Schieler, Fritz Hermann 

Andere Namensformen:
  • Schieler, Friedrich Hermann
Geburtsdatum/-ort: 07.05.1899;  Teningen
Sterbedatum/-ort: 01.06.1970;  Freiburg im Breisgau
Beruf/Funktion:
  • MdL-SPD, Bürgermeister, Verfolgter des NS-Regimes
Kurzbiografie: 1913–1916 Ausbildung zum Schlosser in Denzlingen
1916–1919 Schlosser bei den bad. Staatsbahnen bzw. d. Reichsbahn
1919–1924 Verschiedene Stellen u.a. bei d. Allg. Elektrischen Gesellschaft u. d. Lungenheilstätte Friedrichsheim in Baden
1918 Eintritt in die Gewerkschaft „Transportarbeiterverband“
1919 Eintritt in die SPD, 1964 Ehrenvorsitzender d. SPD-Freiburg
1924–1933 Tätigkeit als Schlosser u. Maschinist bei den Klinischen Anstalten Freiburg im Br.
1925–1933 Gemeinderat in Teningen
1933 Entlassung aus dem Staatsdienst unter Verlust d. Pensionsansprüche gem. „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“
1933 X. 15–1940 Vertreter/Bezirksleiter einer Lebensversicherung
1936–1938 Wegen Vorbereitung zum Hochverrat durch ein Stuttgarter Sondergericht zu 2 Jahren u. 4 Monaten Gefängnis verurteilt; Haft in Freiburg, Bruchsal, Stuttgart u. Ulm; Verlust des Eigenheims in Teningen
1940–1945 Maschinist bei d. Rhodiaseta in Freiburg
1945 Mitbegründer d. SPD in Freiburg u. Südbaden
1945–1946 Abteilungsleiter im städt. Wohnungsamt in Freiburg
1946ff. Leiter des städt. Wohnungsamtes Freiburg; Mitglied des Freiburger Stadtrates
1948–1964 I. Beigeordneter (Bürgermeister) d. Stadt Freiburg, zugleich MdL (Baden dann Baden-Württemberg)-SPD
1956 u. 1961/62 Vertretung des verstorbenen OB W. Hoffmann, später des erkrankten OB J. Brandel
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Auszeichnungen: Ehrungen: Komturkreuz des „Ordre National de la République Malgache“; Ehrenvorsitzender d. SPD Freiburg (1965); Großes Verdienstkreuz des Verdienstordens d. Bundesrepublik Deutschland (1965)
Verheiratet: 1924 (Teningen) Margarete, geb. Greeß (1896–1973)
Eltern: Vater: Friedrich (1848–1904), Schlosser
Mutter: Friederike, geb. Müller (1857–1923)
Geschwister: 2
Kinder: 2;
Lieselotte (1927–1936),
Rudolf (geboren 1928)
GND-ID: GND/101271456X

Biografie: Michael Kitzing (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 5 (2013), 356-359

Nach dem Besuch der heimischen Volksschule erlernte Schieler bei einem Schlosser in Denzlingen den väterlichen Beruf und arbeitete 1916 bis 1919 erst bei den badischen Staatsbahnen, dann der Reichsbahn. Auf einige schnell wechselnde Stellen folgte 1924 die Einstellung als Schlosser und Maschinist bei den Städtischen Kliniken in Freiburg.
Schon 1919 war Schieler in die SPD eingetreten, für die er 1925 in den Gemeinderat von Teningen gewählt wurde, wo er nachdrücklich vor dem heraufziehenden Totalitarismus warnte. Das trug ihm die entschiedene Gegnerschaft des in der örtlichen NSDAP und SA besonders aktiven Fabrikanten Emil Tscheulin ein. Dergestalt aufgefallen wurde Schieler im Sommer 1933 fristlos aus dem öffentlichen Dienst entlassen, was seine Aussicht auf eine neue Arbeitsstelle zunächst ungemein schwer werden ließ. Ein halbes Jahr später kam Schieler als Vertreter bei einer Lebensversicherungsgesellschaft mit deutlich geringeren Bezügen unter.
Da Schieler auch nach der „Machtergreifung“ seiner politischen Überzeugung treu geblieben war und im Untergrund regimekritische Schriften, die aus der Schweiz nach Südbaden eingeschmuggelt waren, verteilte, wurde er 1936 verhaftet und wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu 28 Monaten Gefängnis verurteilt. Nach seiner Haftentlassung war Schieler zunächst noch einmal für die Lebensversicherung tätig. Diese ernannte Schieler sogar zum Gebietsvertreter für ganz Südbaden, womit eine umfangreiche Reisetätigkeit verbunden war. Dies freilich erregte das Misstrauen der Gestapo: Schieler wurde die Tätigkeit als Versicherungsagent untersagt. Auf Druck der Gestapo musste er seine Arbeitsstelle bei der Freiburger „Rhodiaseta“, die Fallschirmseide herstellte und deshalb als kriegswichtig eingestuft war, annehmen. Als „wehrunwürdig“ blieb ihm wenigstens die Einberufung in den Volkssturm erspart.
Unmittelbar nach dem Einmarsch der Franzosen in Freiburg rief Schieler zusammen mit dem Kommunisten Fritz Traub auf einer Versammlung in der Rhodiaseta zum demokratischen Wiederaufbau auf, genauso wie er danach mit Franz Geiler (1879–1948), Philipp Martzloff und Friedrich Leibbrandt (1894–1960) zu den Wiedergründern der SPD in Freiburg und (Süd-)Baden gehörte, auch wenn die Gruppe um Schieler Anfang Januar 1946 sich für den Namen „Sozialistische Partei Land Baden“, SP, entschied. Man wollte so eine erneute „Spaltung in Kommunisten und Sozialdemokraten verhindern [und] ein Angebot an die Kommunisten [machen], diese Partei [die SP] als Plattform für alle Kräfte der Arbeiterbewegung zu nutzen“ (zit. nach: E. Wolfrum, 1986, 74). Die Einheitsbestrebungen in Freiburg und Südbaden gingen sogar so weit, dass es Anfang März 1946 zur Vereinbarung eines Vereinigungs- Abkommens mit der KP kam. Gleichwohl scheiterte dieser Sonderweg; auch die südbadische SP schwenkte spätestens im August/September 1946 auf den betont antikommunistischen Kurs Kurt Schumachers (1895–1952) ein, der zuvor durch seinen Zonenverbindungsmann Günther Markscheffel (1908–1990) öffentlich wie im persönlichen Gespräch u.a. mit Schieler seine Freiburger Parteifreunde scharf kritisiert und vor einem Sonderweg gewarnt hatte. Aber auch bei Mitgliedern der SP waren die Auseinandersetzungen der Weimarer Zeit nicht vergessen und der Gedanke einer Einheitspartei mit Kommunisten auf Vorbehalte gestoßen, genauso wie die Zwangsvereinigung zur SED in Berlin Widerspruch erregte. Endlich nach dem schlechten Abschneiden bei den Kommunalwahlen 1946 wurde das Bekenntnis zum Kurs Schumachers offiziell bekundet; die Umbenennung in Sozialdemokratische Partei erfolgte im November 1946.
Beruflich trat Schieler nun wieder in städtische Dienste, nunmehr als Leiter der politischen Abteilung des städtischen Wohnungsbauamtes, wo übrigens auch die Gründung der Freiburger und der südbadischen SP stattgefunden hatte. Zuerst Abteilungsleiter wurde Schieler bereits nach einem Jahr die Leitung des Amtes übertragen – in das gleiche Jahr fällt die erste Wahl Schielers in den Freiburger Stadtrat. Nach dem Tod von Bürgermeister Franz Geiler 1948 wurde Schieler als dessen Nachfolger zum ersten Beigeordneten und damit Bürgermeister Freiburgs gewählt. Auch als Abgeordneter im Landtag folgte er Geiler nach und war nun in diesen beiden Funktionen unter den Oberbürgermeistern Wolfgang Hoffmann und Josef Brandel für Fragen des Wohnungsbaues mitverantwortlich, damals eine der größten Herausforderungen, die es zu bewältigen galt. Beim Bombenangriff am 27.November 1944 waren nur 8000 Wohnungen unbeschädigt geblieben, um die 30 000 zerstört worden und 2500 Wohnungen hatten die Franzosen beschlagnahmt. Hinzu kam bei sprunghaftem Bevölkerungsanstieg – vom April 1945 bis Anfang 1948 von 59 000 auf 100 000 Einwohner – der Mangel: an Nahrung, Heizmaterial, Kleidung. Die damalige Hauptstadtfunktion steigerte die Nachfrage weiter und belastete den Wohnungsmarkt. Gleichwohl wurde die im April 1949 dem Land Baden vorgetragene Bitte nach mehr finanzieller Unterstützung der Hauptstadt zurückgewiesen. Die Regierung sei auch knapp an Mitteln und nicht bereit, Freiburg eine Sonderrolle im Land einzuräumen. Schielers eindrückliche Worte im Landtag: „[…] wenn wir die Wahl haben, würde es schon richtiger sein, Wohnungen zu bauen und auf den Bau von Gefängnissen und Krankenhäusern zu verzichten!“ (Verhandll. des bad. Landtags vom 25.3.1949, S. 61) blieben genauso vergeblich wie sein Appell an die französische Besatzungsmacht, deren Forderungen zu mindern, damit Geld für den Wohnungsbau und die Schaffung von Arbeitsplätzen in der Bauindustrie frei würde.
Bis zur Währungsreform 1948 war es gelungen, knapp 80 Prozent aller leicht beschädigten Wohnungen sowie ein Drittel der schwerer beschädigten Wohnungen zu renovieren. Danach wurde der Wiederaufbau deutlich schneller, maßgeblich geprägt durch Oberbaudirektor J. Schlippe, der von einem grundlegenden Neubau absah, um an traditionelle Bauformen anzuknüpfen.
In den Zuständigkeitsbereich Schielers. als Bürgermeister gehörten außerdem die Gas-, Wasser- und Elektrizitätswerke, der Schlachthof und zeitweilig auch Friedhof, Feuerwehr und Straßenbahnen. Sie konnten 1950 ihren Betrieb wieder regulär aufnehmen und zum Beginn der 1960er- Jahre auch neue Stadtviertel erschließen. In die Amtszeit Schielers. fiel 1962 auch die Grundsteinlegung des Wasserwerkes der Stadt Freiburg in Hausen an der Möhlin.
Zweimal hat Schieler die Geschäfte des Freiburger Oberbürgermeisters wahrgenommen: 1956 nach dem Tod von OB Wolfgang Hoffmann und 1961 während der Erkrankung von dessen Nachfolger Brandel. Auf eine Kandidatur als Oberbürgermeister hat Schieler verzichtet und sich 1962 für Eugen Keidel (1909–1991) eingesetzt.
Mit der Pensionierung 1964 ist Schieler aus dem politischen Leben ausgeschieden, nachdem er von 1960 bis 1964 – eine Besonderheit in der südwestdeutschen Parlamentsgeschichte – zusammen mit seinem Sohn Rudolf, dem späteren Justizminister, – im Landtag gesessen hatte.
Bei seiner Verabschiedung wurde Schieler hoch ausgezeichnet; die der SPD-nahe „Allgemeine Zeitung“ in Freiburg nannte ihn einen Mann, „der sich niemals fürchtete, offen die Wahrheit zu sagen und dem die Zeit nicht zu schade war, um sich für den ‚Bürger Unbekannt‘ einzusetzen“. (AZ vom 8.5.1964).
Quellen: StadtA Freiburg Personalakte F. S D. Pe 331/5, Schieler, Fritz, Bürgermeister u. Dokumentation; StAF C 15/1Nr. 952, D 180/2 Nr. 197432, F 30/1 Nr. 1805, F 196/1 2840; Verhandll. des Bad. Landtages 1948–1952; Verhandlungen des Landtages von B-W 1952-64.
Nachweis: Bildnachweise: Walter Preker, 2002, 300 (vgl. Literatur).

Literatur: Allgemeine Ztg. vom 8.5.1964; BZ vom 2.6.; Jörg Schadt/Wolfgang Schmierer (Hgg.), Die SPD in B-W u. ihre Geschichte, 1979; Verfolgung, Widerstand, Neubeginn in Freiburg 1933–1945. Hgg. von d. Vgg. d. Verfolgten des Naziregimes, Bund d. Antifaschisten, Kreis Freiburg, 1989, 105; Edgar Wolfrum, Von d. „sozialistischen“ zur „sozialdemokratischen“ Partei, Freiburger Sozialdemokraten 1945/46, in: Alltagnot u. politischer Wiederaufbau, 1986, 77-80; ders., Französische Besatzungspolitik u. dt. Sozialdemokratie, 1991; Werner Köhler, Freiburg i.Br. 1945–1949, 1987; Heiko Haumann/Hans Schadek (Hgg.), Geschichte d. Stadt Freiburg. Bd. 3, 2001; Klaus-Jürgen Matz, Das Land Baden 1945–1952, in: Hansmartin Schwarzmaier/Meinrad Schaab (Hgg.), Handb. d. baden-württembergischen Geschichte Bd. 4., 2003, 477ff. passim; Walter Preker, Fritz Schieler, 1899–1970, in: Freiburger Biographien 2002, 300f.; Christof Strauß, Freiburg im Br. als Hauptstadt des Landes Baden – d. Not geschuldet, die Not verwaltend, in: Karl Moersch/Reinhold Weber (Hgg.): Die Zeit nach dem Krieg, Städte im Wiederaufbau, 2008, 58-82; 100 Jahre SPD-Ortsverein Teningen. Eine Jubiläumsschrift, 2012.
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