Fuchs, Gottfried Erik 

Geburtsdatum/-ort: 03.05.1889;  Karlsruhe
Sterbedatum/-ort: 25.02.1972; Montreal – Westmont (Kanada)
Beruf/Funktion:
  • Holzgroßhändler, deutscher Fußballnationalspieler, Verfolgter des NS-Regimes
Kurzbiografie: 1895–1999 Volksschule in Karlsruhe
1899–1905 Realgymnasium in Karlsruhe
1905–1907 Ausbildung zum Kaufmann in Düsseldorf
1907–1908 Aufenthalt in London
1908–1909 Einjährig-Freiwilliger beim 1. Bad. Feldartillerie Regiment Nr. 14
1909 Stammspieler beim Karlsruher Fußballverein, KFV
1910 Dt. Fußballmeister mit dem KFV
1911 Erstes Länderspiel
1928–1937 Familie lebt in Berlin
1937–1945 Emigration: Schweiz, Frankreich, England u. Kanada
Weitere Angaben zur Person: Religion: isr.
Verheiratet: 1923 (Karlsruhe) Eugenia, geb. Steinberg (1896–1965)
Eltern: Vater: Gustav (1858–1931), Metzger u. Viehhändler
Mutter: Sarah, geb. Durlacher (1863–1941)
Geschwister: 4; Richard (1887–1947), Senta (1888–1943), Walther (1891–1950) u. Siegmund (1898–1976)
Kinder: John u. Yvonne (Zwillinge, geboren 1924), Anita (1926) u. Natalie (geboren 1929)
GND-ID: GND/1012714632

Biografie: Karl-Heinz Schwarz-Pich (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 5 (2013), 107-109

1871 zog der Großvater von Fuchs, Hirsch Fuchs, mit seiner Familie von Weingarten/Baden nach Karlsruhe. Hier gründete Fuchs’ Vater zusammen mit seinen beiden Brüdern 1877 eine Holzgroßhandlung, die in den darauffolgenden Jahren um ein Säge- und Hobelwerk und eine Fabrik zur Parkett-Herstellung erweitert wurde. Das Unternehmen stieg in kurzer Zeit zum Marktführer seiner Branche in Südwestdeutschland auf.
Wie bei großen Teilen des jüdischen Bürgertums in den Städten ging der sozioökonomische Aufstieg mit einem Assimilierungsprozess einher. So erhielten die fünf Kinder von Gustav Fuchs keine jüdischen Vornamen, sondern wurden nach Figuren aus Opern von Richard Wagner genannt, der erste Sohn nach dem Komponisten, Fuchs erhielt seinen Rufnamen Gottfried aus dem „Lohengrin“ und den Zweitnamen Erik aus der Oper „Der fliegende Holländer“.
Fuchs hatte zunächst die Volksschule und danach das Realgymnasium besucht. Die Begeisterung für das Lernen scheint sich bei ihm allerdings in Grenzen gehalten zu haben. Als beste Note findet sich in seinen Zeugnissen eine Zwei im Fach Turnen. Die Fünf in Latein in Verbindung mit einer Reihe weiterer schlechter Noten führte schließlich zum Schulabgang aus der Untersekunda.
Fuchs’ Leidenschaft galt dem Fußballspiel, das sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts ausbreitete. Im gleichen Jahr, als Fuchs zur Welt kam, gründete Walther Bensemann in Karlsruhe mit dem „International Footballclub Karlsruhe, IFC“ den ersten Fußballverein in Süddeutschland. Unweit der elterlichen Wohnung in der Kriegsstraße und vom Realgymnasium befand sich der legendäre „Engländerplatz“, die Wiege des Fußballsports in Süddeutschland. Walther Bensemann und der spätere Generalsekretär der FIFA, Ivo Schricker, hatten hier Fußball gespielt. Auf dem Engländerplatz mag auch Fuchs seine freie Zeit verbracht haben. Seinen ersten großen Auftritt als Fußballspieler hatte er allerdings nicht in Karlsruhe, sondern während seiner beruflichen Ausbildung in Düsseldorf; hier schloss er sich als 16-Jähriger dem „Düsseldorfer SC 1899“ an und wurde mit dem Verein 1907 Meister des Westdeutschen Landesverbands. Fuchs gehörte, wie man heute sagt, „zu den spielenden Mittelstürmern“. Er war ein Dribbelkünstler, verteilte aber die Bälle auch sehr geschickt und war, entscheidend für einen Mittelstürmer, eminent torgefährlich.
Nach dem Militärdienst als Einjährig-Freiwilliger trat Fuchs in das Familienunternehmen ein. Das hielt ihn aber nicht davon ab, sich weiter intensiv mit dem Fußballspiel zu beschäftigen. Fuchs wurde auf Anhieb Stammspieler der Ersten Mannschaft des „Karlsruher KFV“, der damals zu den besten Mannschaften in Deutschland zählte. 1905 drang der KFV bis ins Endspiel vor, scheiterte aber mit 0:2 an „Union 92 Berlin“. 1911 gelang dem KFV mit Fuchs zum zweiten Mal der Einzug ins Endspiel um die Deutsche Meisterschaft, und diesmal gewann der KFV gegen „Holstein Kiel“ mit 1:0. Einen an Fuchs verschuldeten Foul-Elfmeter verwandelte Breunig zum Siegtreffer. Fuchs, der Mannschaftskapitän, war auch ein vorbildlicher Sportsmann. Nach dem Endspiel-Sieg gegen „Holstein“ hielt er eine Rede und zupfte danach 11 Blätter aus dem Siegerkranz, die er den Spielern aus Kiel zum Trost überreichte.
Am 26. März 1911 bestritt Fuchs in Stuttgart sein erstes Länderspiel gegen die Schweiz und erzielte beim 6:2-Sieg zwei Treffer. Damit ging Fuchs auch als der erste deutsche Nationalspieler jüdischer Herkunft in die deutsche Fußballgeschichte ein. Seinen großen Auftritt in der deutschen Fußballnationalmannschaft hatte Fuchs beim Olympischen Fußballturnier 1912 in Stockholm. Nachdem Deutschland gleich in der Vorrunde des Turniers ausgeschieden war, gab es eine Trostrunde für die Verlierer. Hier spielte Deutschland gegen Russland. Deutschland gewann mit 16:0; Fuchs schoss sensationelle 10 Tore; dieser Rekord hat bis heute Bestand. Insgesamt spielte Fuchs zwischen 1911 und 1913 sechsmal in der Nationalmannschaft und erzielte 14 Tore.
Nach dem Ausbruch des I. Weltkriegs wurden die Länderspiele eingestellt. Wie seine beiden volljährigen Brüder meldete sich Fuchs freiwillig zum Militärdienst. 1914 erhielt er das EK II, 1917 das EK I und 1918 das Kreuz der Ritter des königlichen Hausordens von Hohenzollern mit Schwertern. Er wurde viermal verwundet.
Nach Kriegsende konzentrierte Fuchs sich auf das Geschäft und heiratete. Als die Firma Fuchs 1928 eine Filiale in Berlin gegründet hatte, zog er mit der Familie in die Reichshauptstadt. Bis 1937 ist die Außenhandelsgesellschaft „Fuchs Söhne“ im Berliner Adressbuch als Unternehmen eingetragen. Angesichts der drohenden „Arisierung“ jüdischer Unternehmen, die sich 1937 abzeichnete, verließ Fuchs Deutschland und ging mit seiner Familie in die Schweiz und von dort nach Frankreich. Bei Ausbruch des II. Weltkriegs wurde er von den Franzosen vorübergehend als „Staatsbürger der feindlichen Mächte“ interniert. Über England emigrierte Fuchs dann nach Kanada. Hier betätigte er sich in der Textilbranche und als privater Investor. Von der Familie Fuchs sind mehrere Mitglieder im KZ umgekommen. Die Schwester Senta wurde 1943 im KZ Auschwitz ermordet. Nach 1945 hielt sich Fuchs in Deutschland nur für kurze Zeit auf, zur Reglung seiner Wiedergutmachungsansprüche. Fuchs wurde Ehrenmitglied des KFV. In der Literatur wird verschiedentlich erwähnt, dass Fuchs vom Deutschen Fußballbund mit der Goldenen Ehrennadel gewürdigt worden sei; beim DFB selbst fand sich dafür aber kein Nachweis.
Quellen: GLA Karlsruhe, Personalakte Gottfried Fuchs. Bezirkskommando Karlsruhe 456 E Nr. 3244, 276–1 Nummern 13621, 13643 u. 1117, Wiedergutmachungsakten; StadtA Düsseldorf: Einwohnermelderegister; StadtA Karlsruhe 1 Schulen 5, Abt. B, Nr. 21, Notenbücher des Realgymnasiums Karlsruhe; StadtA Berlin, Adressbücher 1928–1938; Schreiben des DFB vom 21.3.2012 an den Autor, die Ehrennadel des DFB betr.
Nachweis: Bildnachweise: 60 Jahre Süddt. Fußballverband, 1957, zweites Bild zwischen 64 u. 65.

Literatur: Emanuel Bin-Gorion (Hg.), Philio Lexikon, Handb. des jüdischen Wissens, 1935; Josef Frey: 90 Jahre Karlsruher Fussballverein, 1979; Josef Werner, Hakenkreuz u. Judenstern. Das Schicksal d. Karlsruher Juden, 1988; Karl-Heinz Schwarz-Pich, Der DFB im Dritten Reich, 2000; BNN vom 29.5.2003; Ernst Otto Bräunche/Volker Steck (Hgg.), Sport in Karlsruhe von den Anfängen bis heute, 2006; Uri R. Kaufmann, Kleine Geschichte d. Juden in Baden, 2007; Arno Herzig/Cay Rademacher (Hgg.), Die Geschichte d. Juden in Deutschland, 2007; Werner Skrentny, Gottfried Fuchs – Nationalspieler mit Torrekord, in: Dietrich Schulze-Marmeling (Hg.), Davidstern u. Lederball, 2005, 123-130; Dietrich Schulze-Marmeling (Hg.), Davidstern u. Lederball – Die Geschichte d. Juden im deutschen u. internationalen Fußball, 2005; Eintrag Edith Fuchs, in: Gedenkbuch für die Karlsruher Juden, Ausdruck StadA Karlsruhe vom 29.1.2012.
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