Raither, Arthur 

Geburtsdatum/-ort: 23.10.1911;  Neufrach
Sterbedatum/-ort: 16.01.1988;  Salem-Neufrach
Beruf/Funktion:
  • Landwirt, Agrarpolitiker, Genossenschaftler
Kurzbiografie: Volksschule in Neufrach, Berufs- und Landwirtschaftsschule in Salem, Bauernschule (Landvolkhochschule) Ittendorf
1948-1982 Vorsitzender des Kreisverbandes Überlingen des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbandes e.V. (BLHV)
1949-1979 Mitglied des Kreistags des Landkreises Überlingen und nachfolgend des Bodenseekreises
1950 Übernahme des 45-Hektar großen bäuerlichen Betriebs
1953-1963 Vizepräsident des BLHV
1962-1985 Aufsichtsratsvorsitzender der Karlsruher Versicherungs-AG
1964-1983 Präsident des BLHV
1953-1986 Vorstandsmitglied der Badischen landwirtschaftlichen Sozialversicherungsträger, ab 1969 Vorstandsvorsitzender
1956 Grünes Band des BLHV in Gold
1970-1986 Vorstandsvorsitzender des Bodensee-Obstmarktes Neufrach-Radolfzell
1971-1986 Vorstandsvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für ländliche Erwachsenenbildung in Baden-Württemberg
1970-1987 Stellvertretender Vorsitzender des Hochschulbundes der Universität Hohenheim
1977 Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg
1979 Ehrensenator der Universität Hohenheim, Großes Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland
1981 Goldene Ehrennadeln des Deutschen Bauernverbandes und des Deutschen Genossenschaftsverbandes, Wilhelm-Niklas Medaille
1984 Ehrenpräsident des BLHV
Weitere Angaben zur Person: Religion: römisch-katholisch
Verheiratet: Neufrach, Frieda, geb. Zollinger
Eltern: Vater: Heinrich Raither, Landwirt (1879-1972)
Mutter: Luise, geb. Kling (1891-1968)
Kinder: Bruno, Logopäde
Siegfried, Landwirt
GND-ID: GND/1012413071

Biografie: Clemens Seiterich (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 1 (1994), 295-296

Raither entstammt einem christlich-katholischen und zugleich fortschrittlich-konservativ eingestellten Bauerngeschlecht, das in vielen Generationen im unteren Linzgau ansässig war. Dieses und überdurchschnittliche Lehrerpersönlichkeiten prägten den vielseitigen und hochbegabten jungen Mann zu einer in Religion und Glauben verwurzelten und sozial eingestellten, willensstarken, selbstbewußten und unabhängigen Persönlichkeit. Daß er keine „Furcht vor Königsthronen“ kannte, beweist, daß er sich gegenüber den Machthabern des Dritten Reiches, vor allem im Sommer 1939, nicht botmäßig erwies. Mitten aus der Weizenernte wurde er wegen seiner Tätigkeit als Organist in der katholischen Pfarrkirche festgenommen und für acht Wochen aus der Heimat verbannt, nachdem dem ortsansässigen Volksschullehrer das Orgelspielen verboten worden war. Die gleiche Eigenschaft zeigte er als Vizepräsident und dann als Präsident der badischen bäuerlichen Standesorganisation (frühere französische Besatzungszone) mehrfach gegenüber der Partei, der er sich schon Ende der 40er Jahre angeschlossen hatte, der CDU, die ihn 1952 auch einmal ausschloß, ihn aber doch auch wieder aufnahm.
Raither, der seinen mittelbäuerlichen Betrieb zusammen mit seiner Frau 1950 übernahm, prägte die bäuerliche berufsständische Interessenvertretung in Südbaden auf außergewöhnliche Weise. Der Erhaltung und Verbesserung der Existenzfähigkeit kleiner bäuerlicher Betriebe und mittelbäuerlicher Höfe in benachteiligten Regionen galt sein rastloses Bestreben. Darauf schwor er den von ihm 20 Jahre lang geführten Bauernverband ebenso ein wie den Verband der landwirtschaftlichen Sozialversicherungsträger Badens (Gesamtbaden). Schwerpunktmäßig galt seine Tätigkeit der landwirtschaftlichen Sozialpolitik, der Verbesserung der Agrarstruktur und der Kreditpolitik, der Förderung der bäuerlichen Veredlungswirtschaft und der Sonderkulturen insbesondere des Obstbaues und der Besserstellung der ländlichen Erwachsenenbildung. Seine Hauptsorge galt der Verwirklichung der Altershilfe und der Krankenkasse für die Landwirte. Leidenschaftlich trat der sich dem Subsidiaritätsprinzip verpflichtet fühlende „Bauern-Raither“ für die Erhaltung und Förderung kleiner Kommunalwesen im gemeindlichen und Landkreisbereich ebenso ein wie für die Funktionsfähigkeit möglichst vieler örtlicher Genossenschaften im ländlichen Raum. Mit der gleichen Intensität widmete er sich der Beratung der Mitglieder des von ihm geführten Verbandes. Sein Hof war seine „Ambulanz“, sonntags wie werktags, ja geradezu Tag und Nacht gefragt.
Der unbequeme und nie resignierende Bauernpräsident Raither hatte die im zweijährigen Turnus stattfindenden Bodensee-Bauerntage zu der Plattform gemacht, die er als notwendig erachtete, um die „Stimme des kleinen und mittelbäuerlichen Bauerntums“ des südwestdeutschen Raumes weit über die Landesgrenzen hinaus begreifbar zu machen. Dabei waren die wichtigsten maßgeblichen Persönlichkeiten der Europa-, der Bundes- und der Landespolitik seine Gesprächs- und Verhandlungspartner. Wichtig waren Raither auch die Bodensee-Obst-Tage, die er inspirierte und die von der Versuchsstation Bavendorf der Universität Hohenheim und dem Hochschulbund Hohenheim getragen wurden. Raither hat ein Stück Agrargeschichte im Südwesten der Bundesrepublik maßgeblich mitgestaltet. Auf vielfältige Weise und oftmals weit über die Grenzen physisch und psychischer Leistungsfähigkeit hinaus hat er sich für zahllose Bauernfamilien und für den ländlichen Raum eingesetzt. Sein Rat war vielfältig innerhalb und außerhalb des Landes Baden-Württemberg gefragt. Unter anderem war er seit 1976 auch Vorsitzender des Vereins zur Förderung des Urlaubs auf dem Bauernhof in Baden-Württemberg. Seit 1965 wirkte er als Mitglied im Verbandsausschuß der badischen Raiffeisenorganisationen mit. 1975 wurde er in den Aufsichtsrat der Landsiedlung von Baden-Württemberg berufen. 1969 entsandte ihn der Deutsche Bauernverband als Vertreter der deutschen Landwirtschaft in den Verwaltungsrat der Deutschen Bundesbahn. Im Vorfeld der Kommunalreform in Baden-Württemberg gründete er die „Liga für eine demokratische Verwaltungsreform“. Dennoch hatte Raither Zeit, sich seinen Hobbies zu widmen: der Musik und der Jagd. Für sein 40-jähriges aktives Mitwirken im Kirchenchor wurde er ebenso ausgezeichnet wie für seine 25-jährige Dirigententätigkeit im Musikverein Neufrach. „Seine“ Musikkapelle brachte er auch zur Verleihung der Würde des Ehrensenators der Universität Hohenheim mit, um sie beim Aufspielen des „Badnerliedes“ zu dirigieren. Lange Zeit hatte Raither die Annahme des Bundesverdienstkreuzes abgelehnt. Der „echte freisinnige Republikaner“ und leidenschaftliche Jäger Raither hatte sich statt dieser Auszeichnung den „Abschuß eines 1-a-Hirsches“ in der Staatsjagd gewünscht. Raither wurde beider Ehrungen teilhaftig: die erstere wertete er als eine hohe Auszeichnung des BLHV und seiner ehren- und hauptamtlichen Mitarbeiterschaft, die letztere als einen „ganz persönlichen großen Spaß“.
Nachweis: Bildnachweise: Foto StAF, Bildnissammlung

Literatur: Bonner Köpfe von Antonius John, Bonn 1986; Der Bauern-Raither, SWF/SDR III, Porträt-Studie von Franz Lickert, Baden-Baden 1975; Badische Bauernzeitung, Freiburg Nr. 15/1979, Nr. 44/1981, Nr. 21/1985, Nr. 43/1986; Stuttgarter Zeitung Nr. 289/1983; FAZ vom 23.10.1981 und 26.01. (Nr. 21) 1988
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