Fieser, Reinhard Friedrich 

Geburtsdatum/-ort: 30.05.1867;  Wertheim
Sterbedatum/-ort: 28.04.1960; Kempten
Beruf/Funktion:
  • Oberbürgermeister
Kurzbiografie: 1884 Abitur am Gymnasium Lörrach
1884-1888 Studium in Freiburg, Berlin und Heidelberg
1888 Rechtspraktikant
1891 II. Juristische Staatsprüfung
1891-1892 Referendär bei den Bezirksämtern Heidelberg, Bruchsal und Mannheim
1892 Amtsgehilfe des Oberbürgermeisters in Baden-Baden
1893 Bürgermeister in Baden-Baden
1907 Oberbürgermeister in Baden-Baden
1929 Rücktritt, Ruhestand
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Auszeichnungen: Ritterkreuz I. Klasse vom Zähringer Löwen (1908); Preußischer Kronenorden III. Klasse und Roter Adlerorden (1913); badisches Kriegsverdienstkreuz (1916); Preußisches Verdienstkreuz für Kriegshilfe (1918); Bundesverdienstkreuz (1953)
Verheiratet: Margaretha, geb. Riemerschmidt (1875-1958)
Eltern: Vater: Otto (1836-1908), Oberbaurat und Vorstand der Rheinbau-Inspektion
Mutter: Anna, geb. Heuß (1843-1930)
Geschwister: Eugenie (geb. 1865)
Kinder: 3:
Hellmut (geb. 1896)
Hans (geb. 1900)
Hildegard (geb. 1904)
GND-ID: GND/1012769011

Biografie: Reiner Haehling von Lanzenauer (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 4 (2007), 80-82

Fieser stammt aus einer eingesessenen Beamtenfamilie. Der Großvater Melchior hatte als Ministerialrat im badischen Staatsdienst gestanden. Der Vater Otto wirkte als Ingenieur und Oberbaurat am Auf- und Ausbau des badischen Eisenbahnnetzes mit. Dies bedingte häufige Versetzungen, so dass Fieser Kindheits- und Jugendjahre in Wertheim, Mosbach, Überlingen, Neustadt/Schwarzwald, Sinsheim, Bruchsal und Lörrach verlebte. Nach dem Besuch des Lörracher Gymnasiums und einjährig-freiwilligem Dienst beim badischen Infanterie-Regiment Nr. 110 in Heidelberg entschloss er sich zum Studium der Rechtswissenschaft. In dieser Entscheidung mag ihn sein Onkel Emil, Bruder des Vaters, später Landgerichtspräsident in Freiburg, bestärkt haben. Nach Ablegung beider Staatsexamen wurde Fieser in den Verwaltungsdienst übernommen und bei verschiedenen Bezirksämtern verwendet.
Schon im Juli 1892 holte ihn der damalige Baden-Badener Oberbürgermeister Albert Gönner als rechtskundigen Amtsgehilfen und Standesbeamten in städtische Dienste. Der junge Anwärter bewährte sich, so dass ihn der Stadtrat bereits am 7. September 1893 zum Bürgermeister wählte. Baden-Baden hatte 1872 seine Spielbank verloren, neue Schwerpunkte mussten gesetzt werden. Da Oberbürgermeister Gönner durch sein Führungsamt in der Nationalliberalen Partei und sein Abgeordnetenmandat, bald schon als Präsident der Zweiten Kammer, tagelang ortsabwesend war, trug der junge Bürgermeister häufig die Hauptlast der Arbeit. Grundlegende Entscheidungen hatte er oft allein zu treffen, schwierige Probleme selbständig zu meistern. In seiner zupackenden, leutseligen Art vermochte er bald die Bürgerschaft für sich einzunehmen. Mit nur wenigen Gegenstimmen wurde er daher im Jahre 1902 wiedergewählt. Jetzt erwarb er im neu erschlossenen Baugebiet „Paradies“ ein Grundstück und baute sein Wohnhaus Bernhardstraße 33. Draußen im Lande war man auf den tatkräftigen Mann aufmerksam geworden. Im Jahre 1907 ließ das Karlsruher Stadtoberhaupt anfragen, ob Fieser als Erster Bürgermeister in die Residenzstadt überwechseln wolle. Entrüstung ergriff die Kurstädter. Sie bestürmten Fieser zu bleiben und erhöhten sein Gehalt. Obendrein versicherte der Stadtrat, dass bei dem in Bälde erwarteten Freiwerden der Oberbürgermeisterstelle Fieser als Kandidat aufgestellt werde „unter Umgehung einer öffentlichen Ausschreibung dieser Stelle“. Auf diese Zusage hin entschied sich Fieser für die Bäderstadt. In der Tat trat Gönner auf das Jahresende 1907 altershalber von seinem Amt zurück. Bei der Neuwahl stimmten 103 der 108 anwesenden Abstimmungsberechtigten für Fieser. Mit Beginn des Jahres 1908 konnte er das Dienstzimmer seines Vorgängers beziehen.
Erklärtes Ziel Fiesers war, das schlummernde Städtlein zum Rang eines internationalen Kur- und Erholungsortes empor zu führen, dabei die Bürger an allen Fortschritten unmittelbar teilhaben zu lassen. Der Aufschwung ist gelungen, für die Jahrzehnte seiner Bürgermeister- und Oberbürgermeisterzeit vermag Fieser eine überzeugende Bilanz vorzuweisen: Nach verwickelten Verhandlungen glückte ihm die Eingemeindung der angrenzenden Dörfer Lichtental (1908) und Oos (1928), das gesamte Oostal konnte nun zu einer Verwaltungseinheit zusammenwachsen. Kurz nach Jahrhundertbeginn hatte Fieser durchsetzen können, dass die Staatsbahn den Stationsnamen des an der Rheintallinie gelegenen Dorfes Oos abänderte in „Baden-Baden-Oos“, eignete doch zu einer Zeit, wo das Gros der Gäste per Bahn anreiste, dem Bahnhofsnamen beträchtliche Werbewirkung. Für die verkehrsmäßige Anbindung des Stadtbahnhofes und später auch des Ooser Bahnhofes an die Innenstadt mit ihren Hotelpalästen, Pensionen und Kureinrichtungen setzte Fieser gegen Widerstände im Stadtrat den Bau einer modernen elektrischen Straßenbahn durch. Bald ist ihr Netz bis zum Fuße des Merkurberges hin erweitert worden, denn der Baden-Badener Hausberg konnte durch eine Drahtseilbahn erschlossen werden, die einen Höhenunterschied von 370 m auf steiler Trasse überwand. Während der Feier zu ihrer Einweihung im August 1913 kreiste das Luftschiff „Viktoria Luise“ rund um den Merkurgipfel. Aufsteigen konnte dieser Zeppelin vom Flughafen Baden-Baden-Oos. Als nämlich Graf Zeppelin seine Fluggeräte einführte, erkannte Fieser sogleich die Tragweite des neuartigen Verkehrsmittels für die Beförderung von Kur- und Hotelgästen. Seiner Initiative war zu verdanken, dass schon im August 1910 am Eingang des Oostals der erste deutsche Flughafen außerhalb des Werftplatzes Friedrichshafen eröffnet werden konnte. Bis zu Beginn des I. Weltkrieges fanden von hier aus Rundflüge mit Luftschiffen statt. Von 1925 bis 1935 war der Landeplatz an den planmäßigen Verkehr mit Reiseflugzeugen angeschlossen. Graf-Zeppelin-Oberrealschule hieß denn auch späterhin der massige Jugendstilbau mit hochragendem Turm, der während Fiesers Amtszeit 1905 bis 1907 errichtet worden war (heute Markgraf-Ludwig-Gymnasium). 1908/09 hat man die jetzige Staatliche Kunsthalle an der Lichtentaler Allee eröffnet. Maßgeblich hatte sich Fieser eingeschaltet in den Umbau des Kurhauses von 1912 bis 1917, dem neben einer gründlichen Innenrenovierung neue Bühnensäle als Anbau angegliedert worden sind. Nunmehr gründete der von Fieser angeführte Gemeinderat, um einen kontinuierlichen Kulturbetrieb auch im benachbarten Kleinen Theater zu gewährleisten, ein städtisches Schauspielensemble mit eigenen Darstellern und einem eigenen Intendanten. Kurz vor dem I. Weltkriege konnte auf der benachbarten Sandweierer Gemarkung ein Grundwasser-Pumpwerk erstellt werden, gleich nach Kriegsende wurde auf einem von der Stadt in Erbpacht überlassenen Gelände die Ooswinkel-Siedlung erbaut.
Angesichts von Finanznot und Schuldenlast unternahm Fieser um den Jahreswechsel 1921/22 eine viel beachtete Amerikareise. Er führte Verhandlungen zur Umschuldung von Krediten, ein als Kriegsfolge eingefrorenes Dollarlegat zugunsten der Stadt wusste er auszulösen. Obendrein wurde der Oberbürgermeister von US-Präsident Warren Harding im Weißen Haus empfangen. Dem erfolgreichen Heimkehrer überbrachte der Stadtrat einen Blumenstrauß mit gelbroter Schleife. Im Jahre 1925 konnte am Hang des Wohngebiets Paradies die von Professor Max Laeuger geschaffene Wasserkunstanlage eröffnet werden, die mit ihren vom Grottenbrunnen terrassenförmig abfallenden Kaskadenbecken das Stadtviertel prägt. In der Talsohle verwirklichte Fieser trotz reger Gegenwehr von Grundstückseigentümern den Durchbruch der Luisenstraße entlang der Oos im Bereich des heutigen Luisenhofes, so dass fortan der Verkehrsknotenpunkt Leopoldsplatz geradewegs angefahren werden konnte. Um dieselbe Zeit wurden Brückenwerke über das Oosbett, namentlich bei Kurhaus und Badischem Hof, grundlegend erneuert. Da Fieser Sitz und Stimme in der staatlichen Bäderverwaltung besaß, vermochte er zugleich auf die Fortentwicklung des örtlichen Bäderwesens bestimmend einzuwirken. Im Februar 1928 als Oberbürgermeister wiedergewählt musste Fieser zu Ende des Jahres 1929 sein Amt aus gesundheitlichen Gründen aufgeben. Der Bürgerausschuss beschloss, die Brücke vor dem Kurpark nach Fieser zu benennen und ihm die Ehrenbürgerwürde zu verleihen. Nach seinem Ausscheiden übersiedelte Fieser nach München. Im Zuge der NS-Machtergreifung kam es zu gehässigen Presseangriffen. Von Parteiseite warf man Fieser vor, er beziehe eine unverdient hohe Pension. Und noch im Jahre 1933 wurde die Fieser-Brücke umbenannt nach einem braunen Gefolgsmann. Unmittelbar nach Kriegsende erhielt die Baden-Badener Brücke wieder ihren früheren Namen. Fieser selbst verlor 1944/45 durch Bombeneinwirkung seine Münchener Wohnung. Im Jahre 1950 besuchte Fieser die Stadt, als Gast in Ehren empfangen. Zu seiner Freude begegnete er 1956 im Hause des Baden-Badener Oberbürgermeisters Ernst Schlapper dem Bundeskanzler Konrad Adenauer. Seit Mai 1959 lebte Fieser bei seiner Tochter in Kempten. Dort ist er ein Jahr später verstorben. Sein Grab befindet sich auf dem Münchner Ostfriedhof.
Quellen: StadtA Baden-Baden Inv.-Nr. 026/09-6, 026/097, 026/9-13, 026/10-9, 011/6-50 (Personalakte), Stadtratsprotokoll v. 27.6.1933; GLA Karlsruhe 65/11886, AS 233, 76/2236, 76/11204, 236/17741, 236/17742, 236/ 17743.
Werke: Kulturpolitische Streiflichter, in: Baden-Badner Bühnenbl. 5. Jg., Nr. 85, 1925, 1; Erinnerungen aus dem amtlichen Leben, München 1934 (Masch. Manuskript im StadtA Baden-Baden, Inv.-Nr. 011/06-50).
Nachweis: Bildnachweise: Bronzebüste von Prof. Friedrich Bagdons in Dortmund (1930), Verbleib unbekannt, Foto d. Büste u. Porträtfotos im StadtA Baden-Baden; Arthur Grimm, Baden-Baden in hundert Zeichnungen Teil III, 1928, (Zeichnung); Foto bei Haebler (1969) nach 176 (vgl. Lit.).

Literatur: August Stürzenacker, Das Kurhaus in Baden-Baden u. dessen Neubau, 1918; Rolf Gustav Haebler, Geschichte d. Stadt u. des Kurortes Baden-Baden Bd. 2, 1969, 152; Karl Jörger, Baden-Badener Ehrenbürger, 1974, 148; Klaus Fischer, Baden-Baden erzählt, 1985, 129; Roland Hartl, Bilder von d. Baden-Badener Straßenbahn u. Bergbahn, 1985, 7; Staatl. Kunsthalle Baden-Baden (Hg.), Ausstellungen – Inszenierungen – Installationen 1909-1986, 1986, 29; Klaus Lindemann (Hg.), Merkurbergbahn Baden-Baden, 1989, 48; Landesdenkmalamt B-W (Hg.), Ortskernatlas Stadtkreis Baden-Baden, 1993, 57-60; Der Stadtkreis Baden-Baden, Kreisbeschreibungen des Landes B-W, hg. von d. Landesarchivdirektion B-W, 1995, 267; Manfred Koch u. a. (Hgg.), Von Graspisten zum Baden-Airport, 1999, 16, 20, 28; Rolf Rößler, Baden-Baden unter dem Hakenkreuz, 2000, 8, 17, 35; Reiner Haehling von Lanzenauer, in: BH 2005, 567; Joachim Engert u. a., Baden-Baden, Begleiter durch Stadt u. Umland, 2005, 50. – Zeitungen: Bad. Tagbl. vom 14.5.1902, 19.1., 13.11. u. 21.12.1907, 19.3.1917, 1.2.1922, 30.5.1927, 6.11.1929, 11.8.1956, 29.5.1957, 30.4.1960, 4.1., 8.1. u. 17.1.1972, 13.1.1982, 10.12.2004; Karlsruher Ztg. vom 20.9.1916 u. 3.5.1918; BNN vom 30.4.1960, 27.4. u. 4.5.1985, 22.1. u. 23.1.1997, 4./5.11.2000; Bad. Volksztg. vom 31.12.1929; Führer vom 7.1.1931.
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