte einen kurzfristigen Exkurs in die Sphäre der Wirtschaft; aber auch diese Aufgabe scheint er mit dem ihm eigenen Elan bewältigt zu haben, was ihm, immerhin, eine Uk-Stellung („unabkömmlich“, er konnte nicht einberufen werden) eintrug. So konnte er die ihm angebotene Spielleitung an der Wuppertaler Oper übernehmen, aber Intendant wurde er nicht: der Sohn des bekannten Zentrumspolitikers aus der „Systemzeit“ galt als „politisch unzuverlässig“. NS-Alleinkulturherrscher Goebbels höchstpersönlich versperrte ihm auch die Salzburger Intendanz (1943) und sorgte dafür, daß Köhler-Helffrich zu jenem letzten Aufgebot der Deutschen Wehrmacht stieß, das den Endsieg sichern sollte.
Dies war wohl die einzige Etappe seines Lebens, in der er seine Pflichten – nach eigener Einschätzung – „recht und schlecht“ erfüllte. Der Endsieg blieb denn auch aus, und die Köhler-Helffrich in der Tschechoslowakei bewachenden Amerikaner hatten ein Einsehen und schickten den „Flieger“ – seine militärische Titulatur – außer Diensten nach Hause. Dort übernahm er, nach kurzem, mehr bürokratischem Zwischenspiel, jene Aufgabe, die ihn dem Zenit seines Theaterlebens entgegenführte, die Leitung der Heidelberger Bühnen, denen er durch glänzende Inszenierungen und eine geschickte Ensemblepolitik einen bis dahin nicht gekannten Rang in der deutschen Theaterlandschaft zu verschaffen wußte. Er konnte „die feinsten Schattierungen in der Partitur auf das Szenische übertragen“ (Rezension von 1947). Als Retter in der Not behob er eine Theaterkrise in Karlsruhe und erneuerte die Festspiele im Heidelberg benachbarten Rokokotheater in Schwetzingen.
In Wiesbaden schließlich machte er durch hervorragende Regieleistungen von sich reden und verwirklichte die Wiederaufnahme der Internationalen Maifestspiele, die als „Europäisches Opernfest“ Weltruf erlangten. Einladungen zu Regiegastspielen im In- und Ausland sprachen von dem internationalen Renommee des auf der Höhe seines Ansehens und dem Gipfel seines Theaterlebens stehenden Künstlers. Aber ein – verhältnismäßig – geringes Defizit bei den Festspielen führte zu seinem Sturz, sein Vertrag wurde nicht über 1953 hinaus verlängert. Maßgeblich dafür waren aber, wie sich aus den Nachlaßakten zweifelsfrei ergibt, parteipolitische Gründe; Köhler-Helffrich pflegte seine (der damaligen hessischen Regierungspolitik entgegenstehenden) Ansichten unverblümt zu äußern und wußte auch schriftlich eine scharfe Klinge zu führen. Zuweilen träumte er in der Folge vom Einstieg in die Politik, aber da meldeten sich schwere gesundheitliche Störungen, die Auswirkungen eines schonungs- und pausenlosen Einsatzes über viele Jahre hinweg und eines immer aus dem Vollen schöpfenden Lebensstils, der wohl auch einige Züge des von Köhler-Helffrich besonders geliebten Sir John Falstaff aufwies. In den kurzen Jahren, die ihm nur noch zugemessen waren, eröffnete sich ihm bei Inter Nationes in Bonn ein ihn bis zu einem gewissen Grad fesselndes Tätigkeitsfeld in der internationalen Kulturpolitik, das er mit einer ausgedehnten Vortragstätigkeit verband. Die Rückkehr zur Bühne blieb jedoch das immer wieder angepeilte Ziel des früheren Intendanten „mit echter Leidenschaft zum Theater und Gestaltungsfreude“ (Theodor Heuss). Er sollte es nicht mehr erreichen; ein Schlaganfall brachte, viel zu früh, das Ende. Der große Theatermann war erst 55 Jahre alt. „Die Kunst war der Inhalt seines Lebens“, stand in der von der Theaterwelt betroffen aufgenommenen Todesnachricht.
Quellen: Nachlaß Heinrich Köhler-Helffrich; Mitteilungen von Frau Elisabeth Zilken, geb. Köhler, und Dr. Franz Zilken (Nachlaßverwalter), Köln
Werke: Opernsorgen, in: Kultur und Arbeit Nr. 9/1949; Theater in Portugal, a. a. O. Nr. 4/1953; Situation des Kulturtheaters, in: Musikleben 1951; Italiens Beitrag zum Europäischen Opernfest, in: Festschrift der Dante-Gesellschaft Wiesbaden „Deutsch-Italienischer Kulturaustausch“ 1953; Zwischen Wiesbaden und Barcelona, in: Hessen, Kultur und Wirtschaft Mai 1952; Das Deutsche Theater, in: Rhein-Neckar-Zeitung vom 01./02. und 08./09.03.1958 (Auswahl aus einer großen Anzahl von Aufsätzen und Essays über Fachthemen im Nachlaß)
Nachweis: Bildnachweise: im Heidelberger Tageblatt vom 04.02.1960

Literatur: Nachrufe: Die Kunst war der Inhalt seines Lebens, in: Heidelberger Tageblatt vom 04.02.1960 (ohne Verfasserangabe); E. Kuntz, Heinrich Köhler-Helffrich, in: Rhein-Neckar-Zeitung vom 04.02.1960; hz, Ein Mann des Theaters – Zum Tode von Heinrich Köhler-Helffrich, in: Mannheimer Morgen vom 05.02.1960; DrHK, In memoriam Heinrich Köhler-Helffrich, in: Wiesbadener Kurier vom 05.02.1960; F. Henn, Nachruf für Herrn Staatsintendanten Köhler-Helffrich im Süddeutschen Rundfunk am 06.02.1960 (Viele Rezensionen und Vortragsmanuskripte im Nachlaß)
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