Huber, Gertrudis 

Geburtsdatum/-ort: 22.10.1900;  Bad Dürrheim
Sterbedatum/-ort: 13.04.1984;  Freiburg im Breisgau
Beruf/Funktion:
  • Textilkünstlerin
Kurzbiografie: 1907–1917 Grundschule in Dürrheim, Höhere Töchterschule bei den Salesianerinnen in Kloster Beuerberg, Bayern
1920 Kindergärtnerin; Seminar Freiburg, Marienstraße, 1929 rückwirkend als staatlich geprüft bestätigt
1921/22 Führerschein für Kraftwagen
1922 Pestalozzi-Fröbel-Haus I, Berlin, Befähigung zum Erteilen von Handfertigkeitsunterricht an Volks-, Mittleren u. Höheren Schulen
1923–1944 Lehrtätigkeit bei d. Kindergärtnerinnenseminar GmbH Freiburg, Wallstr. 10, in Handarbeit, Zeichnen u. Werkarbeit
1929 Gründung einer Werkstatt als Kunstgewerblerin
1936 Meisterprüfung für das Kunsthandwerk in d. Bad. Handwerkskammer Karlsruhe, Stickerei u. Spitze
1937–1946 Vorbereitung von Meisterprüfungs-Kandidatinnen
1943–1944 Werkkurse für Schwerbeschädigte u. Blinde im Auftrag d. Wehrmacht
1944 II. Zerstörung d. Werkstatt durch Luftangriff
1945 II. 14 wohnh. in Bad Dürrheim; am 18. Juli 1945 Wiedereröffnung d. Werkstatt in Freiburg, Lorettostraße 41, dann Adalbert-Stifter-Str. 42
1954 Atelier in d. Bertholdstraße 12
1960 Fahnen zur Präsentation des Erzbistums Freiburg beim Eucharistischen Kongress München
1982 Geschäftsaufgabe
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Auszeichnungen: Ehrungen: Päpstlicher Orden Pro Ecclesia et Pontifice (1950); Konradsplakette d. Erzdiözese Freiburg (1981)
Verheiratet: Unverheiratet
Eltern: Vater: Johann Georg, Medizinalrat u. Ehrenbürger von Bad Dürrheim (1861–1926)
Mutter: Amalie, geb. Weingärtner (1866–1916)
Geschwister: 4; Amelie, verh. Hüssler, Lehrerin, Johanna, Kindergärtnerin, Maria, Ärztin, u. Georg, Arzt
Kinder: keine
GND-ID: GND/1012714594

Biografie: Renate Liessem-Breinlinger (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 5 (2013), 195-197

1934 stand Huber zum ersten Mal vor „den alten Mosaiken in Ravenna und Rom“ (Nachlass, Neugestaltung der Paramente, Kopie im StadtA Freiburg). Diese frühchristlichen Werke hatten sie schon in jungen Jahren fasziniert, zumal die schlichten hellen Gewänder der Priester in ihrem Kontrast zu den brokatschweren Ornaten, die sie kannte. Schon als 12-Jährige erklärte die vielseitig begabte Schülerin, sie wolle „einmal schönere Messgewänder machen“, wie sich die Nichte Heide Huber erinnert. Früh engagierte sich Huber in der katholischen Jugendbewegung Quickborn und als junge Frau begegnete sie nach dem I. Weltkrieg Romano Guardini, der auch für sie Mentor wurde. Huber gehörte zu dem Kreis, mit dem er ab 1927 auf der Burg Rothenfels am Main in der Karwoche und an Ostern neue liturgische Formen erprobte. Auch ihre Ferien verbrachte sie auf der Burg und erinnerte sich noch im Alter, wie ein Manuskript im Nachlass zeigt, an „Werkwochen, bei denen religiöse Probleme hart diskutiert wurden“ (Nachlass, ebd.).
1929 eröffnete Huber in Freiburg ihre eigene Werkstatt für Paramentik. Der erste Auftrag kam vom damaligen Diözesan-Caritasdirektor und späteren -präsidenten Alois Eckert, der liturgische Gewänder und einen Wandbehang für die Kapelle beim Freiburger Josefskrankenhaus bestellte. Für die junge „Siedlungsgemeinde“ in Littenweiler, später Dreifaltigkeit, schuf sie sieben mit dem Kirchenjahr wechselnde Wandteppiche. Huber konnte auf Anhieb ihre künstlerische und handwerkliche Qualität beweisen, erkannte aber auch, wie stark die Wirkung ihrer Werke vom Material abhing: „Wie ich mit der Neugestaltung der Paramente beginnen wollte, war es schwer, etwas Brauchbares zu finden. Ich versuchte damals selbst handzuweben.“ (Nachlass, Rückblick, Kopie im StadtA Freiburg) Später kooperierte sie mit Werkstätten, die ihren Ansprüchen entsprachen. Zur wichtigen Partnerin wurde Lisbeth Bissier (1903–1989), die Ehefrau des Malers Julius Bissier, die in Freiburg als Handweberin arbeitete und von 1939 bis 1960 in Hagnau am Bodensee eine große Werkstatt führte.
Ihre große Zeit erlebte Huber nach dem II. Weltkrieg. Das Aufblühen des religiösen Lebens wirkte befreiend und beglückend auf sie. Schon im Juli 1945 hatte Erzbischof Gröber der Militärregierung bestätigt, dass von kirchlicher Seite großes Interesse am Fortbestand ihres Betriebs bestehe. Nun konnte Huber aus ihrer reichen geistlichen und kunstgeschichtlich fundierten Bildung schöpfen, ihre Phantasie walten lassen. Ihre klare Formensprache wurde als modern und zeitgemäß empfunden. An Aufträgen mangelte es nicht, in allen Gemeinden bestand Nachholbedarf: Liturgische Gewänder, bestickte Wandbehänge mit aufgenähten Applikationen oder bemalt mit wasserfesten Farben, Fahnen, Mitren, Altartücher entstanden. Beim eucharistischen Kongress in München 1960 präsentierte sich die Erzdiözese Freiburg auf der Theresienwiese mit zwölf Fahnen von Huber; einige davon werden bis in die Gegenwart an Fronleichnam auf dem Münsterplatz aufgezogen. Für den Reiterverein Bad Krozingen stellte sie eine prächtige Georgsstandarte her, für die evangelische Lukasgemeinde ein Antependium mit Weinstock.
Sogar Aufträge aus Ostafrika erreichten Huber in den 1960er-Jahren. Eine von Untermarchtaler Schwestern geleitete Missionsstation erhielt einen Wandbehang mit einer Kreuzigungsgruppe. Schwester Mechthild, die damals von Huber zur Meisterprüfung vorbereitet wurde, erinnert sich an ein Tuch zur Erinnerung an 16 ugandische Märtyrer. Eine 8,20×4,60 m große Abendmahls-Darstellung mit dunkelhäutigen Aposteln erregte 1966 Aufsehen; die Badische Zeitung berichtete ganzseitig darüber in der Sonntagsbeilage. Ein Teil dieser großformatigen Werke soll allerdings auf dem Weg zum Bestimmungsort verschollen sein.
Hubers Ausbildungszeit fiel in die wirtschaftlich schwierigen Jahre nach dem I. Weltkrieg. Ob sie wohl statt des Kindergärtnerinnenseminars der Caritas lieber eine Kunstakademie besucht hätte? Wichtige Anregungen und das pädagogische Rüstzeug für ihren Brotberuf, die Lehrtätigkeit am Freiburger Kindergärtnerinnen-Seminar, brachte Huber aus der 8-monatigen Ausbildung zur Werklehrerin in Berlin 1921/22 mit. In den Heften der Gemeinschaft christlicher Künstler, der Huber angehörte, wird ein „Kunststudium in Freiburg“ erwähnt. Es ist denkbar, aber unsicher, ob sie an Kursen teilnahm, die Kunstmaler Hans Lembke (1885–1959), ein Schüler des Impressionisten Lovis Corinth, von 1920 bis 1929 an der Universität Freiburg hielt. „Beseelung der Form“ lag ihm am Herzen, nicht „hartes Modellstudium“ (UA Freiburg B 3/34). Sicher ist, dass Huber mit ihm in Verbindung stand, als er nach dem II. Weltkrieg in Bonndorf und Neustadt an der Kunsthandwerkschule lehrte. Lembkes Nachfolger als akademischer Zeichenlehrer wurde Julius Bissier.
Um ihren Betrieb weiterführen zu dürfen, musste Huber 1936 vor der Handwerkskammer Karlsruhe eine Meisterprüfung in Stickerei ablegen; das gelang mit Bravour. Anschließend bereitete sie im Auftrag des Deutschen Caritasverbandes Ordensschwestern, die in Werkstätten für Körperbehinderte in der Ausbildung tätig waren, auf die auch von ihnen geforderte Meisterprüfung vor. Der NSDAP hat Huber nie angehört; 1942 trat sie der NSV bei, 1944 dem Deutschen Frauenwerk. Der Neffe erinnert sich an ihre Mitarbeit beim Luftschutzbund. 1943/44 gab Huber im Auftrag der Wehrmacht auch Werkkurse für Schwerbeschädigte und Blinde im Freiburger Lazarett I. Als Künstlerin bedauerte sie, dass im „Dritten Reich“ die Aufbruchstimmung der 1920er-Jahre verloren ging, und versuchte, für sich ein Stück davon zu retten, 1938 z.B. durch eine zweite Italienreise. Nach dem II. Weltkrieg genoss sie die neue Mobilität, erkundete Kunstdenkmäler Frankreichs. Das Elsass kannte sie schon aus der Reichslandzeit. Ihre Schwester Amelie, die Mutter des späteren Caritasdirektors Georg Hüssler (geboren 1921), war dort verheiratet. Huber machte ihren Neffen Georg, der nach dem Krieg in Rom Theologie studiert hatte, mit Alois Eckert bekannt. So wurde er für die Mitarbeit im Caritas-Verband begeistert. Durch Georg Hüssler lernte Huber dessen Freund Bruno Wüstenberg (1912–1984) kennen, der in Freiburg starb. Er war seit 1966 Titularbischof, Nuntius in Tokio, Westafrika und zuletzt in den Niederlanden. Für ihn fertigte Huber eine schlichte Mitra. Die in Heft 7 der Gemeinschaft Christlicher Künstler genannten „leichten Caseln für Gabun“ fallen auch in Wüstenbergs Zeit als Nuntius an der Elfenbeinküste.
Huber hat sich in einem selbstgewählten weitgehend autodidaktisch erarbeiteten Beruf verwirklicht, war kreativ, bienenfleißig und kalkulationssicher, verkörperte mithin eine auf ihrem Feld eher seltene Persönlichkeitsstruktur. Sie konnte überzeugen und begeistern. Einen Teil ihres Grundvertrauens bezog sie aus dem engen Zusammenhalt mit ihren Geschwistern und deren Familien. Für ihre meist drei festen Mitarbeiterinnen war sie eine strenge, aber geschätzte Chefin. Nicht ganz harmonisch dagegen war ihr Verhältnis zu den Konkurrentinnen Frieda Weber-Krebs in Freiburg und Klara Kress in Karlsruhe, vertrauensvoll und kollegial dagegen die Zusammenarbeit mit Lisbeth Bissier und ab 1966 mit dem Weber Tons Gönner in Emsdetten in Westfalen, der Stoffe mit eingewebten Symbolen nach ihren Entwürfen herstellte. In der Firma Gönner wie in vielen Pfarrgemeinden ist Hubers Kunst noch durchaus gegenwärtig.
Quellen: Nachlass bei Georg Huber, Neffe, Freiburg u. Bad Dürrheim; StAF D 180/2, 180162; UA Freiburg B 3/34, B 15/45, B 17/774; StadtA Freiburg Meldekartei u. Einwohnerbücher, Werkstücke, Fotografien, Dia-Sammlung u. Dokumente (zit. als: Kopien im StadtA Freiburg): Neugestaltung d. Paramente, Rückblick über meine Neugestaltung d. Paramentik, o. J. (nach 1966), Verzeichnis d. Kunstausstellungen, zu denen ich aufgefordert wurde, 1947–1969; Auskünfte von Prälat Georg Hüssler, Neffe, Maria Engesser, Freiburg, Heide Huber, Nichte, Bad Dürrheim, Schwester Mechthild, Karmelitinnenkloster Kirchzarten, Stefan Gönner, Handweberei Emsdetten.
Nachweis: Bildnachweise: BZ vom 17.4.1984; Konradsblatt vom 29.4.1984 (vgl. Literatur).

Literatur: Gertrudis Huber, Schmuck am Fronleichnamsfest, in: Festliche Stunde 1953/4, 113-116; Aus unserem Schaffen. Publikationsreihe d. Gemeinschaft Christlicher Künstler, Erzdiözese Freiburg, Heft 3/1957, 71, 76f., 4/1960, 8, 5/1963, 33, 6/1966, 70, 7/1970, 40f.; BZ vom 3.11.1960, 10: Tiefe Symbolik in liturgischen Gewändern; BZ vom 16.4.1984 u. Konradsblatt vom 29.4.1984 (Nachrufe jeweils mit Bilnachweis); Brigitte von Savigny, Gertrudis Huber, 1900–1984, in: Freiburger Biographien, hgg. von Peter Kalchthaler u. Walter Preker, 2002, 304f.; Dt. Caritasverband (Hg), Georg Hüssler zum 85. Geburtstag. Menschlichkeit als Spiritualität, 2006, 17, 23 u. 231.
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