Schwarz, Adolf Friedrich 

Geburtsdatum/-ort: 07.10.1880;  Bruchsal
Sterbedatum/-ort: 03.06.1945;  Karlsruhe (1948 umgebettet nach Bruchsal)
Beruf/Funktion:
  • Ministerialrat, Verfolgter des NS-Regimes, kommissarischer Leiter der badischen Innenverwaltung
Kurzbiografie: Bis 1903 Studium der Rechtswissenschaften, zuletzt in Freiburg
1899-1900 Einjähriger Militärdienst
1907 Zweite höhere Justizdienstprüfung
1907-1908 Freiwillige Dienstleistung bei der Stadt Baden-Baden
1908 (26.10.) Eintritt in die badische Innenverwaltung
1914-1918 (2.8.1914-Mär. 1918) Kriegsdienst (Eisernes Kreuz I. und II. Klasse, Ritterkreuz 2. Klasse mit Schwertern des Ordens vom Zähringer Löwen)
1917 (6.9.) Amtmann an Bezirksämtern Lahr, Baden-Baden und Mannheim
1920 (19.11.) Regierungsrat im Innenministerium
1924 (1.4.) Amtmann, seit 1.10.1924 Regierungsrat an den Bezirksämtern Waldshut, Mannheim und Konstanz
1928 (5.7.) Landrat in Adelsheim
1929 (8.4.) Oberregierungsrat im badischen Innenministerium, Personalreferent für den unteren und mittleren Dienst
1930 (1.6.) Ministerialrat, Personal- und Haushaltsreferent
1933 (18.3.) vom Dienst suspendiert, 2.5. mit Wirkung vom 30.8.1933 entlassen
1939-1942 (September) Kriegsverwaltungsdienst, zuletzt bis Ende 1942 in Hagenau (Elsaß)
1943-1945 (20.3.) Angestellter bei der Stadt Karlsruhe – Feststellungsbehörde
1945 (April) kommissarischer badischer Justizminister
1945 (28.5.) Leiter der badischen Innenverwaltung in Karlsruhe
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: 1918 Louise Gertrud, geb. Dodel (geb. 1888)
Eltern: Vater: Martin Schwarz, (geb. Ende 1854/1855 Bruchsal, gest. 1905), Rentier
Mutter: Maria Anna, geb. Leitz (geb. 1854/Anfang 1855)
Geschwister: wohl keine
Kinder: Keine
GND-ID: GND/1012561917

Biografie: Michael Ruck (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 4 (1996), 269-271

Nichts deutete zunächst daraufhin, daß Schwarz als Fünfzigjähriger noch in eine Schlüsselposition der badischen Innenverwaltung aufrücken würde. Wohl hatte er das obligatorische Reserveoffizierspatent erworben, doch gehörte er weder einer studentischen Korporation noch der Nationalliberalen Partei an. Nachdem er seine erste höhere Justizdienstprüfung 1907 mit überdurchschnittlichem Erfolg abgelegt hatte, fand Schwarz denn auch zunächst keine Anstellung im Staatsdienst. Erst nach einem Jahr unentgeltlicher Tätigkeit bei der Stadt Baden-Baden wurde er doch noch in die badische Innenverwaltung aufgenommen. Dort besserten sich seine Beurteilungen nur allmählich. Es dauerte neun Jahre, bis Schwarz 1917 als Amtmann planmäßig angestellt wurde. Zuvor hatte er besonders viele Verwendungen in – zumeist unbedeutenden – Bezirksämtern hinter sich bringen müssen.
Offenkundig sollte Schwarz mit der Ernennung auch für seine Tapferkeit im Kriege belohnt werden. Bereits Ende August 1914 war der Beamte bei Saarburg erstmals schwer verwundet worden. Anschließend hatte Schwarz an den Stellungskämpfen im Westen teilgenommen, bis er im Herbst 1916 völlig zusammenbrach. Erst im März 1918 konnte der hochdekorierte Frontkämpfer wieder im Verwaltungsdienst eingesetzt werden. Anfang der zwanziger Jahre kam Schwarz als Referent in die Kommunalabteilung des Innenministeriums. In dieser Eigenschaft erhielt er den – politisch höchst brisanten – Auftrag, eine neue Kreisordnung vorzubereiten. Sein Gesetzentwurf erfuhr auch aus den Reihen der Regierungskoalition teilweise heftige Kritik. Im Landtag ließ vor allem der Präsident des badischen Verwaltungsgerichtshofes, Dr. Karl Glockner (DDP), kein gutes Haar daran. Kaum war die Kreisordnung vom 19.6.1923 in Kraft getreten, mußte Schwarz den Ministerialdienst wieder verlassen.
In den Amtsbezirken, in denen er nun verwendet wurde, war Schwarz wegen seiner umgänglichen Art durchweg wohlgelitten; unter den Berufskollegen hingegen galt er als wenig einsatzfreudig. Gleichwohl übertrug ihm Innenminister Adam Remmele Ende 1927 das kleine Bezirksamt Adelsheim. Der SPD-Politiker wurde 1927/28 innerhalb seiner Partei zunehmend kritisiert, weil bislang fast ausschließlich höhere Beamte von seiner äußerst zurückhaltenden Personalpolitik profitiert hatten, welche der mitregierenden DDP oder gar der oppositionellen DVP nahestanden. Angesichts dessen entschloß sich Remmele, den Forderungen nach einer energischeren Förderung auch sozialdemokratischer Verwaltungsleute zumindest symbolisch entgegenzukommen. Groß war die Auswahl nicht, denn bis zur Revolution hatten die soziale Rekrutierung der Jurastudenten und die politische Auswahl der Nachwuchsbeamten die badische Innenverwaltung hermetisch gegen Sozialdemokraten abgesperrt. Zwar gab es zehn Jahre nach der Revolution immerhin anderthalb Dutzend Verwaltungsjuristen, die als Mitglieder oder Sympathisanten der SPD nahestanden; dabei handelt es sich jedoch fast durchweg um Nachwuchsleute, die für Leitungspositionen noch zu jung waren. Unter den Seniorbeamten bot sich außer dem Regierungsrat Schwarz keine geeignete Persönlichkeit an. So wurde er zunächst zum Landrat befördert, denn auch in der badischen Innenverwaltung war dies eine fast unerläßliche Voraussetzung für eine Ministerialratskarriere. Wenige Monate später holte ihn Remmele als designierten Chef der Personal- und Haushaltsabteilung in sein Haus. Zuvor war Schwarz der SPD formell beigetreten. Zwar ging die Leitung des Ressorts bald darauf an den Zentrumspolitiker Joseph Wittemann über, doch wurde Schwarz am 20. Mai 1930 wie geplant zum Ministerialrat ernannt – gerade noch rechtzeitig, bevor mit Wilhelm Mattes (DVP), ein Hauptkritiker seiner Ernennung als Finanzminister am Kabinettstisch Platz nahm.
In der Folgezeit blieb Schwarz unauffällig. Die politischen Angriffe von rechtsaußen konzentrierten sich auf seinen Ministerialratskollegen Dr. Lothar Barck (1880-1957), der die Polizeiabteilung des Innenressorts mit viel republikanischem Engagement leitete. Gleichwohl mußte auch Schwarz wenige Tage nach der Usurpation der staatlichen Macht in Karlsruhe durch den NSDAP-Gauleiter Robert Wagner am 18. März 1933 einen Zwangsurlaub antreten. Am 2. Mai 1933, unmittelbar vor der Übergabe des Ressorts an Minister Karl Pflaumer, entließ ihn der Reichskommissar gemäß § 4 des sogenannten „Berufsbeamtengesetzes“ vom 7. April 1933 wegen politischer Unzuverlässigkeit.
Schwarz nahm die Entlassung als unabänderlich hin. Er verwahrte sich allerdings in mehreren Briefen an Wagner nachdrücklich „gegen die in der Maßnahme liegende Beurteilung meiner vaterländischen Gesinnung“ und gegen die „Zweifel daran [...], daß ich jederzeit rückhaltlos für den nationalen Staat würde eingetreten sein“. Am 25. September 1933 versicherte er darüber hinaus, „nie politisch tätig gewesen“ zu sein und sich als Beamter Jederzeit durchaus unvoreingenommen gegenüber der nationalsozialistischen Bewegung eingestellt“ zu haben. Überdies erinnerte Schwarz den Frontkämpfer Wagner an jene außerordentlichen Meriten, die er sich als Weltkriegsoffizier erworben hatte. Mit Duldung des Reichsstatthalters wurde dem entlassenen Ministerialrat eine herabgesetzte Pension zugestanden. Damit zog sich Schwarz nach Baden-Baden zurück.
Bei Kriegsbeginn stellte sich Schwarz dem Innenministerium „zur beliebigen Verwendung zur Verfügung“ – ohne Erfolg. Stattdessen wurde er zum Kriegsverwaltungsdienst eingezogen. Im Oktober 1942 schrieb Schwarz direkt an Wagner. Nun wies der Reichsstatthalter den nach wie vor widerstrebenden Innenminister an, Schwarz „trotz seiner politischen Vergangenheit“ wieder im öffentlichen Dienst zu verwenden. Der zuständige NSDAP-Kreisleiter habe dagegen „auf Grund des Verhaltens des Schwarz in den letzten Jahren“ – er hatte 1942 seine Aufnahme in die NSDAP beantragt – „politische Bedenken nicht mehr geltend gemacht“. Wenig später erhielt Schwarz eine leitende Angestelltenposition bei der Stadt Karlsruhe zugewiesen.
Unmittelbar nach der Besetzung der Landeshauptstadt wurde Schwarz vom französischen Militärbefehlshaber zunächst als kommissarischer Justizminister, dann als Leiter der badischen Innenverwaltung eingesetzt. Dieser Posten war „mit den Funktionen eines Ministerialdirektors“ verbunden, wie aus dem Ernennungsschreiben seines Amtsnachfolgers Paul Haußer vom 22. Juni 1945 hervorgeht: „In dieser Eigenschaft haben Sie den Wiederaufbau, die Reinigung und die Leitung dieser Verwaltung zu sichern gemäß den Gesetzen unter Kontrolle der Militärregierung. Sie haben die Ihnen unterstellten Beamten zu wählen und zu ernennen, nachdem Sie die Genehmigung der Militärregierung erlangt haben. Sie sind für ihre allgemeine Tätigkeit verantwortlich. [...] Sie müssen sich bei den deutschen Behörden alle nötigen Erleichterungen schaffen.“
Der Zusammenbruch der NS-Herrschaft hatte Schwarz den Weg in die administrative Schlüsselstellung seines Heimatlandes geebnet. Wenige Tage später ging er in den Freitod. Die Motive liegen im Dunkeln. Womöglich trieb ihn die Sorge, nach dem Bekanntwerden seiner Annäherung an das NS-Regime abermals schmählich aus dem Amt gejagt zu werden. Mit seinem Verzweiflungsakt zog der ambitionierte Durchschnittsbeamte wohl die letzte Konsequenz aus der Erkenntnis, daß ihn die Anpassung an die politischen Zeitläufe in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wiederholt überfordert hatte.
Quellen: GLAK: 466, 1979/2, Nr. 6740/1-3 (Haupt-PA); 233, Nr. 24448 (Ernennungsanträge v. 31.8. u. 5.12.1927); 236, Nr. 29261 (Ernennungsantrag v. 2.3.1929); 233, Nr. 24381 (Entlassung 1933). – Standesamt der Stadt Bruchsal (Geburtseintrag A. Schwarz, Heiratseintrag Eltern). – StA Leipzig. PoA, Nr. 259, Schwarz 58 u. 89b (Geburtseintrag Ehefrau, Heiratseintrag Eltern). – UA Freiburg, Matrikelbuch, SS 1902, Nr. 240. – STAF, F 20/9, Nr. 766 (PA Paul Haußer).

Literatur: Alphabet. Verzeichnis d. aktiven Hof- u. Staatsbeamten d. oberen Klassen d. Gehaltstarifs des Großherzogtums Baden nebst kurzen Personalnachrichten [...]. Achte Ausgabe, Karlsruhe 1912, 441; Josef Weik, Der Landtag von B.-W. u. s. Abgeordneten von 1952 bis 1988 [...], 4. Aufl., Stuttgart 1988, 24; Michael Ruck, Administrative Eliten in Demokratie u. Diktatur. Beamtenkarrieren in Baden u. Württemberg von d. zwanziger Jahren bis in d. Nachkriegszeit, in: Cornelia Rauh-Kühne/Michael Ruck (Hg.), Regionale Eliten zw. Diktatur u. Demokratie. Baden u. Württemberg 1930 bis 1952, München 1993, 48, 59; ders. Kollaboration – Loyalität – Resistenz. Administrative Eliten u. NS-Regime am Beispiel der südwestdt. Innenverwaltung, in: Thomas Schnabel/Angelika Hauser-Hauswirth (Hg.), Formen d. Widerstandes im Südwesten 1933-1945. Scheitern u. Nachwirken, Stuttgart u. a. 1994, 130; ders., A. Schwarz, in: Die Amtsvorsteher d. Oberämter, Bezirksämter u. Landratsämter in B.-W. 1810 bis 1972, Hg. Arbeitsgemeinschaft d. Kreisarchivare beim Landkreistag B.-W, Stuttgart 1996; ders., „Der Korpsgeist hat alles überstanden.“ Zur Rolle d. administrativen Eliten in Südwestdt., München 1996.
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