Vögele, Heinrich August 

Geburtsdatum/-ort: 31.01.1852;  Mannheim
Sterbedatum/-ort: 14.04.1928;  Mannheim, begraben auf dem Hauptfriedhof
Beruf/Funktion:
  • Industrieller
Kurzbiografie: 1868 nach Schulbesuch kaufmännische Lehre
1869-1872 Studium am Polytechnikum Karlsruhe
1870-1871 Einjährig-Freiwilliger im 2. Badischen Dragoner-Regiment
1872 Eintritt in die väterliche Maschinenfabrik
1895 Alleininhaber der Fabrik
1916 Ruhestand
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Auszeichnungen: Ritterkreuz 1. Klasse vom Orden vom Zähringer Löwen (1905); Kommerzienrat (1907); Ritterkreuz vom Orden Bertholds des Ersten (1911); Offizierskreuz vom Oldenburgischen Peter-Friedrich-Ludwig-Orden (1912); Geheimrat (1914); Ehrenbürger der Technischen Hochschule Karlsruhe (1922)
Verheiratet: (Mannheim) 1877 Johanna Emilie, geb. Gräff (1858-1935), Tochter des Majors Johann Philipp Gräff
Eltern: Vater: Joseph Ullrich (1803-1888), Fabrikant
Mutter: Elisabeth, geb. Wenzel (1808-1870)
Geschwister: 7: 3 im Kindesalter gestorben
Kinder: 4:
Aenne (1878-1954), verheiratet mit Hermann Knaudt, Oberst außer Dienst, Mitglied im Aufsichtsrat der Joseph Vögele AG
Joseph, Dr. Ing. eh. (1879-1933)
Wilhelm, Dr. rer. oec. eh.
Hans-Heinrich, Dr. phil. (1895-1945)
GND-ID: GND/1012770745

Biografie: Andreas Gößner (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 5 (2005), 281-282

Vögele entstammt einer 1723 aus dem schwäbischen Mindelheim in die damalige kurpfälzische Residenz Mannheim eingewanderten Familie. Die Vorfahren waren seither in Mannheim u. a. Hofkammerschmiede. Aus ihrem Handwerksbetrieb ging die 1836 gegründete Maschinenfabrik hervor, die bereits für den Bau der ersten Eisenbahnen Weichen und Herzstücke lieferte. Vögele, jüngstes von acht Kindern und mit besonderer Zuneigung von seiner neun Jahre älteren Schwester Margarethe großgezogen, sollte nach dem Willen des Vaters und Fabrikgründers zusammen mit seinem Bruder Carl einmal die Fabrik übernehmen. Doch der Bruder starb schon 1868, als Vögele gerade eine kaufmännische Lehre bei Sauerbeck&Diffené in Mannheim machte. Danach begann er im Studienjahr 1869/70 am Karlsruher Polytechnikum zu studieren, wo er auch Mitglied im Corps Hubertia wurde. Schon im darauf folgenden Semester rückte Vögele als Einjährig-Freiwilliger ein und nahm mit 18 Jahren am Krieg gegen Frankreich teil. Im Juni 1871 als Vizewachtmeister entlassen, setzte er bis 1872 sein Studium in Karlsruhe fort. Doch noch im gleichen Jahr trat er neben seinen Schwägern Johann Peter Will und August Hummel in die väterliche Fabrik ein. Schon zwei Jahre später wurde das ursprüngliche Fabrikgelände im Bereich der Quadrate zugunsten eines Fabrikneubaues in Neckarau aufgegeben. Wichtigstes Produktionsgebiet des Unternehmens war seit seiner Gründung der Eisenbahnbedarf: Weichen, Drehscheiben, Schiebebühnen, Stellwerke, Anschlussgleise und Rangieranlagen.
Seit dem Tod der beiden Schwager – 1878 bzw. 1895 – war Vögele Alleininhaber des Unternehmens. Verschiedene Phasen konjunktureller Depression, die mit familiären Schicksalsschlägen zusammentrafen, ließen immer wieder den Gedanken an eine Veräußerung aufkommen. Doch verschaffte Vögeles technische Kompetenz und sein unternehmerischer Elan dem Werk letztlich einen dauerhaften Aufschwung zum bedeutendsten Weichenhersteller in Europa. Höhepunkte waren die großen Exportaufträge, besonders nach Skandinavien und Südamerika, in die deutschen Kolonien und auf den Balkan. Die badische, bayerische und preußische Staatsbahn – später die Reichsbahn – bezogen Weichen und Eisenbahnbedarf von Vögele, und seine Fabrik lieferte z. B. die gesamten Weichenanlagen für den Frankfurter Hauptbahnhof. Selbst für den Bau der Bagdad-Bahn wurden nur Weichen von Vögele verbaut.
1912 erwarb Vögele zum Stammwerk die MEMAG, Mannheimer Eisengießerei und Maschinenbau AG, des Fabrikanten Josef Pallenberg. Damit kamen der Produktionszweig Maschinenbau (Zerkleinerungs-, Ziegeleimaschinen, Apparate für die chemische Industrie, Drahtbau), die Gießerei und das Emaillierwerk hinzu. Nach wie vor bildete jedoch die Weichenbauanstalt den Hauptfabrikationszweig, so dass um 1900 die inzwischen permanent vergrößerte Fabrik fast eine Monopolstellung innehatte. Erst in den folgenden Jahren verstärkte sich die Konkurrenzsituation im Reich aufgrund des massiven Preisdrucks der Reichsbahndirektion und der preußischen Staatsbahn. Die betroffenen Unternehmen schlossen sich daraufhin 1907 zum Deutschen Weichenverband zusammen. Für die Kriegswirtschaft im I. Weltkrieg hatte die Fabrik vor allem Granaten und Bettungen für Eisenbahngeschütze herzustellen.
Vögele war Mitbegründer und Direktoriumsmitglied des Verbandes südwestdeutscher Industrieller. Er war seit 1904 Mitglied im Aufsichtsrat der Firma Benz&Cie., später Daimler-Benz in Stuttgart und Mannheim, seit deren Gründung Mitglied im Aufsichtsrat der Rheinischen Treuhand AG sowie seit 1913 auch der Rheinischen Creditbank in Mannheim.
Wie viele Unternehmer dieser Zeit engagierte sich Vögele auch in sozialer und kultureller Hinsicht. Er war einer der ersten in der eisenverarbeitenden Industrie, der für langjährige Arbeiter bezahlten Jahresurlaub sowie für Arbeiter und deren Witwen eine Altersversorgung einführte. Zusammen mit acht weiteren Mannheimer Bürgern beteiligte er sich u. a. am Erwerb von Edouard Manets Gemälde „Die Erschießung Kaiser Maximilians“ für die städtische Kunsthalle. Der Mannheimer Maler Otto Albert Koch schuf für Vögele einige Gemälde, darunter 1915/16 Ansichten der Fabrikanlagen.
In dem seit ca. 1890 städtebaulich erschlossenen Mannheimer Wohnviertel zwischen Schloss und Bahnhof ließ sich Vögele 1895/96 im Neorenaissancestil eine Stadtvilla (L 5, 6-7) erbauen und 1903 gegenüber, in L 4, 15-16, zwei stattliche Bürgerhäuser. 1899 erwarb er in Triberg im Schwarzwald ein Hofgut mit Waldbesitz und ließ dort einen Sommersitz für die Familie errichten.
1916 nahm er seine Söhne Joseph und Wilhelm als Teilhaber in die Fabrik auf und übertrug sie 1917 deren Leitung. Nach der Umwandlung des Unternehmens in eine Aktiengesellschaft im Jahr 1920 gehörte Vögele dem Aufsichtsrat an und war darüber hinaus neben den beiden Söhnen Mitinhaber der Holdinggesellschaft IVOCO, Oberrheinische Industriegesellschaft Joseph Vögele&Co., die für den Vertrieb zuständig war. Durch innovative Kraft und umsichtige Unternehmenspolitik war Vögele der Ausbau und die Weiterentwicklung der väterlichen Fabrik bis hin zur Weltgeltung gelungen. Er hat damit den Industriestandort Mannheim von den Gründerjahren bis zum I. Weltkrieg entscheidend mitgeprägt.
Quellen: GLA Karlsruhe 448/253, 448/1816; 456/110-111; StadtA Mannheim S 1/1746; S 2/233-1 (Zeitungsausschnitte); ungedr. Unterlagen im Privatbesitz; Margarethe Will, geb. Vögele, Erinnerungen, 1912.
Nachweis: Bildnachweise: Gemälde von Anton Schöner 1897 u. von W. Hasemann 1909 sowie Fotografien im Familienbesitz.

Literatur: Staatsanzeiger für das Großherzogthum Baden (versch. Jgge. Anfang des 20. Jh.s); Leopold Göller, Vögele, in: Florian Waldeck, Alte Mannheimer Familien 3, 1923, 46-61; Leopold Göller, Aus d. Geschichte d. Familie Vögele, in: Mannheimer Geschichtsblätter 34, 1933, 114-123; Leopold Grosch, Die Verbandspolitik d. beiden Brüder Vögele 1907-1933, (maschinenschr.) 1943.
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