Becker, Josef 

Geburtsdatum/-ort: 06.07.1905; Billed (jetzt: Biled, Rumänien)
Sterbedatum/-ort: 08.09.1983;  Heidelberg
Beruf/Funktion:
  • Radiologe
Kurzbiografie: 1912–1926 ungarische Volks- u. Bürgerschule in Groß-Sankt-Nikolaus, Banat, 1912– 1915 u. 1915– 1919, dt. Mittelschule in Temeswar, 1919– 1922; Kaufmänn. Studium an d. Handelshochschule Nürnberg bis Diplom 1925; danach Franz-Deak-Realgymnasium in Budapest bis Abitur
1926–1932 Medizinstudium an d. Univ. Budapest, SS 1926, Univ. Heidelberg, WS 1926/27–SS 1928 u. SS 1931–WS 1931/32, Univ. Berlin, WS 1928/29, Univ. Wien, SS 1929–WS 1930/31; ärztl. Hauptprüfung in Heidelberg am 8. Jan. 1932, „gut“
1933 V. Beitritt zur NSDAP, Nr. 2289755
1936 XI. 7 Promotion „magna cum laude“ zum Dr. med. in Heidelberg: „Das Carcinoid des Wurmfortsatzes“
1937 IX. Assistenzarzt am Samariterhaus, Klin. Abt. des Instituts für Krebsforschung d. Univ. Heidelberg, ab 1942 Czerny-Krankenhaus
1940 VI. Habilitation: „Ein Beitrag zur Kasuistik u. Therapie bösartiger Tumoren“; Probevortrag: „Röntgenbehandlung d. tuberkulösen Lymphome“
1940 X.–1945 IV. Militär- u. Kriegsdienst; danach bis Mitte August 1945 brit. Kriegsgefangenschaft in Bad Harzburg
1944 I. Während eines Sonderurlaubs in Heidelberg Lehrprobe „Die Aufgabe d. Strahlentherapie im Kriege“; Dozent am 26. Apr. 1944
1945 VIII.–1948 V. Entlassung durch amerikan. Militärregierung; entnazifiziert am 7. Febr. 1947 „Mitläufer“, Wiedereinstellung als Dozent u. Wiss. Assistent am Czerny-Krankenhaus nach Zustimmung d. Militärreg. vom 18. Febr. 1948
1949 VIII. apl. Professor u. Leiter d. Klinischen Abt. des Czerny-Krankenhauses
1955 VII. ao. Professor für Strahlenheilkunde u. ab Febr. 1956 Direktor des Czerny-Krankenhauses
1962 III.–1973 IX. o. Professor für Medizinische Strahlenkunde, dann von Okt. bis Dez. 1973 Vertreter seines Lehrstuhls; 1962/63 Dekan
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Auszeichnungen: Ehrungen: Dr. h.c. d. Univ. Gent (1965); Ehrenmitglied d. Section of Radiology of the Royal Society of Medicine, London (1966), d. Österr. Röntgengesellschaft (1966), des Verbandes d. Ungar. Medizin. Gesellschaften (1968) u. d. Japan. Radiologischen Gesellschaft (1970); Albers-Schönberg-Medaille d. Dt. Röntgenges. u. d. Ges. für Medizin. Radiologie, Strahlenbiologie u. Nuklearmedizin e.V.
Verheiratet: I. 1937 (Heidelberg) Paula Helene Maria, geb. Tyrell, Dr. med. (1905–1963)
II. 1964 (Heidelberg) Ingrid, geb. Zischka, Dr. med. (1929–2007)
Eltern: Vater: Johann (1871–1918), Kaufmann
Mutter: Elisabeth, geb. Tobias (1879–1907)
Geschwister: ein älterer Bruder
Kinder: 4;
Hildegard (Hilda), verh. Bräutigam, (geboren 1938), Dr. med.,
Irene (Reni), verh. Böhmer (geboren 1940),
Helmut (Heio, geboren 1942), Dr. med.,
Hans (geboren 1944), Dr. med.
GND-ID: GND/1012566900

Biografie: Alexander Kipnis (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 5 (2013), 18-22

Becker wurde im damals österreichisch-ungarischen Banat geboren, wo vom zweiten Viertel des 18. Jahrhunderts an deutsche Kolonisten, auch Elsässer und Lothringer wie Beckers Vorfahren, siedelten. Sein Geburtsort Billed wurde 1765 als deutsches Dorf gegründet. Beckers Mutter starb als er nur zwei Jahre alt war. 1912 zog sein Vater ins ebenfalls 1765 gegründete Groß-Sankt-Nikolaus, das 1942 zur Stadt wurde. Dort begann Beckers Schulausbildung. Beim Ausbruch des I. Weltkriegs wurde sein Vater eingezogen und starb 1918 an einem „Frontleiden“, wodurch der 13-jährige Becker als Vollwaise in die Wirren der Nachkriegszeit geriet. 1919, der größere Teil des Banats war inzwischen rumänisch, wurde Becker rumänischer Staatsangehöriger. 1919 wurde die deutsche Mittelschule in Temeswar, der Hauptstadt der Region, eröffnet, die Becker dank der Unterstützung von Verwandten abschließen konnte. Dort trat er auch der 1921 entstandenen „Deutsch-Schwäbischen Volksgemeinschaft“ bei.
Sein Vormund in Deutschland wollte, dass Becker Wirtschaftswissenschaft studiere. Becker bezog im Herbst 1922 die 1919 gegründete Handelshochschule in Nürnberg und erwarb im Sommer 1925 das kaufmännische Diplom. Unterdessen hatte er als „Werk-Student“ genügend gespart, um seinem Wunsch zu folgen und Medizin zu studieren. Zuerst aber musste er im Schuljahr 1925/26 das Abitur am „Frank-Deak“-Realgymnasium im Budapester Stadtteil Kleinpest ablegen, bevor er sein Medizinstudium an der dortigen Universität begann. Schon im zweiten Semester ging er nach Heidelberg, „der Stadt, die seit dieser Zeit meine zweite und wirkliche Heimat wurde“ (Becker, Lebensbeschreibung, UA Heidelberg, PA 831, S. 97). Bezeichnenderweise liest sich im Immatrikulationsgesuch: „Ich bin Auslandsdeutscher aus dem von den Rumänen besetzten Gebiet Ungarns und möchte daher meine Hochschulstudien an einer reichsdeutschen Universität absolvieren“ (UA Heidelberg, Studentenakte Becker, Oktober 1926). In Heidelberg machte Becker sein Physikum und schloss sein Studium ab; die klinischen Semester hatte er in Berlin und Wien verbracht.
Die praktische Ausbildung nach dem Staatsexamen absolvierte Becker an verschiedenen Krankenanstalten, bis März 1934 an der Chirurgischen Abteilung im Wormser Städtischen Krankenhaus, vom April 1934 bis Oktober 1936 an der Frauenklinik der Universität Heidelberg, dann noch fast ein Jahr an der Städtischen Frauenklinik Wiesbaden, bis er im September 1937 an der Universität Heidelberg am Samariterhaus, der Klinischen Abteilung des 1906 von Vinzenz Czerny gegründeten Krebsinstituts, seit 1942 Czerny-Krankenhaus genannt, begann. Im November 1936 hatte Becker, damals Assistent an der Frauenklinik, die Promotionsprüfung mit „Frauenheilkunde“ im Hauptfach und „Innerer“ und „Gerichtlicher Medizin“ als Nebenfächern bestanden. Seine Doktorarbeit, so das Gutachten des Direktors der Frauenklinik Hugo Kleine (1898–1971), „ist mit Fleiß und großem Verständnis für die gegebenen klinischen und wissenschaftlichen Fragestellungen angefertigt worden“ (UA Heidelberg, H-III-862/74).
Seit der Einstellung am Samariterhaus widmete sich Becker ausschließlich der Strahlenheilkunde. Hier lernte er die Ärztin Paula Tyrell kennen, die ihn während der harten Jahre 1945 bis 1947 als Vertragsassistentin in der Klinik vertrat. Anfang 1940 legte Becker seine Habilitationsschrift vor, in der er alle von 1906 bis 1939 im Samariterhaus stationär behandelten Tumorkranken, insgesamt 6656 Fälle, statistisch nach verschiedenen Gesichtspunkten bearbeitet hatte und herausfand, dass nach 5 Jahren bei 10,9 Prozent der bestrahlten Kranken eine Symptomfreiheit erreicht wurde. Das war die erste Zusammenfassung der Bestrahlungserfolge in der damaligen Literatur; wie M. Kirschner als Gutachter schrieb, „ist die Arbeit wissenschaftlich äußerst wertvoll“ (UA Heidelberg, PA 831, S. 25).
Es mag angesichts der Umstände der harten Jugendzeit Beckers nicht ganz verwundern, dass der „Volksdeutsche“ bereits im Mai 1933 der NSDAP beitrat; damals erwarb er auch die deutsche Staatsangehörigkeit. In der Universität fungierte er fortan als „politischer Leiter“ und „Zellenleiter der klinischen Krankenanstalten“ (PA 831, S. 17). Zeit- und parteigebunden betrachtete Becker in seiner Habilitationsschrift auch die Rolle der Rasse bei Krebskrankheiten und fand „deutlich die Unterschiede in der prozentualen Verteilung der Tumorlokalisation bei Ariern und Juden“ (UB Heidelberg, 90 U 132, S. 18). Nicht erzwungenes Zeichen seiner Parteitreue ist gewiss auch der Artikel „Maligne Tumoren bei Juden“, den er der Zeitschrift des NS-Ärztebundes vorgelegt hatte; zu seinem Glück wurde dieser Artikel nicht publiziert. Ungeachtet all der Demonstrationen von Regimetreue blieb Becker vor allem aber der einfühlsame Arzt und zuverlässige Mensch. Der Hippokratische Eid rangierte bei ihm fraglos höher als die NS-Ideologie. Entsprechend wurde bezeugt, dass Becker während des Kriegs „die kriegsgefangenen Verwundeten der alliierten Nationen und nach Deutschland verschleppte Fremdarbeiter im Lazarett mit größter Sorgfalt und Fürsorge ärztlich betreut hat“ (PA 831, S. 91).
Die damaligen Verordnungen trennten Habilitation und Ernennung zum Dozenten. Becker hoffte, auch das zweite Verfahren in wenigen Monaten zu erledigen. Im Juli 1940 stimmte die Fakultät seinem Antrag auf Zulassung zur Lehrprobe zu. Becker wurde dann aber einberufen und musste den Antrag drei Jahre später wiederholen, für die Probevorlesung bekam er „Sonderurlaub“. Zum Dozenten wurde Becker erst im April 1944 ernannt, übrigens – durchaus zeittypisch – unter der Maßgabe, dass er die Teilnahme an einem Lehrgang im „Reichslager für Beamte nach Beendigung des Krieges“ nachholt (PA 831, S. 65).
Im Militärdienst war Becker erst Sanitäts-Soldat, dann nach der Grundausbildung im Februar 1941 Unterarzt und bis Januar 1942 bei verschiedenen Luftwaffen-Lazaretten eingesetzt. Dann wurde er für drei Monate an die Luftkriegsschule in Dresden zum Offiziers-Lehrgang abkommandiert. Seine Beurteilung: Becker „ist von offenem, hilfsbereitem Wesen […]Er ist eifrig, strebsam und fleißig […] Geistig […]weit über Durchschnitt. Gute Auffassungsgabe verbindet er mit klaren Gedanken und der Fähigkeit, […] seinen Gedankengängen regen Ausdruck zu verleihen […]Körperlich ist er wenig gut veranlagt. […]“ (UA Heidelberg, PA 6537, S. 323). Aufgrund dieser Beurteilung sowie vertraulich angefragter Auskünfte aus Heidelberg und aus den Lazaretten, wo er gedient hatte, wurde Becker zum Sanitäts-Offizier befördert – zunächst zum Assistenzarzt, ab Januar 1944 zum Stabsarzt. Er war als Abteilungsarzt in mehreren Lazaretten und als Truppenarzt von September 1942 bis Dezember 1943 an der Ostfront eingesetzt. Letzter dokumentierter Aufenthalt war im Sommer 1944 ein Lazarett der Luftwaffe in Budapest.
Nach dem Zusammenbruch und vier Monaten in einem Lager für Kriegsgefangene wurde Becker als Parteimitglied durch die amerikanische Militärregierung aus der Heidelberger Universität entlassen und trotz mehrfacher Anträge der Fakultät zog sich das Entnazifizierungsverfahren hin: Zunächst hatte die Spruchkammer in Heidelberg Becker als „minderbelastet“ beurteilt, was einem Dienstverbot gleichkam. Sein Widerspruch brachte die Spruchkammer dann im Februar 1947 zum Urteil „Mitläufer“, Becker wurde, im August 1947, zunächst „jedoch ohne Lehrberechtigung“ (PA 6537, S. 348), wieder eingestellt. Nach Anerkennung des Spruchkammerurteils durch die Militärregierung wurde er auch wieder Dozent.
Fortan entfaltete Becker die seinem Wesenszug entsprechende große Aktivität in der Klinik. Seine Karriere spiegelt die Erfolge: 1949 Leiter der Klinischen Abteilung mit dem Titel Professor, 1955 ao. Professor und Beamter auf Lebenszeit, 1956 alleiniger Direktor des Czerny-Krankenhauses, das seit 1934 durch ein Direktorium aus den Ordinarien für Chirurgie, Dermatologie und Gynäkologie geleitet gewesen war, 1958 persönlicher Ordinarius, 1962 o. Professor und Dekan.
Becker las jedes Semester 2 Wochenstunden „Klinische Strahlentherapie“, der Kurs gehörte ab Wintersemester 1954/55 als „Medizinische Strahlenkunde“ zum Pflichtpensum. Den Schwerpunkt legte Becker immer auf die klinische Tätigkeit. Zwei Grundzüge sind dabei zu erkennen: Beckers Gespür für neue Tendenzen in der Radiologie und seine Fähigkeit, gute Mitarbeiter um sich zu versammeln. Als ersten gewann er K. E. Scheer, mit dem er eine „Isotopen-Medizin“, d.h. die Anwendung künstlicher radioaktiver Elemente in Therapie und Diagnostik, auszubauen begann. Becker, berichtete Scheer später, „hat […] alles in seinen Kräften Stehende getan, um diesen neuen Zweig der Strahlenmedizin zu fördern. Er ist unzählige Male nach Bonn gefahren, um Geldmittel zu erbitten für den Aufbau [… der]Nuklearmedizin […], ohne seine Aktivität […]wäre eine nuklearmedizinische Abteilung […] nicht so bald entstanden“ (UA Heidelberg, Acc 11/10); sie wurde auf Antrag Beckers 1962 eingerichtet.
Schrieben beide 1954 noch, dass radioaktive Isotopen „grundsätzlich […] einen Fortschritt bedeuten“ (Becker u. Scheer, 137), so konnte Becker bereits 1959 die neue Zeitschrift „Nuclearmedizin“ gründen, deren Mitherausgeber er bis kurz vor sein Lebensende blieb, da die „Fortschritte“ recht beeindruckend waren. Mit gleichem Elan setzte sich Becker auch für andere Methoden der Strahlentherapie ein. So gelang es ihm, das erste in Deutschland gebaute Betatron (Elektronenbeschleuniger) für seine Klinik zu erwerben. Mit diesem Gerät eröffneten sich zwei Möglichkeiten: die Behandlung nicht tief liegender Tumoren durch schnelle Elektronen und die Behandlung tiefliegender Tumoren durch im Betatron erzeugte ultraharte Röntgenstrahlen. Bereits 1957, drei Jahre nach der Inbetriebnahme des Apparats, veranstaltete Becker ein internationales Symposium über Betatron-Therapie, das weltweite Resonanz fand. Dem Betatron folgte, nach fast fünfjährigen Bemühungen, das „Gammatron“ mit einer Kobaltquelle von 2000 Curie, was der Radiummenge von 3 kg entspricht. Das Gerät wurde 1958 in einem speziellen Strahlenschutzbunker eingerichtet. Becker erwartete besondere Erfolge von den Methoden der „Megavolttherapie“, wie er das Gesamtgebiet bezeichnete, in dem ultraharte Strahlen und hochenergetische Teilchen für die Krebsbehandlung zum Einsatz kommen. Denn damit ist eine genaue Lokalisation der Behandlung möglich. Becker berichtete 1970 von mehr als 17000 Kranken, die seit 1954 in seiner Klinik mit den Methoden der Megavolttherapie behandelt worden waren, und konnte bedeutende Vorteile dieser Methoden aufzeigen.
Mit Anfang des Atomzeitalters, also den 1950er- Jahren, häuften sich die Fälle von Strahlenkrankheit, damals „akutes Strahlensyndrom“ genannt, der die Medizin zunächst ohnmächtig gegenüberstand. Auch das erweiterte Beckers Arbeit. Themen wie die Prüfung neuer Analgetika bei Krebskranken gehörten gleichermaßen dazu. Eine Eigenart seines Fachs sah Becker auch darin, „dass die Radiologie in diagnostische und therapeutische Bereiche anderer Disziplinen eingreift und auf eine fachkundige und verständnisvolle Zusammenarbeit mit diesen Disziplinen angewiesen ist“ (1967, Betrachtungen, 1129). Er selbst beherrschte die interdisziplinäre Kooperation meisterhaft, auch wenn er immer bestrebt blieb, die Patienten persönlich zu behandeln, sie nicht zum Objekt der Technik werden ließ.
„Seine Dynamik, sein unerschütterlicher Optimismus und seine Fähigkeit, seine Mitarbeiter zu motivieren […], haben ihn zu einer überragenden Persönlichkeit der Radiologie gemacht“, urteilte K. E. Scheer (UA Heidelberg, Acc 11/17). Zwölf seiner Mitarbeiter habilitierten sich unter Beckers Anleitung und vier wurden o. Professoren. Auch drei seiner Kinder wurden Mediziner, die beiden Söhne Radiologen.
Ein bemerkenswertes Ergebnis des Wirkens von Becker war die Umwandlung der Czerny-Klinik in das international anerkannte Zentrum für Strahlenmedizin. Nach dem Krieg hatte die Klinik nur drei Mitarbeiter. Als sie 1964 auf Beckers Antrag in „Universitäts-Strahlenklinik (Czerny-Krankenhaus)“ umbenannt wurde, arbeitete sie in den Abteilungen Strahlentherapie, Röntgendiagnostik, Nuklearmedizin, Strahlenbiologie, Strahlenphysik und Strahlenschutz und erfreute sich einer hohen internationalen Reputation.
Beckers Leistung war vor allem die des Lehrers und Organisators. Der Wissenschaftler trat hinter dem Arzt zurück: Sein Ansatz war durchaus pragmatisch; denn wenn auch bis heute viele theoretische Probleme der Strahlentherapie nicht geklärt sind, meinte er, „darf der Kliniker nicht länger warten und muss seinem Patienten die zurzeit besten zur Verfügung stehenden Möglichkeiten für eine Behandlung anbieten“ (1959, Entwicklung, 1339). Misserfolge nahm er in Kauf; denn der erfahrene Radiologe „weiß, dass er bei sachgemäßer Anwendung über ein Heilmittel verfügt, mit dem er Schwerkranken auch dann noch helfen kann, wenn andere Mittel versagen“ (1966, Strahlentherapeutische Behandlung, 363). Das aus Beckers 260 Publikationen, oftmals Variationen eines Themas, ersichtliche Hauptanliegen war, die Bedeutung der Strahlenmedizin medizinischen wie nichtmedizinischen Kreisen zu vermitteln und deren Anerkennung als selbständiges klinisches Fach zu vertiefen. Dazu hat er erfolgreich beigetragen.
Quellen: UA Heidelberg Studentenakten Becker, H-III-862/74, Nr. 11, Promotionsakte Becker, PA 831, PA 2587, PA 3240, PA 6536-PA6538, PA 9455, Personalakten Becker, B-3029/13, B-3029/14, Akten des Rektorats, Acc 11/17, Karton1, Gedenkrede K. E. Scheers über Becker; Auskünfte des StadtA Ludwigshafen u. des StadtA Heidelberg vom 31.1. u. 1.2.2013.
Werke: (Auswahl) Über multiple primäre Krebsbildungen, in: Monatsschr. für Krebsbekämpfung 8, 1940, 169-176; Klinischer Erfolgsbericht über das stationäre Beobachtungsgut d. Jahre 1906 bis 1939 des Heidelberger Krebsinstitutes, in: Strahlentherapie 72, 1943, 351-403; Cholinum chloratum als selbständiges Chemotherapeutikum bei malignen Tumoren, in: Zs. für Krebsforschung 56, 1948/50, 171-175; (mit K. J.Wulff ) Klinische Erfahrungen mit dem Analgeticum Amidon „Hoechst“, in: Medizin. Klinik 44, 1949, 705-707; Ein Überblick über die Entwicklung d. Röntgentherapie des zahnärztl. Fachgebietes bei gutartigen Erkrankungen, in: Stoma 2, 1949, 299-305; (mit Th. Franke) Die Behandlung d. Arthrosis deformans mit kombinierten Injektionen von Desoxycorticosteronacetat u. 1-Ascorbinsäure, in: Medizin. Klinik 45, 1950, 1094-1096; (mit K. E. Scheer) Radiokobalt als plastisches Präparat zur Strahlenbehandlung, in: Strahlentherapie 85, 1951, 561-588; (mit dems.) Strahlentherapeut. Anwendung von radioaktivem Kobalt in Form von Perlen, ebd. 86, 1951, 540-547; (mit O. Bundschuh) Klinischer Bericht über Dromoran „Roche“ (Analgeticum Ro 1–5431), ebd. 47, 1952, 846-848; (mit K. E. Scheer) Fortschritte auf den Gebiet d. Radiochirurgie mit radioaktiven Isotopen, in: Ärztl. Forschung 6, 1952, I/ 249–I/ 257; (mit K. E. Scheer u. A. Kübler) Ein neues Strahlenmessgerät mit einer biegsamen Kristallmesssonde u. seine Anwendung in d. Klinik, in: Strahlentherapie 88, 1952, 34-43; (mit K. E. Scheer) Ein neues therapeutisches Anwendungsprinzip radioaktiver Isotope in geschlossenen elastischen Applikatoren, ebd. 90, 1953, 546-552; (mit K. E. Scheer) Radioaktive Isotope in d. Diagnostik u. Therapie d. Geschwulstkrankheiten, in: Der Krebsarzt 9, 1954, 129-138; Beispiele lokalisierter Anwendung radioaktiver Isotope in d. Krebstherapie, in: K. Fellinger u. H. Vetter (Hgg.) Radioaktive Isotope in Klinik u. Forschung, 1955, 149-159; Lokalisations- u. Einstelltechnik bei dem 15-MeV-Siemens-Betatron, in: Strahlentherapie 97, 1955, 202-210; (mit R. Blöch u. F. Wachsmann) Dosisverteilung bei Kreuzfeuer- u. Bewegungsbestrahlung beim Betatron, ebd. 98, 1955, 297-307; Klinische Erfahrungen mit dem Betatron, in: Dt. medizin. Wochenschrift 80, 1955, 920-923; (mit K. E. Scheer) Die Internationale Genfer Atomenergie-Konferenz in ärztlicher Sicht, ebd., 1545-1547; (dems.) Die radioaktiven Isotope in d. Geburtshilfe u. Gynäkologie, 1956; Zum fünfzigjährigen Bestehen des Czerny-Krankenhauses für Strahlenbehandlung, in: Ruperto Carola 20, 1956, 109-111; (mit G. Wetzel u. C. R. von der Decken) Die Gittermethode bei d. Strahlenbehandlung mit schnellen Elektronen, in: Strahlentherapie 99, 1956, 213-220; (mit K. E. Scheer) Klinische Betrachtungen zur Isotopenbehandlung d. Karzinome des Verdauungstraktes, ebd. 100, 1956, 184-191; (mit Th. Fliedner) Aufgaben u. Erkenntnisse d. Strahlenhämatologie, in: Medizin. Klinik 52, 1957, 264-273; (mit dems.) Voraussetzungen u. Möglichkeiten d. Therapie von Strahlenschäden, ebd., 1456-1468; (Hg. u. Mitverfasser mit K. E. Scheer) Betatron u. Telekobalttherapie, 1958; (mit K. E. Scheer) Nutzen u. Schaden d. Anwendung radioaktiver Isotope in d. Medizin, in: Medizin. Klinik 53, 1958, 1203-1208; Klinische Erfahrungen mit ultraharten Röntgenstrahlen u. schnellen Elektronen, in: Strahlentherapie 106, 1958, 85-95; Aktuelle Probleme d. Strahlenmedizin, in: Ruperto Carola 23, 1958, 169f.; Das neue Kobalt-Fernbestrahlungsgerät d. Medizin. Fakultät Heidelberg, ebd., 171f.; Entwicklung d. Therapie mit energiereichen Strahlen, in: Medizin. Klinik 54, 1959, 1337-1339; (mit H. Kuttig) Die tangentiale u. schalenförmige Pendelbestrahlung mit Gammastrahlen des Kobalt 60, in: Strahlentherapie 108, 1959, 17-22; (mit K. E. Scheer) Die Hypophysenausschaltung bei fortgeschrittenem Karzinom, in: Strahlenforschung u. Krebsbehandlung, hgg. von Hans Meyer u. Josef Becker, 1959, 130-136; (mit H. Ebner u. K.-H. Kärcher) Neue Möglichkeiten zum Studium d. klinischen Strahlenwirkung, in: Strahlentherapie 109, 1959, 357-373; (mit K. zum Winkel u. K. E. Scheer) Erfahrungen mit d. Isotopen-Nephrographie, in: Die Medizin. Welt, 1960, 576-581; (Hg. mit G. Schubert) Die Supervolttherapie: Grundlagen, Methoden u. Ergebnisse d. Therapie mit energiereichen Teilchen u. ultraharten Strahlen, 1961; (mit K. H. Kärcher) Die Bedeutung d. klinischen Strahlenpathologie, in: Strahlentherapie 118, 1962, 2-9; (mit F. Kleibel u. K. zum Winkel) Die endoperikardiale Anwendung von radioaktivem Goldkolloid, ebd., 204-212; (mit H. Kuttig u. H.-J. Frischbier) Erfahrungen u. Ergebnisse in d. Strahlentherapie des Bronchuskarzinoms, ebd. 326-340; (mit K. zum Winkel u. G. Schubert) Funktionaldiagnostische u. morphologische Studien über die Sublimatniere u. Aminonukleosidnephrose d. Ratte u. deren strahlentherapeutische Beeinflussung, ebd.,119, 1962, 4-22; (mit K. zum Winkel) Anwendung d. Strahlenheilkunde auf dem HNO-Gebiet, in: Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Ein kurzgefasstes Handbuch, Bd. 1: Obere u. untere Luftwege, hgg. von R. Link, 1964, 886-932; Aufgaben des modernen Strahlenklinikers, in: Strahlentherapie 124, 1964, 7-15; Radioaktive Isotope in d. Krebsforschung, in: Die Medizinische, 1964, Nr. 18, 639-642; Zur Entdeckung d. Röntgen-Strahlen vor 70 Jahren, in: Ruperto Carola 38, 1965, 217-225; (mit H.-J. Frischbier) Die Strahlentherapie im Kinderalter, in: H. Opitz, F. Schmid (Hgg.) Handbuch d. Kinderheilkunde, Bd. II/2, 1966, 588-604; Strahlentherapeutische Behandlung fortgeschrittener Malignome, in: Wiener klinische Wochenschr. 78, 1966, 360-363; (mit K. H. Kärcher u.F. Kleibel) Die zusätzliche Behandlung u. Verlaufsbeobachtung während d. Strahlentherapie u. cytostatischen Behandlung, in: Der Radiologe 6, 1966, 169, 175; Betrachtungen über den Standort d. klinischen Radiologie. Zum Geleit, in: Die Therapiewoche 17, 1967, 1129-1131; (mit E. Jahns) Ein Ganzkörperzähler-System für universelle klinische Anwendung, ebd., 1155-1160; (Hg. u. Mitverfasser) Klinische Radiologie. Eine Einführung für Ärzte u. Studierende, 1968; Megavolttherapie – Indikationen u. Ergebnisse, in: Strahlentherapie 139, 1970, 261-270. – Mithg.: Strahlentherapie 1956–1983, Nuclearmedizin 1959–1982), Zentralblatt für die gesamte Radiologie 1955–1982)
Nachweis: Bildnachweise: UA Heidelberg, Studentenakten Becker (Foto ca. 1928); Pos I 00159, Pos I 00160, Pos I 00180 Photos 1965–1968), Pos I 06230, Pos I 06289 (Gruppenfotos, 1968); Heidelb. Tageblatt vom 6.7.1965, 3; Strahlentherapie 150, 1975, 1; Chronik d Ärzte Heidelbergs, 1985, 152.

Literatur: K. H. Kärcher, Professor Josef Becker 60 Jahre alt, in: Heidelb. Tageblatt vom 6.7.1965, 3 (mit Bildnachweis); Herbert Gawliczek, Report über die Institute, Kliniken u. Abteilungen d. Medizin. Fakultät d. Univ. Heidelberg, 1967, 116-118; H. Kuttig, Josef Becker 70 Jahre alt, in: Ruperto Carola H. 55/56, 1975, 208f.; K. zum Winkel, Josef Becker 75 Jahre, ebd., H. 65/66, 1981,176; D. Petzoldt, Josef Becker †, ebd., H. 69, 1983, 297; Anton Peter Petri, Biogr. Lexikon des Banater Deutschtums, 1992, 104f.; D. Drüll, Heidelberger Gelehrtenlexikon 1933–1986, 2009, 101f.
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