Hartenstein, Gustav 

Geburtsdatum/-ort: 03.11.1864;  Cannstatt
Sterbedatum/-ort: 03.12.1926;  Ludwigsburg
Beruf/Funktion:
  • Oberbürgermeister von Ludwigsburg
Kurzbiografie: Lateinschule und Lyzeum in Cannstatt
Seit 1878 Ev.-theologische Seminare in Schöntal und Urach
1882–1883 Einjährig-Freiwilliger beim 2. Württ. Feldartillerie-Regiment Nr. 29 (Unteroffizier der Reserve)
1883–1884 Studium der Philologie an der Univ. Tübingen
1884–1888 Studium der Rechtswiss. an den Univ. Tübingen (Mitglied der Turnerschaft Hohenstaufia) und Berlin; Promotion zum Dr. jur.
1885 Vizewachtmeister der Reserve
1888 1. Juristische Dienstprüfung
1889 Sekondeleutnant der Reserve
1892 2. Juristische Dienstprüfung
1892–1893 Referendär I. Klasse (Assessor), Verwendung als Hilfsrichter bei verschiedenen württ. Amtsgerichten und als Hilfsarbeiter bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart; Studienreisen nach England und in die Schweiz
1893 Vorsitzender des Gewerbegerichts und stellv. Vorsitzender des Gemeindegerichts Stuttgart; längere Zeit auch Leiter des dortigen städtischen Arbeitsamtes
1896 Premierleutnant der Reserve
22.7.1897 Wahl zum Oberbürgermeister von Ludwigsburg
1906 Abgeordneter der Ev. Landessynode des Bezirks Marbach
1907–1913 Ständisches Mitglied des württ. Staatsgerichtshofes; Aufsichtsratsvorsitzender des württ. Industriekohlenvereins; Vorstandsmitglied des Arbeitgeberverbandes württ. Gemeinden; Mitglied des Disziplinarhofs für Körperschaftsbeamte; Mitglied des Aufsichtsrats der Neckarwerke AG Esslingen
seit 1908 Schriftleiter der württ. Gemeindezeitung; Ausschussmitglied des Vereins württ. Körperschaftsbeamten; Mitglied des Verwaltungsrats der Pensionskasse für Körperschaftsbeamte
1913–1918 Abgeordneter im württ. Landtag (zunächst Mitglied des Justizausschusses, dann des Ausschusses für innere Verwaltung)
1914 Freiwillige Meldung zum Kriegsdienst und bis 1917 Dienst bei der Feldartillerie in der Garnison Ludwigsburg (26 Monate) und im Feld (3 Monate)
1915 Hauptmann der Landwehr
1919/1920 Mitglied der Verfassunggebenden Landesversammlung Württemberg (Mitglied verschiedener Ausschüsse, u. a. stellvertretender Vorsitzender des Finanzausschusses)
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Auszeichnungen: Ehrungen: Ritterkreuz 1. Kl. des Friedrichsordens, Ritterkreuz des Ordens der Württ. Krone, silberne Hochzeitsmedaille (1911), silberne Karl-Olga-Medaille, Wilhelmskreuz mit Schwertern, Eisernes Kreuz 2. Kl., Landwehr-Dienstauszeichnung 2. Kl.; Ehrenmitglied des Historischen Vereins für Ludwigsburg und Umgegend (jetzt: Historischer Verein für Stadt und Kreis Ludwigsburg e. V.).
Mitgliedschaften: Mitgliedschaften: Politisch stand Hartenstein in den 1890er- Jahren der nationalsozialen Bewegung Friedrich Naumanns nahe. Hartmann war Mitglied der Volkspartei bzw. seit 1910 der Fortschrittlichen Volkspartei und seit Ende 1918 der Deutsch Demokratischen Partei.
Verheiratet: 1896 Fanny, geb. Demmler (1868–1955)
Eltern: Vater: Karl Hartenstein (1825–1887), Kommerzienrat und Landtagsabgeordneter
Mutter: Maria, geb. Zahn (1833–1882)
Geschwister: 4
Kinder: 5: Hans; Max; Werner; Grete; Lore
GND-ID: GND/1012574385

Biografie: Wolfgang Läpple (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 2 (2011), 110-112

Als Oberbürgermeister Heinrich von Abel (1825–1917), der 33 Jahre die Geschicke Ludwigsburgs gelenkt hatte, im Jahre 1897 altershalber aus seinem Amt ausschied, folgte ihm Hartenstein nach. Während seiner beinahe 30 Jahre dauernden Tätigkeit als Oberbürgermeister, die in eine Zeit großer politischer und gesellschaftlicher Veränderungen fiel, erhielt Ludwigsburgs Gemarkung durch die Eingemeindung von Eglosheim (1901), Pflugfelden (1903), Oßweil (1922), Hoheneck (1926) und des Salongebietes (1907) bedeutenden Zuwachs. Auch das Stadtbild veränderte sich nachhaltig: Im Westen entstand ein neuer Stadtteil mit zahlreichen Industrieansiedlungen. Straßennetz, Kanalisation, Gas-, Elektrizitäts- und Wasserversorgung wurden erweitert bzw. verbessert. Der Anschluss an die Landeswasserversorgung und die Korrektion des Tälesbaches erfolgten ebenfalls in jenen Jahren, die vor allem durch eine rege Bautätigkeit gekennzeichnet waren. Damals entstanden auch ein modernes Bezirkskrankenhaus, das Stadtbad, seinerzeit eines der schönsten in Süddeutschland, sowie mehrere Schulgebäude (u. a. Gymnasium). Gaswerk, Schlachthof, Feuerwehrwesen wurden modernisiert und der Neue Friedhof vergrößert. Das 1907 eröffnete Heilbad Hoheneck nahm einen enormen Aufschwung, der allerdings durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges jäh unterbrochen wurde. Wichtig für die Zukunft waren auch die umfangreichen Grunderwerbungen zur Ansiedlung von Industrie und zur Errichtung von Wohnbauten. Die Eröffnung der Bahnlinie nach Markgröningen, der Bau von Güterbahnhof und Industriegleis in der Weststadt sowie die Ludwigsburger Oberleitungsbahnen („Gleislose elektrische Straßenbahn“) und später die entsprechenden Kraftwagenverbindungen verbesserten die Verkehrsinfrastruktur wesentlich. Auch im Schul- und Bildungswesen wurde vieles getan. So erfolgte damals beispielsweise der Ausbau von Gymnasium und Oberrealschule zu Vollanstalten. Besonders lagen Hartenstein Armen- und Fürsorgeangelegenheiten am Herzen: u. a. förderte er auch den Bau gesunder Arbeiterwohnungen.
Die Zeit des Ersten Weltkrieges stellte das Stadtoberhaupt auf eine harte Probe, hatte es doch neben der zivilen Tätigkeit als Oberbürgermeister auch als Reserve- bzw. Landwehroffizier militärische Pflichten zu erfüllen. Insbesondere galt es, in jenen Jahren die Lebensmittelversorgung und die vielen Einquartierungen des Militärs in der Stadt sicherzustellen. Nach dem Ersten Weltkrieg war es notwendig, den Wandel von der einstigen Militär- und Beamtenstadt zu einer zeitgemäßen Industriestadt zu vollziehen. Diese enorme Arbeitsbelastung in den schweren Kriegs- und Nachkriegsjahren ging an Hartenstein nicht spurlos vorüber. In seinen letzten Lebensjahren war er gesundheitlich angeschlagen (seit 1922 litt er unter starkem Asthma). Trotzdem erfüllte er bis zu seinem frühen Tod – er starb an einem Schlaganfall – seine Amtspflichten gewissenhaft und mit großem Arbeitseinsatz. Wegen seiner liebenswürdigen Art und seiner besonderen Fähigkeit, auch bei entgegengesetzten Meinungen einen Ausgleich zu finden, genoss er in allen politischen und gesellschaftlichen Kreisen gleichermaßen hohes Ansehen.
Gemeinderat Dr. Oscar Walcker in seinem Nachruf: „Wahre Demokratie war Dr. Hartensteins innerstes Wesen. Deshalb kommt auch die Trauer der Bürger aus tiefster Seele. Mit seinem Wirken und seinem Schaffen ist er in Ludwigsburg verankert …“
An dieses weitsichtige und für die Entwicklung Ludwigsburgs bedeutsame Wirken des einstigen Oberbürgermeisters, das bis auf den heutigen Tag unvergessen ist und zahlreiche Spuren hinterlassen hat, erinnert die Hartensteinallee im Süden der Stadt.
Quellen: HStAS M 430/ 3 Bü 4159; StAL F 181 III Bü 34; StadtA Ludwigsburg L 2 (Akten des 19. Jh.); L 3 (Akten des 20. Jh.); L 150 (Gemeinderatsprotokolle); S 31 (Zeitungsausschnitte und einzelne Zeitungsnummern) SF 2. 4. 2. 2. (u. a. 25jähriges Amtsjubiläum, Nachrufe).
Werke: Die neue Bauordnung. Auszug aus einem Vortrag von Hartenstein in der Versammlung des Bezirksvereins württ. Körperschaftsbeamten in Ludwigsburg am 4. Juli 1911, 1911; [Hg.] Gemeindesteuerrecht für Württemberg, 1921.
Nachweis: Bildnachweise: StadtA Ludwigsburg S 15 (Foto- und Bildsammlung).

Literatur: Hans [Hartenstein], Erinnerungen an meinen Vater Gustav Hartenstein und an meine Jugendzeit für meine Kinder, Nichten und Neffen aufgeschrieben. Typoskript um 1940, 89 Bl.; Oscar Paret, 250 Jahre Ludwigsburg, 1704–1954, 1954, 85, 96; Josef Weik, Der Landtag von Baden-Württemberg und seine Abgeordneten von 1952–1988, 4. erg. Aufl., 1988, 311; Hans Hartenstein, Erinnerungen an Gustav Hartenstein, Oberbürgermeister in Ludwigsburg, in: Ludwigsburg. Erinnerungen aus Stadt und Kreis 1897–1997, hg. vom Historischen Verein für Stadt und Kreis Ludwigsburg e. V. 1997, 59–70; Gustav Hartenstein, in: Raberg, Biogr. Handbuch, 319f.
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