Rosenberger, Adolf 

Andere Namensformen:
  • ab 1936 Rosenberger, Alfred; ab 1943 Robert, Alan Arthur
Geburtsdatum/-ort: 08.04.1900;  Pforzheim
Sterbedatum/-ort: 06.12.1967; Los Angeles
Beruf/Funktion:
  • Rennfahrer, Kaufmann, Verfolgter des NS-Regimes
Kurzbiografie: 1906–1913 Volksschule Pforzheim bis 1910, dann Oberrealschule Pforzheim
1913–1917 Rauscher-Schule Stuttgart bis Obertertia
1917–1918 Kriegsdienst in einer Fliegerstaffel
ab 1922 Erfolge als Motorradrennfahrer
1923–1929 regelmäßige Starts bei internationalen Automobilrennen, etwa vierzig erste Plätze bzw. Klassensiege
1930–1933 Zusammenarbeit mit Ferdinand Porsche, Mitgründer u. -gesellschafter d. „Dr. Ing. h.c. F. Porsche GmbH, Konstruktionen u. Beratungen für Motoren u. Fahrzeugbau“, Stuttgart
1933–1935 nach d. NS-Machtergreifung schrittweise Veräußerung d. Geschäftsanteile durch Rosenberger u. Aufgabe seines Direktorenpostens, Inhaftierung im KZ Kislau, Emigration nach Paris
ab 1935 auf Honorarbasis weitere Mitarbeit im Exil als „Vertrauensmann d. Dr. Porsche GmbH für Lizenzangelegenheiten“
1938–1943 Porsche bricht die Geschäftsbeziehungen zu Rosenberger ab, er wandert über Paris in die USA aus; unternehmerische Versuche in New York, Detroit u. Los Angeles
1943 amerikanische Staatsbürgerschaft
nach 1945 V. Familie Porsche nimmt wieder Kontakt auf, erhält von Rosenberger Care-Pakete u. weitere Unterstützung
ab 1947 regelmäßige Besuche in Deutschland; vergebliche Versuche, mit d. Familie Porsche wieder in geschäftliche Beziehungen zu treten, juristische Bemühungen um Wiedergutmachung für erlittene Verfolgung durch den NS-Staat sowie Anstrengung von Entschädigungsverfahren für enteigneten Besitz in Pforzheim
1949–1950 außergerichtlicher Vergleich im Verfahren gegen Ferdinand Porsche, Ferry Porsche u. Anton Piëch; Rosenberger erhält 50000 DM u. einen PKW Typ Porsche 356, alle weiteren Ansprüche gegenüber Firma u. Familie damit rechtlich abgegolten
ab 1953 Beteiligung am US-Automobilzulieferer „Coachcraft“; weitere Reisen nach Deutschland u. vergebliche Versuche, mit Porsche u. anderen Firmen aus d. dt. Autobranche ins Geschäft zu kommen
1956–1966 III. Schlaganfall u. schwere gesundheitliche Probleme; weitere Auseinandersetzungen mit dt. Behörden um Entschädigung u. Wiedergutmachung; im Mrz. 1966 Ende des letzten von Rosenberger angestrengten Wiedergutmachungsverfahrens, Streitgegenstand ein Bankguthaben von 50000 RM; Rosenberger erhält kurz vor seinem Tod vom Land Baden-Württemberg rund 50 DM Entschädigung
Weitere Angaben zur Person: Religion: isr.
Verheiratet: 1950 Anne, verw. Junkert
Eltern: Vater: Simon (gest.1942), Kaufmann u. Kinobesitzer in Pforzheim
Mutter: Elsa, geb. Esslinger (gest.?) aus Mainz, Tochter des Kaufmanns Josef Esslinger
Geschwister: Paula
Kinder: keine
GND-ID: GND/1012779068

Biografie: Eberhard Reuß (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 5 (2013), 323-326

Hinter der renommierten Firma Porsche stehen bis heute zwei Familien: Porsche und Piëch. Doch am Beginn der Unternehmensgeschichte gab es noch einen Dritten: Rosenberger aus Pforzheim, Geschäftsmann und Kinobesitzer, in den 1920er-Jahren erfolgreicher Werksrennfahrer bei Mercedes-Benz, der seit 1931 Mitbegründer, Miteigentümer, wichtiger Finanzier und Kaufmännischer Direktor des Stuttgarter Konstruktionsbüros Porsche war, der Keimzelle der heutigen Porsche AG. Das blieb er bis zur NS-„Machtübernahme“, dann war der Jude Rosenberger nicht mehr erwünscht.
Der Frontkämpfer des I. Weltkriegs war, wie viele seiner Generation, begeistert von Technik – und vom Nervenkitzel; er fand Gefallen, sich schnell im Grenzbereich zu bewegen. Nach Ende des Krieges, als sein Vater in Pforzheim den UFA-Palast in der Zerennerstraße baute, das größte Kino der Stadt, betätigte sich der Sohn als Rennfahrer. Motorsport war damals eine exklusive Angelegenheit für Wohlhabende. Rosenberger besaß nicht nur den finanziellen Hintergrund, er brachte auch großes fahrerisches Talent und technisches Wissen ein. Dank seines Könnens avancierte er bald mit Benz, Daimler und Mercedes-Benz Sport- und Rennwagen. 1925 feierte er spektakuläre Siege mit dem Benz-Tropfenwagen, so beim Solitude-Rennen und beim Herkules-Bergrennen in Kassel. Er gewann das legendäre Schweizer Klausenpassrennen 1927 mit dem 4,5 Liter Mercedes-Grand-Prix-Rennwagen und wurde im selben Jahr auf dem von Ferdinand Porsche konstruierten Mercedes-Benz SSK hinter Rudolf Caracciola Zweiter beim Eröffnungsrennen des Nürburgrings. Seine Karriere als Rennfahrer indes wurde dann überschattet von einem schweren Unfall beim ersten „Großen Preis von Deutschland“ am 11. Juli 1926 auf der Berliner AVUS, wo der führende Rosenberger auf regennasser Fahrbahn von der Strecke abkam und mit seinem Zweiliter-Mercedes-Kompressor-Sportwagen in ein Zeitnehmerhaus raste. Drei Menschen fanden den Tod, Rosenberger und sein Beifahrer kamen mit schweren Verletzungen davon.
Rosenberger setzte nach diesem Unfall seine Rennkarriere bis 1929 fort, knüpfte aber inzwischen enge Kontakte zu Repräsentanten der Automobilindustrie, auch zu Ferdinand Porsche, der seine Stelle als Technischer Direktor der Daimler-Benz AG hatte quittieren müssen und nun für die österreichischen Steyr-Werke arbeitete, sich dann aber mitten in der Krisenzeit der europäischen Automobilindustrie selbständig machte. Geld, einige Ideen und viele Kontakte dazu lieferte Rosenberger. Er stellte für Porsche die Verbindung zum Direktor der Chemnitzer Wanderer Werke, Baron Claus Detlof von Oertzen her. Dessen Auftrag, einen Rennwagen und einen Sportwagen für die Marke Wanderer zu konstruieren, war der Anlass für Porsche, zusammen mit seinem Schwiegersohn Anton Piëch und Rosenberger am 25. April 1931 das Konstruktionsbüro der Dr. Ing. h.c. F. Porsche GmbH in der Stuttgarter Kronenstraße 24 zu gründen. Das Stammkapital betrug 30000 RM, Porsche hielt mit 24000 RM 80 Prozent, Piëch und Rosenberger besaßen mit jeweils 3000 RM je 10 Prozent der Anteile am Unternehmen.
Rosenberger beschaffte weitere Aufträge. Für die Zündapp-Werke in Nürnberg wurde bei Porsche ein Fahrzeug entwickelt, das Merkmale des späteren „Volkswagens“ aufweist, u.a. den luftgekühlten Heckmotor. Doch dieser Kleinwagen ging ebenso wenig in Serie wie die Entwürfe für Wanderer. Erst 1932, nach der Fusion der vier sächsischen Unternehmen Audi, DKW, Horch und Wanderer zur Auto Union, kam das Stuttgarter Konstruktionsbüro wieder ins Geschäft. Aus dem ursprünglichen Wanderer-Rennwagen für die ab 1934 gültige 750 Kilogramm-Grand Prix-Formel wurde der Werksrennwagen der Auto Union. Bei Porsche hatte man sich entschieden, den Motor dieses Rennboliden hinter dem Fahrer zu platzieren. Die sogenannte Mittelmotorkonstruktion war bis dato in Deutschland nur einmal, 1924 beim sogenannten Benz-Tropfenwagen von Ingenieur Hans Nibel verwirklicht und von Rosenberger zu ersten Rennerfolgen gesteuert worden. Das lässt vermuten, dass Rosenbergers Rennerfahrung zu dieser ungewöhnlichen Konzeption mit beigetragen hatte. Der silberne 16-Zylinder-Rennwagen der Auto Union, entwickelt bei Porsche, schaffte es mit Hans Stuck und Bernd Rosemeyer am Volant zu bahnbrechenden Erfolgen in der Geschichte des Grand-Prix-Rennsports. Auch Rosenberger hätte theoretisch die Chance gehabt, diesen „sächsischen Silberpfeil“ zu steuern. Er selbst hat 1957 in einem Brief an das Landesamt für Wiedergutmachung sogar davon berichtet, 1933 bei den ersten Testfahrten auf dem Nürburgring einen Prototyp des Rennwagens gesteuert und bereits nach fünf Runden die Bestzeit von Hans Stuck bis auf eine Sekunde egalisiert zu haben: „Ich wurde darauf abgewunken“; man war besorgt, saß doch ein jüdischer Fahrer am Steuer.
Damals, mit der NS-„Machtübernahme“, hatten sich die Perspektiven für den Mitbegründer und Mitbesitzer der Firma Porsche bereits grundlegend gewandelt. Rosenberger, der Jude, passte nicht mehr mit dem Hauptkunden Auto Union zusammen, der Subventionen vom Reichsverkehrsministerium erhielt. Ferdinand Porsche hatte diese Unterstützung mit einer persönlichen Audienz bei Hitler anbahnen können. Die Familie Porsche machte später zwar geltend, Rosenberger habe sich zuvor bereits wegen mangelnder Geschäftserfolge aus dem Konstruktionsbüro verabschiedet, doch Rosenberger hat dies zeitlebens und wohl zurecht bestritten. Er habe 1933 seine Geschäftsanteile nur formaliter an Baron Veyder-Malberg abgetreten; diesem sei also nur „Strohmannfunktion“ zugekommen.
Nach dem Zusammenbruch begann Rosenberger, um seine alten Rechte zu kämpfen. Schon Ende der 1940er-Jahre hatte er sich an Familie Porsche gewandt, offensichtlich ohne Erfolg; denn beim Amtsgericht Stuttgart strengte er am 30.November 1949 ein sogenanntes Rückerstattungsverfahren gegen die Firmeneigentümer an. Rosenberger teilte damals mit, dass er seinen Anteil von 10 Prozent tatsächlich erst am 30. Juli 1935 an den Porsche-Sohn Ferry abgetreten habe – unfreiwillig und wegen seiner jüdischen Abstammung nur zum Nominalwert von 3000 RM, obwohl die Firma 1935 bereits mehr als 100000 RM Gewinn schrieb. Die Akten im GLA Karlsruhe und im Staatsarchiv Ludwigsburg belegen, dass Rosenberger nach 1933 weiter von Porsche ein monatliches Salär bezogen hatte und für das Stuttgarter Konstruktionsbüro im Ausland tätig war. Als Rosenberger im Sommer 1935 aus der Schweiz nach Deutschland zurückgekehrt war, überschlugen sich die Ereignisse. Laut Aktenvermerk vom 5. September 1935, vielleicht aber bereits Ende August war Rosenberger wegen „Rassenschande“, also der Beziehung zu einer „arischen“ Frau, verhaftet und am 23. September aus dem Pforzheimer Untersuchungsgefängnis ins KZ Kislau überstellt, vier Tage später aber gegen 53,40 RM als Kosten für die „Schutzhaft“ aus dem KZ entlassen worden. Rosenberger verließ Deutschland nun endgültig und wählte Paris als Exil. Ferry Porsche behauptete 1945, die Familien Porsche und Piëch hätten interveniert und dafür gesorgt, dass ihr ehemaliger Kompagnon wieder freigelassen worden sei, Rosenberger bestritt das; geholfen habe ihm 1935 allein Baron Hans von Veyder-Malberg. Unstrittig bleibt, dass Porsche 1935 noch erhebliche Schulden bei Rosenberger hatte, weshalb Rosenberger nach seiner Freilassung in seinem Pariser Exil zunächst weiter als Angestellter für die Firma tätig war und auch regelmäßig Gehalt bezog. Erst 1938 trennten sich die Wege, wie Rosenberger in einem Fernsehinterview für das ZDF vom Oktober 1966 dargestellt hat: Er habe nach seinem ersten Amerikabesuch einen Brief bekommen, „dass die Firma nicht mehr in der Lage ist, meinen Vertrag aufrechtzuerhalten, auf höhere Weisung hin.“ Sie dürfe auch nicht mehr mit ihm korrespondieren. „Das war praktisch der Abbruch unserer Beziehungen.“
Der Jude Rosenberger war im NS-Deutschland rechtlos geworden, konnte sich nicht mehr wehren. Der Kinopalast samt Haus und Grundbesitz in Pforzheim waren arisiert, Porsche überwies kein Geld mehr: weil Rosenberger keine Geschäfte tätigte und nur mehr Geld kostete, machten nach dem Krieg die Anwälte der Familien Porsche und Piëch geltend. Sie räumten allerdings auch ein, dass die NS-Behörden Druck gemacht hätten, Porsche solle sich vom jüdischen Angestellten trennen. Ferdinand Porsche war NSDAP-Mitglied, Ehrenführer bei der SS und Nationalpreisträger, sein Sohn Ferry ebenfalls SS-Angehöriger, auch Anton Piëch war bei der SS aktiv und Parteimitglied, ihre Firma längst der wohlangesehene vermögende Konzern, der den „Volkswagen“ baute, auch wenn er zumindest zum Teil wohl mit beschlagnahmten Geldern und gewiss aus den Beiträgen gläubiger „Volksgenossen“ finanziert wurde, die Geld für den Kauf des „KdF-Wagens“ ansparten. Später wurde die Firmenproduktion auf Rüstungsgüter umgestellt: anstelle von Volks- wurden Kübelwagen gebaut, auch Panzer und V2-Raketen gefertigt, von u.a. mehr als 20000 KZ-Häftlingen und Zwangsarbeitern.
Rosenberger hat 1938 Frankreich verlassen und emigrierte in die USA. Seine jahrelangen Versuche, in New York, Detroit und Los Angeles geschäftlich Fuß zu fassen, verliefen ergebnislos. Vermögen und Familienbesitz in Pforzheim waren enteignet, Rosenberger, der sich nun Robert nannte und 1944 die amerikanische Staatsbürgerschaft annahm, ein gebrochener Mann. Verwandte von ihm haben glaubhaft dargelegt, dass für ihn das Schlimmste aber nicht der ökonomische Schaden gewesen sei, sondern die Kränkung, dass er seine Leistungen, seine Biographie, seine Rolle in der Geschichte der Firma Porsche nicht anerkannt sehe. Von der alten Heimat aber war er wohl nie ganz losgekommen, ja er half sogar 1945 den Familien Porsche und Piëch, die um Fürsprache für die in Frankreich über Jahre inhaftierten Ferdinand Porsche und Anton Piëch gebeten hatten. Der fruchtlose Streit entbrannte erst später.
Rosenberger arbeitete aushilfsweise in einem Car Shop, die Steuerkarte verzeichnete eher bescheidene Einkünfte. Als der Entschädigungsprozess gegen Porsche endlich ins Rollen kam und auf den 29. September 1950 vor der Wiedergutmachungskammer des Landgerichts Stuttgart terminiert war, einigten sich beide Parteien am selben Tag auf Vorschlag des Gerichts auf folgenden Vergleich: Rosenberger erhielt von Porsche 50000 DM und einen PKW, wahlweise sofort einen VW in Luxusausführung zum Preis von 5450.– DM oder bis spätestens zum 1. Juli 1951 einen Porsche-Sportwagen zum Preis von 9850.– DM. Damit sollten alle Ansprüche Rosenbergers gegenüber der Firma Porsche abgegolten sein.
Der Fall Rosenberger schien damit rechtlich erledigt, zumindest für die Firma Porsche, die in ihren offiziellen Beiträgen zu Jubiläen des Stuttgarter Konstruktionsbüros, der Keimzelle der heutigen Porsche AG, zwar Ferdinand Porsche und Anton Piëch genannt, mit keiner Silbe jedoch Rosenberger erwähnt hat, Porsches dritten Mann.
Quellen: GLA Karlsruhe 480/11122 Bd. 1 u. Bd. 2, Akten d. staatl. Wiedergutmachungsverfahren im Fall Adolf Rosenberger/Alan Arthur Robert; StAL FL 300/33 Bü Rest S 2682 Rückerstattungsverfahren Adolf Rosenberger/Alan Arthur Robert gegen Ferdinand Porsche, Ferry Porsche u. Anton Piëch.
Nachweis: Bildnachweise: PrivatA Esslinger/Wagner, Sandra Esslinger PhD, Dep. of History and Art History, Mt. San Antonio College, Los Angeles, USA.

Literatur: ZDF „Bilanz“, Sendung vom 11.10.1966: Wer erfand den Volkswagen?; Ferry Porsche/Günter Molter, Ferry Porsche. Mein Leben, 5. Aufl. 2002; Eberhard Reuß, Hitlers Rennschlachten. Die Silberpfeile unterm Hakenkreuz, 2006; Ders., Porsches dritter Mann. Der Fall Rosenberger, SWR-Dokumentation, 2011; Martin Walter „Ein (fast) vergessener Vater des Volkswagens, d. Porsche AG u. ein erfolgreicher Rennfahrer. Der Pforzheimer Adolf Rosenberger – ein deutsch-jüdisches Schicksal.“, in: Neue Beiträge zur Pforzheimer Stadtgesch. Bd. 1, 2006; Ders., Adolf Rosenberger – Zur Geschichte eines dt. Juden. Vom erfolgreichen Rennfahrer zum Mitbegründer d. Porsche AG, in: Nicht nur Sieg u. Niederlage. Sport im dt. Südwesten im 19. u. 20. Jahrhundert. Oberrheinische Studien Bd. 28, 2011.
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