Kuenzer, Ida Anna Emilia Francisca 

Geburtsdatum/-ort: 30.01.1851;  Freiburg i. Br.
Sterbedatum/-ort: 12.07.1926;  Freiburg i. Br.
Beruf/Funktion:
  • sozial-caritative Stifterin und Vereinsgründerin
Kurzbiografie: 1873 Heirat
1887 Witwenstand
1891 Gründung des Elisabeth-Vereins Freiburg
1894 Gründung des Ladnerinnenvereins Freiburg
1899/1901 Gründung der St. Anna-Stift GmbH Freiburg
1901 Gründung der katholischen Bahnhofsmission Freiburg
1909 Gründung des Verbands katholischer Mädchenschutzvereine in der Erzdiözese Freiburg
1909 Gründung der Ortsgruppe Freiburg des Katholischen Frauenbundes Deutschlands
1919 Gründung der Sozialpolitischen Frauenschule Freiburg
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Verheiratet: 1873 (Freiburg) Jakob Heinrich Kuenzer, Kaufmann und Fabrikant
Eltern: Vater: Ludwig Freiherr von Beust, großherzoglich-badischer Oberleutnant der Infanterie (1819-1888)
Mutter: Stephanie, geb. Stutz (1826-1911)
Geschwister: Maria
Kinder: 10, darunter Richard
GND-ID: GND/1012770192

Biografie: Hans-Josef Wollasch (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 5 (2005), 163-165

Bei der Taufe von Kuenzers Vater Ludwig, dessen Vater Franz von Beust Kommandeur der Großherzoglich-Badischen Leib-Grenadier-Garde war, am 4. September 1819 in Karlsruhe hatte Großherzog Ludwig von Baden persönlich die Stelle des Paten übernommen. Getraut wurden Kuenzers Eltern am 17. Januar 1850 im Freiburger Münster durch den Domkapitular und Pfarr-Rektor Johann Baptist Orbin. In eine angesehene Verwandtschaft von Militärs und Kaufleuten wurde Kuenzer hineingeboren, im historischen Wentzingerhaus am Münsterplatz, wo sie am 6. Februar 1851 durch Benefiziums-Verweser Ludwig Wanner auch die Taufe erhielt. Durch die wiederholte dienstliche Versetzung des Vaters, der bis zu seiner gesundheitsbedingten Pensionierung noch zum Generalmajor aufstieg, zog auch die Familie mit nach Rastatt, Heidelberg und Mannheim. In Rastatt besuchte Kuenzer die von den Augustiner-Chorfrauen von Nôtre Dame 1767 gegründete und von Klosterpfarrer Gustav Brugier geleitete Klosterschule. Ein Jahr verbrachte sie in Konstantinopel bei ihrem Onkel mütterlicherseits Anton Graf Prokesch von Osten (1795-1876), der dort seit 1867 österreichischer Botschafter war.
1873 heirateten in Freiburg Ida Freiin von Beust und der Kaufmann Heinrich Kuenzer, Sohn des gleichnamigen Kaufmanns und der Maria Pyhrr. 10 Kinder hat Kuenzer in dieser 14 Jahre währenden Ehe geboren, die ihrerseits standesgemäße Berufe oder Ehepartner fanden: Richard wurde Diplomat in Berlin, Rudolf Arzt, Hans ging nach Paraguay, Hermann und Bruno traten in die Knopffabrik Risler in Herzogenrath ein; Hedwig heiratete den Historiker Gustav Schnürer aus Fribourg, Irmgard den Forstrat Franz von Litschgi in Freiburg, Elisabeth den Arzt Bernhard Schwörer in Kenzingen, Jutta den Landeskommissär Paul Schwörer in Freiburg. Ausgelastet mit der Erziehung der Kinder, deren jüngstes beim Tode des Vaters erst 11 Monate alt war, hat sich Kuenzer nach ihrer Eheschließung in der Familienfürsorge innerhalb der Arbeitersiedlung betätigt, welche die Rislersche Porzellanknopffabrik, bei der ihr Mann Teilhaber war, im Osten Freiburgs gebaut hatte. Als „Knopfhäusle“ in der Pfarrei Maria Hilf sind diese Siedlungshäuschen im Freiburg der Gegenwart durchaus noch in verbreiteterem Maße ein Begriff als die „Villa Kuenzer“, die Kuenzer 1892/98 in der Dreikönigstraße 12 bauen ließ. Kaufmännische und unternehmerische Begabung auf der einen, religiöse Überzeugung und soziale Verantwortung auf der anderen Seite führten Kuenzer auf einen Weg caritativ-fürsorgerischen Handelns, das eigene Maßstäbe setzte. Aus regelmäßigen Treffen mit Damen des Freiburger Bürgertums (Bettina Fromherz, Maria Armbruster, Anna von Beust, Maria Wucherer) ergaben sich Hausbesuche und Hilfemaßnahmen für Arme, was wiederum zur Gründung eines Elisabeth-Vereins (1891/92) unter der Präsidentschaft von Kuenzer führte. Von 1895 an verzweigte sich dieser Verein in pfarrliche Konferenzen, die 1912 dann wieder durch Mathilde Otto zu einem erneuerten Elisabethverein zusammengeführt wurden. Die Fürsorge der Elisabethfrauen galt in besonderem Maße der Kleinkinderbewahranstalt im Stadtteil Wiehre mit bald bis zu 100 Kindern sowie den schulentlassenen Jugendlichen.
1894 errichtete Kuenzer einen „Ladnerinnenverein“, den sie als Präsidentin führte und dem sie 1897 eine Nähschule und im Jahr darauf einen Kosttisch angliederte, unter Mithilfe von Lorenz Werthmann und Eugen Krebs. Hieraus erwuchs eine GmbH-Gründung, das „St. Annastift“, das in einem eigens erworbenen und gleich benannten Gebäude für die Verkäuferinnen Wohnung, Verpflegung, Betreuung und Arbeitsvermittlung bot und 1901 als Zweig des ebenfalls von Kuenzer präsidierten Elisabeth-Vereins deklariert wurde. Mit Werthmann als geistlichem Beirat schuf Kuenzer 1899 einen „Verein vom Guten Hirten“, der die Trägerschaft eines Heimes für gefährdete Mädchen in Heitersheim übernahm. Die Umwidmung dieses Vereins 1905 in eine Ortsgruppe Freiburg des Katholischen Fürsorgevereins für Mädchen, Frauen und Kinder (KFV), verknüpft mit der Ausdeutung, somit sei dieser örtliche Verein der älteste seiner Art in Deutschland, löste noch zwei Jahrzehnte später ein vehementes Zurechtrücken durch Agnes Neuhaus, die Präsidentin des in Dortmund ansässigen Zentralvereins, aus.
1901 gründete Kuenzer mit Marie Zell die katholische Bahnhofsmission in Freiburg. 1903 schlossen sich vier katholische caritative Vereine in Freiburg (Verein St. Marienhaus, Gesellschaft St. Annastift, St. Elisabethverein, St. Philomenenverein) zum Marianischen Mädchenschutzverein Freiburg zusammen, unter Führung von Kuenzer und dem geistlichen Vorsitz von Werthmann. Das Jahr 1909 brachte die Bildung des Verbandes katholischer Mädchenschutzvereine der Erzdiözese Freiburg wie auch der Ortsgruppe Freiburg des Katholischen Frauenbundes Deutschlands (KFD), auch diese beiden mit Kuenzer als erster Vorsitzender. Durch die Auswirkungen des I. Weltkriegs verlagerten und erweiterten sich Kuenzers Aktivitäten. Sie, aus deren Großfamilie die Männer ebenfalls eingezogen worden waren, wandte ihre Fürsorge nun bevorzugt den von diesem Krieg Getroffenen zu. So richtete sie Suppenküchen in den Schulen ein, eine Obstverwertungsstelle in ihrem eigenen Hause, eine Schuhmacherwerkstätte – um Beispiele für die alltägliche Lebenshilfe zu nennen. Das St. Annastift beherbergte jetzt ein Reservelazarett für deutsche und gefangene französische Soldaten. Für Kleinstkinder, deren Väter im Felde und deren Mütter auf Broterwerb angewiesen waren, schuf Kuenzer gemeinsam mit dem Stadtcaritasverband das Säuglingsheim St. Hedwigshaus. Nach dem Kriege organisierte sie die „Frauenhilfe“ mit, die sich um Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten für Kleinrentnerinnen mühte. Aber auch und gerade in dieser Zeit der Not und des Neubeginns steigerte Kuenzer ihre Anstrengungen für die Bildungsarbeit mit Frauen: „Der Wiederaufbau unseres sozialen und politischen Lebens kann nicht auf die sachgemäße Mitarbeit der Frau verzichten“, schrieb sie 1919 in einer Werbeschrift für eine in der Trägerschaft des Katholischen Frauenbundes Freiburg gerade entstandene „Sozialpolitische Frauenschule“. Schon im Folgejahr ging der Verein Sozialpolitische Frauenschule e.V., vertreten durch Kuenzer und die Schulleiterin Hildegard Hübinger, eine Arbeitsgemeinschaft mit dem Deutschen Caritasverband ein, der fast gleichzeitig eine Soziale Schule für Frauen auf den Weg gebracht hatte. Aber das gemeinsame Betreiben einer solchen Fachausbildungsstätte – sie trug den Namen „Soziale Frauenschule (Caritasschule) des Deutschen Caritasverbandes e. V.“ – blieb eine Quelle ständiger Misshelligkeiten und scheiterte letztlich, zu Lasten der Sozialpolitischen Frauenschule.
Im Rückblick auf interne Wertungsprobleme beim Katholischen Fürsorgevereins für Mädchen, Frauen und Kinder hatte Agnes Neuhaus aus Dortmund 1926, ein halbes Jahr vor Kuenzers Tod, dieser eine außerordentliche Inaktivität, lähmende Passivität, das Fehlen von Wärme und Werbekraft attestiert. Die Gründung und Führung einer bemerkenswert großen Anzahl katholisch-sozialer Frauenvereine in Freiburg lässt eher Überaktivität erkennen und Ehrenämterhäufung argwöhnen. Organisationsfreude und vielfältige persönliche Beziehungen Kuenzers innerhalb des gehobenen Bürgertums der Stadt wie auch zum Caritasverband ließen dieses Netzwerk entstehen. Tragfähig wurde es und dem Auftrag zur sozialen Hilfeleistung gerecht, weil Kuenzers Handeln bestimmt wurde durch ihre Selbstverpflichtung zu sozialer Gerechtigkeit und zum Eintreten für Benachteiligte: für Kinder, Arbeiter, für die Frauen. Mit ihrer Tochter Maria hat sie Hilfe organisiert und als Frau mit den nimmermüden Händen, wie ihr der Katholische Frauenbund nachrühmte, „Caritas“ an die Menschen herangetragen. Klara Siebert hat sie in einem langen Nachruf so gewürdigt. Bei den Benediktinerinnen von der Hl. Lioba in Freiburg-Günterstal hat man Kuenzer, die Verwandte und Patin der Gründerin und Generalpriorin Benedikta Föhrenbach, fast als Mitbegründerin des Klosters, jedenfalls als Leitfigur gesehen, welche „die besten Kräfte christlicher Bürgerlichkeit“ vorgelebt habe.
Verausgabt und kränkelnd, hat sich Kuenzer seit Anfang der 1920er Jahre mehr und mehr zurückgezogen. Am 12. Juli 1926 in der Frühe starb sie in ihrem Hause, im Kreis ihrer 10 Kinder. Unter großer Beteiligung waren bei ihrer Beisetzung auf dem Freiburger Hauptfriedhof auch Erzbischof Carl Fritz und Altreichskanzler Joseph Wirth zugegen.
Werke: Aus d. Geschichte des St. Elisabethen-Vereins in Freiburg i. Br. 1892-1909; (Manuskript in d. Bibliothek des DCV, Freiburg).
Nachweis: Bildnachweise: Fotos im A des Dt. Caritasverbandes Freiburg.

Literatur: K. Siebert, Im Gedenken an Frau I. Kuenzer, in: Frauenrundschau 9 vom 11. 9. 1926, 1 f.; Sieglitz, Frau I. Kuenzer, in: Freiburger Kath. Gemeindeblatt 29 vom 18. 7. 1926; H. Wulff, in: Canadischer Brief vom Juni 1960, 17 f.
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