Goldmann, Konrad Elchanan Michal (Conrad) 

Geburtsdatum/-ort: 20.03.1872; Tukum, Kurland (Lettland)
Sterbedatum/-ort: 15.07.1942; Drancy, bei Paris
Beruf/Funktion:
  • Ingenieur, Fabrikbesitzer, Zionist, Mäzen, Opfer des NS-Regimes
Kurzbiografie: ca. 1894 –1900 nach Abitur im Geburtsort (?) Ingenieurstudium an d. Hochschule Mönchengladbach mit Diplom
1900–1907 Berufsausübung an verschiedenen Stellen, dann Übersiedelung nach Freiburg
1913 Gründung d. Draht- u. Kabelwerke Fabrik, DKF, Herstellung von Isolierleitungen u. -röhren, Freiburg, Wenzingerstraße 34
1918 Gründung des „Jüdischen Landwirtschaftsvereins „Der Pflug (Hamachrescha)“ in Freiburg
1919 Kauf des Markenhofs, Burg bei Kirchzarten, u. Gründung des landwirtschaftlichen Lehrguts für zionistische Auswanderer nach Palästina
1920 Bau d. Villa Mozartstraße 30
1925 Einstellung des Lehrguts u. Verkauf an das Ev. Stift
1930 Umstellung d. Produktion unter dem Fabriknamen „Wego-Werke“ auf Doppelkopfhörer u. Kleinmotoren
1931 Auflösung des Vereins „Der Pflug“, 1934 Löschung aus dem Vereinsregister
1932 Schenkung d. Synagogenfenster des Markenhofs an das Kunstmuseum Tel Aviv
1933 Flucht in die Schweiz, dann nach Frankreich
1940 Verhaftung durch die Gestapo u. Deportation nach Drancy
Weitere Angaben zur Person: Religion: isr.
Verheiratet: (Jahr u. Ort unbekannt) Robertine Rachel, geb. Waldbann (1875–1934), seit 1924 getrennt lebend
Eltern: Vater: Mosche Jizchak (Moses Isaak)
Mutter: unbekannt
Geschwister: unbekannt
Kinder: Martin (1901–1935, Selbstmord ?), Ingenieur u. Fabrikdirektor
GND-ID: GND/1012709639

Biografie: Ruben Frankenstein (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 6 (2011), S. 143-145

Die Vita von Goldmann ist infolge der NS-Verfolgung und Auslöschung seiner Familie spärlich und weist große Lücken auf. Er wurde in Tukum im damals russischen Kurland geboren und ist in einem jüdisch-nationalbewussten Elternhaus aufgewachsen. Nach dem Abitur kam er nach Mönchengladbach, um das Ingenieurwesen an der dortigen Hochschule zu studieren, welches er erfolgreich abschloss und anschließend an verschiedenen Stellen praktiziert hat.
1907 übersiedelte Goldmann nach Freiburg und konnte einige Jahre danach seine eigene Fabrik, die „Freiburger Draht- und Kabelwerke“ zur Herstellung von Isolierleitungen und -röhren, in der Wenzingerstraße gründen. Als überzeugter und engagierter Zionist schloss er sich in Freiburg der Zionistischen Ortsgruppe an, die vom Arzt Moses Kaufmann (1858–1911) gegründet worden war. Um junge Leute aus bürgerlichen Kreisen, darunter Abiturienten, Studenten und Jungakademiker, für ein Leben in Palästina vorzubereiten und sie vor allem in die verschiedenen landwirtschaftlichen und handwerklichen Arbeiten einzuführen, gründete er den „Jüdischen Landwirtschaftsverein ,Der Pflugʻ (Hamachrescha)“. Dazu erwarb er aus seinem Privatvermögen den Markenhof in Kirchzarten-Burg und errichtete dort ein landwirtschaftliches Lehrgut mit Hühnerstall, Milchwirtschaft, Gärtnerei, Obstbäumen und sogar einer Schweinezucht. Ferner erwarb er ein Weingut im Kaiserstuhl. Er stellte Ausbilder und Instrukteure für die diversen Fächer ein und bot für jeweils 30 bis 50 dort untergebrachte Eleven Lehrgänge von jeweils ein bis zwei Jahren an. Sein Ziel war es, die jungen Leute zu Bauern auszubilden und nach der Auswanderung nach Palästina auf die Gründung landwirtschaftlicher Siedlungen, Kibbuzim, vorzubereiten. Die Erträge der Fabrik erlaubten es Goldmann, diese großzügigen Einrichtungen von 1919 bis 1925 zu unterhalten. Als er durch die Inflation 1922/23 in finanzielle Schwierigkeiten geraten war, sah er sich schließlich gezwungen, sowohl den Markenhof als auch seine Villa in der Mozartstraße zu verkaufen. Die genaue Zahl der im Markenhof Ausgebildeten ist nicht gesichert; Goldmann gab sie von 300 an, wahrscheinlich dürften es aber nur 150 gewesen sein.
1921 besuchte der Soziologe Arthur Ruppin (1876–1943), der als Leiter des „Palästina Amtes“ die Kolonisation des Landes organisierte, den Markenhof, beriet die Gruppe, die sich zur Gründung eines Kibbuz entschlossen hatte, und ermutigte sie. Diese Markenhof-Absolventen bildeten den Kern eines der ersten Kibbuzim, den deutsche Juden in Palästina in den Jahren 1923 bis 1927 im Jordantal südlich des Sees Genezareth anlegten. Er hieß anfangs „Kewuzat Markenhof“, erlebte dann mehrere Namenswechsel und besteht bis heute unter dem Namen „Bet-Zera“, Haus der Samen, fort.
Das Einzigartige am Markenhof war, dass Goldmann dort eine kleine Synagoge errichten ließ und diese mit einem besonderen Kunstwerk ausstattete: sechs Buntglasfenstern mit Glasmalereien der zwölf Stämme Israels, die der Maler Friedrich Adler (1878–1942) in einem Mischstil zwischen Jugendstil und Art Déco konzipiert hatte. Nachdem Goldmann den Markenhof 1925 an das Ev. Stift verkaufen musste, durfte er dieses Werk abbauen. Er schenkte es 1931 dem von Bürgermeister Meir Dizengoff (1861–1936) gestifteten Kunstmuseum in Tel Aviv. Im Rahmen einer Retrospektive-Ausstellung Friedrich Adler 1994/95 in Laupheim, München, Nürnberg, Leipzig, Hamburg und Chicago wurden die Fenster restauriert und eine Zweitfertigung für das neu entstandene Museum im Schloss Großlaupheim hergestellt. Seitdem sind die Originalfenster im Keller des Tel Aviv-Museums eingelagert während die Kopien in der ständigen Ausstellung in Laupheim zu sehen ist.
Nach der Finanzkrise um 1925 konnte Goldmann seine Fabrik, nun unter dem Namen WEGO-Werke, zusammen mit seinem Sohn Martin, ebenfalls Ingenieur und Direktor, auf die Produktion von Doppelkopfhörern und Kleinmotoren umstellen. Es gelang ihm, die Firma zu konsolidieren und auf Erfolgskurs zu bringen. Die NS-„Machtergreifung“ setzte diesem Aufschwung ein jähes Ende. Der Boykottaufruf des „Alemannen“ vom 1. April 1933 nannte Goldmann samt Privat- und Fabrikadresse, und auch seinen Sohn mit der höhnischen Anmerkung: „Goldmann Martin, nach England geflohen!“. Der Plan, die Firma dem arischen Buchhalter zum Schein zu übertragen und aus einem Büro in London die Geschäfte weiter zu führen, zerschlug sich, als dieser unter den NS-Gesetzen die Firma in eine OHG umwandeln und sich aneignen konnte. In der Verzweiflung über den drohenden Verlust des Familienwerks setzte der Sohn in England 1935 mit größter Wahrscheinlichkeit seinem Leben mit 34 Jahren ein Ende.
Goldmann selbst floh 1933 zunächst in die Schweiz, und von dort nach Frankreich. Den Rat von Freunden, darunter Dr. Chaim Weizmann (1874 –1952), der erste Staatspräsident Israels, nach Palästina zu kommen, vermochte er nicht zu folgen. „In meinem Alter kann ich nur noch durch Anstrengung aller Kräfte mein Brot verdienen“ (Shem Ziv, S. 259) schrieb er aus einem elsässischen Dorf an seine früheren Eleven, die Kibbuz-Mitglieder von Bet-Zera. Kurz danach fiel er in die Hände der Gestapo und ist im Internierungslager Drancy bei Paris umgekommen.
Was überdauerte? Der Kibbuz der Absolventen des von Goldmann geschaffenen Lehrguts Markenhof, Bet-Zera, der erste deutscher Juden in Palästina, 1975 eine von einem Markenhof-Eleven gestiftete Gedenktafel für Goldmann in der Synagoge des Kibbuz BetHaEmek im West-Galiläa und die sechs Buntglasfenster mit Darstellungen der zwölf Stämme Israels, das Meisterwerk Friedrich Adlers, das Goldmann in Auftrag gegeben und später dem Tel Aviv Museum geschenkt hatte. Seit 2005 trägt auch eine Straße in Freiburg seinen Namen.
Quellen: StA Freiburg F196/1/6029, F200/7/729 Konrad u. Martin Goldmann; Ernst Fraenkel, Memories, undatiertes Manuskript, Kibbutz Movement Archives, Yad Tabenkin, Ramat Ef´al, Israel.
Nachweis: Bildnachweise: nicht zu ermitteln

Literatur: Shem Ziv, Die ersten Jahre, in: Bet Zera. 25 Jahre des Kibbuz auf seinem Boden, Bet Zera 1954, (Hebräisch) 259–263; Joseph Walk (Ed.), Pinkas Hakehillot, Germany 2, Württemberg, Hohenzollern, Baden. Yad Vashem, Jerusalem 1986 (Hebräisch); Ulrich Tromm, Der Markenhof bei Freiburg als zionistisches Auswanderungslehrgut 1919–1925, in: Geschichtswerkstatt Heft 15 Mai, 1988, 23–32; Hannah Weiner, Youth in Ferment Within a complacent Community, Zionist Youth Movements and Hechalutz in Germany, Yad Tabenkin, Ramat Ef’al, Israel 1996 (Hebräisch); Ruben Frankenstein, Zionismus in Freiburg im Br., in: Heiko Haumann (Hg.), Der Erste Zionistenkongress von 1897 – Ursachen, Bedeutung, Aktualität, 1997, 239–242; Hermann Althaus, Der Markenhof in Kirchzarten u. seine Synagoge, in: BH 2/2000, 259–267; ders., Hachschara im Markenhof bei Freiburg. Eine Spurensuche, in: Manfred Bosch (Hg.) Alemannisches Judentum. Spuren einer verlorenen Kultur, 2001, 123–139; ders., Von Markenhof bei Freiburg bis Bet Sera im Jordantal. Die Geschichte des ersten Kibbuz deutscher Juden, in: Mitteilungsblatt d. Israeliten Badens Nr. 25 vom September 2003; Andrea Brucher-Lembach, … wie Hunde auf ein Stück Brot. Die Arisierung u. d. Versuch d. Wiedergutmachung in Freiburg, 2004; Ernst Schäll, Friedrich Adler, Leben u. Werk, 2004; Kathrin Clausing, Leben auf Abruf. Zur Gesch. d. Freiburger Juden im Nationalsozialismus, 2005; Julia F. M. Böcker, Hachschara auf dem Markenhof. Vom Zionistischen Auswandererlehrgut zum Kibbutz, unveröff. Hausarbeit am historischen Seminar d. Univ. Freiburg, 2008.
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