Manz, Wilhelm Johann Baptist 

Geburtsdatum/-ort: 29.05.1833;  Freiburg im Breisgau
Sterbedatum/-ort: 20.04.1911;  Freiburg im Breisgau, begr. auf dem "Ehrenhain" des Freiburger Hauptfriedhofs
Beruf/Funktion:
  • Augenheilkundler
Kurzbiografie: Schulbesuch, dann Gymnasium Freiburg
1851 Beginn des Medizinstudiums in Freiburg
1855 Medizinisches Staatsexamen
1856/57 Studienreisen nach Prag, Wien, Berlin u. Paris
1858 Diss.: „Die Akkommodation des Fischauges“
1859 Habilitation: „Über die Ganglien u. Nerven des (Säugetier-)Darms“; Venia Legendi u. Privatdozent
1863 apl. Professor
1864 Eröffnung einer privaten Augenanstalt
1867 Behandlungsräume im klinischen Hospital
1868 Einrichtung des ersten Freiburger Lehrstuhls für Augenheilkunde
1871 Ordinarius für Augenheilkunde
1877 Fertigstellung d. Univ.-Augenklinik in d. Albertstraße
1878 Gründer und erster Vorsitzender des Oberrheinischen Ärztetages
1886 (Pro-)Rektor d. Univ. Freiburg, Titel Hofrat
1901 Übergabe d. Univ.-Augenklinik an Theodor Axenfeld (➝ III 9)
1903 41. Band d. Klin. Monatsblätter für Augenheilkunde S. als FS gewidmet
1964 Benennung einer Station in d. neuen Univ.-Augenklinik Freiburg nach Manz
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Verheiratet: 1864 (Freiburg) Julie Luise Albertina, geb. Bürklin (* 1864)
Eltern: Vater: Johann Baptist (1779–1856), Bad. Oberamtmann
Mutter: Helena, geb. Wannemacher († 1858)
Geschwister: 2; Hermann (* 1813), Regierungsrat, u. Josephine
Kinder: 5; Clara Julie Helene, Otto Wilhelm, Dr. med., Schriftsteller u. 3 im Säuglingsalter gestorben
GND-ID: GND/1012779866

Biografie: Dieter Schmidt (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 6 (2011), S. 265-268

Fast die gesamte Lebensgeschichte von Manz trug sich in Freiburg zu; dort geboren lebte, lernte, wirkte und verstarb er. Seine bleibende Leistung freilich betraf sein Fach, die Augenheilkunde, zu deren Begründer und richtunggebendem Universitätslehrer er dort wurde. Während der kurzen Phasen der Abwesenheit ging es allein darum, fachliche Vervollkommnung zu erreichen.
Manz kam als jüngstes der zwei Kinder aus der zweiten Ehe seines Vaters zur Welt und wuchs in gutbürgerlichen Verhältnissen auf. Nach dem Abitur studierte Manz von 1851 bis 1855 Medizin. Sein Hauptinteresse galt anfangs vor allem der mikroskopischen Anatomie, die damals unter der Leitung des Anatomen Alexander Ecker (1816–1887) stand. Den Mittelpunkt seines Interesses aber bildeten schon früh Augenkrankheiten. Deshalb reiste er auch nach Abschluss seines Studiums 1856 über Prag nach Wien und besuchte die weithin bekannten Pioniere der Ophthalmologie Ferdinand von Arlt (1812–1887) und Eduard von Jaeger (1818–1884). Besonders wichtig war auch die mehrfache Vertiefung seiner Kenntnisse in Berlin bei Albrecht von Graefe (1828–1870), dem bedeutendsten Augenarzt Deutschlands, vielleicht Europas in dieser Zeit. 1859 unternahm Manz eine kurze Studienreise nach Paris, wo er die international renommierten Augenärzte Louis-Auguste Desmarres (1810–1882) und Julius Sichel (1802–1868) aufsuchte.
Das Promotionsverfahren Manz‘ wurde 1858 in Freiburg abgeschlossen; er untersuchte dazu die Augen von über 150 Fischen, u. a. Hecht, Rochen, Lachs, Thunfisch, Forelle, Karpfen, Haifisch und Stör, und stellte fest, dass das Fischauge im Unterschied zum Auge des Säugetiers eine flache Kornea aufweist und dass die Linse eine sphärische Form hat. Manz wies auch darauf hin, dass die Linse im Fischauge lediglich an zwei Stellen befestigt ist. Für seine Akkommodation ist die Kontraktion des Muskels in der „Campanula Halleri“, der Verbindung der Linse zum Glaskörper, entscheidend. Durch „Abplattung“ der Linse nimmt deren Abstand von der Retina zu. Daraus folgerte er, dass es sich beim Fisch um eine Akkommodation für die Ferne handelt, wobei die Brechkraft des Auges geringer wird. Schon 1859 wurde er mit einer Arbeit über die Ganglien und Nerven des Säugetierdarms habilitiert.
Seine erste universitäre Anstellung fand Manz als Assistent im Physiologischen Institut bei Georg Meissner (1829–1905); ab 1861 war er als Prosektor im Anatomischen Institut tätig. Mehrere Publikationen, beispielsweise über die Netzhaut des Frosches und die Drüsen seiner Bindehaut, später als „Manz‘sche Drüsen“ bezeichnet, entstanden damals. Unmittelbar nach der Habilitation wurde Manz zum Privatdozenten ernannt, vier Jahre später zum apl. Professor. Nach Abschluss seiner Tätigkeit am Anatomischen und Physiologischen Institut 1866 widmete sich Manz ganz der Augenheilkunde, die bisher nur als Teildisziplin der Chirurgie wahrgenommen wurde und noch in den Anfängen stak.
Der Weg des Ophthalmologen Manz hatte bereits zwei Jahre zuvor begonnen. Damals war eine private Augenanstalt mit wenigen Betten eröffnet worden, wo Manz auch Studenten in seinem Fachgebiet unterrichten konnte. Von 1867 an behandelte er Augenkranke im klinischen Hospital; einige Räume waren ihm zur Behandlung von Augenkranken in der neu entstandenen Geburtshilflichen Klinik zur Verfügung gestellt. Mit Vorlesungen über sein Fach konnte Manz 1868 beginnen. Inzwischen war ein Lehrstuhl für Augenheilkunde eingerichtet worden, dessen erster Inhaber als o. Professor er 1871 wurde. Zu seinen Mitarbeitern in der Augenklinik gehörte auch Jujiro Komoto, später Ordinarius für Ophthalmologie in Tokio.
Sicherlich ein erster Höhepunkt im Wirken Manz‘ in Freiburg war die Eröffnung der Universitäts-Augenheil-Anstalt am 20. September 1876, damals im noch freien Gartengelände nördlich der Albertstraße. Die neue Klinik wies nur 47 Betten auf, drei bis sieben pro Zimmer. Auf der Nordseite des Hauptgebäudes war der Hörsaal eingerichtet, der zugleich als Operationsraum diente. Alles war zwar eher klein geraten, um zu sparen, und erwies sich auch bald als erweiterungsbedürftig, dennoch, mit der Einrichtung dieser neuen Klinik war Freiburg vorbildlich.
Der Lehrer Manz, privat ein „tüchtiger Sänger“ und politisch sehr interessiert, Mitglied der Freiburger Burschenschaft „Teutonia“, hat sich immer intensiv dem Unterricht seiner Studenten und Mitarbeiter gewidmet. Von ihm entwickelte Wachspräparate dienten als Anschauungsmaterial, um die Entstehungsgeschichte des Auges zu verdeutlichen. Intensive Lehrtätigkeit trug mit dazu bei, dass das Fach Augenheilkunde bald zur festen und wohlgeachteten Einrichtung innerhalb der Univ. Freiburg wurde, womit die Freiburger Universität sogar eine Vorreiterrolle in Deutschland gewann.
Der angesehene Lehrer und Wissenschaftler war mehrfach Dekan der medizinischen Fakultät. 1886 wurde er zum (Pro-)Rektor der Universität unter dem Titularrektorat des Großherzogs gewählt und erhielt den Titel Hofrat. Aus dieser Funktion sind zwei viel beachtete Reden überliefert: bei der Übergabe des Amtes am 13. Mai sprach er „Über den ophthalmologischen Unterricht“. Er nannte er das Auge „einen Mikrokosmos“, mit fast allen im Körper vorkommenden Geweben ausgestattet und wies auch auf den Zusammenhang des Sehnervs, einem direkten Ausläufer des Gehirns, mit dem Zentralnervensystem hin. Die zweite Rede hielt er anlässlich des Geburtstags von Großherzog Friedrich I. zum Thema „Die Ätiologie der älteren und modernen Ophthalmologie in ihrer besonderen Bedeutung für die Therapie“. Dabei wies Manz auf neue Entdeckungen der Augenheilkunde hin: die Beziehung zwischen Sehnerventzündung und Gehirnleiden, die Netzhautentartung bei Nierenaffektionen, die Analyse der Augenbewegungen und die Akkommodationsparese nach Diphtherie. Als Augenkrankheiten, die mit neuen Methoden besser als früher behandelt werden können, zählte er die Augenentzündungen der Neugeborenen (Blennorrhoea neonatorum) auf und den grauen Star.
Dass es dem Freiburger Pionier seines Fachs ein besonderes Anliegen war, dieses fester zu verankern und auch einer möglichst breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, zeigen seine Vorträge für Laien. Für Mediziner veranstaltete er Fortbildungskurse und berichtete über seine weitreichenden jahrzehntelangen Erfahrungen, die er bei zahlreichen Augenoperationen gewonnen hatte, allein etwa 2000, die dem grauen Star galten. Manz war ein hervorragender klinischer Wissenschaftler mit fundamentalen Kenntnissen der Anatomie und Physiologie des Auges, wie seine Publikationen in klarer Ausdrucksweise und mit kritischen Beurteilungen verdeutlichen. Er beschrieb krankhafte klinische Befunde präzise und histologische Veränderungen bis ins kleinste Detail. Neben seiner klinischen und wissenschaftlichen Arbeit war Manz insbesondere als Mitglied des Verwaltungsrates der klinischen Hospitäler und in der medizinischen Fakultät aktiv. 1878 rief Manz den „Oberrheinischen Ärztetag“ ins Leben und wurde sein erster Vorsitzender.
Im Zentrum des wissenschaftlichen Werks von Manz, über 100 Publikationen, steht eine ganze Reihe von Veröffentlichungen über die Entwicklungsgeschichte des menschlichen Auges und dessen Fehlbildungen. Über beide Themenkreise schrieb er auch im damals epochemachenden „Handbuch der gesamten Augenheilkunde“. Manz berichtete erstmals über Tuberkel in der Aderhaut und prägte den Ausdruck „Retinitis proliferans“ für eine schwere, unbehandelt zur Erblindung führende Erkrankung der Netzhaut. Dieser Begriff wird bis heute in der internationalen Fachsprache verwendet. An Tieren untersuchte er den Zusammenhang zwischen erhöhtem intrakraniellem Druck mit nachfolgender Sehnervschwellung, als „Stauungspapille“ bezeichnet, und gab den ersten Impuls für die Entwicklung der erst viel später anerkannten sog. „Transport-“ oder „Schmidt-Manz‘schen Theorie“. Zahlreiche weitere Forschungsergebnisse zu Erkrankungen des Sehnervs und einzelner Abschnitte des Auges, traumatischen Verletzungen sowie neue Techniken bei Augenoperationen wurden von Manz in die Wissenschaft eingeführt. Die scharfe Beobachtungsgabe Manz‘ tritt dabei immer wieder deutlich hervor. Mit fundierter Kenntnis der physiologischen und anatomischen Grundlagen gelang es ihm, zahlreiche Augenkrankheiten genau zu beschreiben und einzuordnen. Manz betonte auch als Erster, dass Spaltbildungen von Augenanteilen, sog. „Kolobome“, Hemmungsmissbildungen darstellen. Er beschrieb Augenkrankheiten bei Syphilis, Krebsmetastasen der Aderhaut, Lähmungen von Hirnnerven und stellte erstmals das histologische Bild eines Zentralarterienverschlusses dar.
1901, im Alter von 68 Jahren, legte Manz sein Amt als Ordinarius nieder, stand der Klinik aber weiterhin beratend zur Verfügung und blieb engagiert bis kurz vor seinem Lebensende. Gelegentlich besuchte er sogar Vorlesungen und nahm noch 1909 am ersten augenärztlichen Fortbildungskurs in Freiburg teil.
In Nachrufen würdigte Theodor Axenfeld in seinem Vorgänger den Vorkämpfer seines Fachs als gewissenhaften und sachkundigen Wissenschaftler und hob die Verdienste hervor, die sich Manz um die Anerkennung seines Fachs in Freiburg und in Deutschland erworben hat.
Quellen: StAF G 540/1, Freiburg Abt. IV Nr. 23731 ; Nachlassakte Wilhelm Manz; UA Freiburg im Br. B 24/2285, Personalakte Wilhelm Manz; StadtA Freiburg im Br. H 7508 u. H 1851, den Vater Manz‘ u. dessen 1. Ehefrau, sowie H 7696, die Mutter betreffend.
Werke: zusammengestellt bei D. Schmidt, in: Mitt. d. Julius-Hirschberg-Ges. 6, 2004, 201–209 (vgl. Literatur). – Auswahl: Tuberculose d. Chorioidea, in: Albrecht von Graefes Archiv für Ophthalmologie [AfO] 4, 1858, 120– 126; Die Akkomodation des Fischauges, Diss. med. Freiburg im Br. 1858 (gedr. 1861); Über die Ganglien u. Nerven des Darms, Berr. d. Verhandlungen d. naturforsch. Ges. Freiburg, 1859; Experimentelle Untersuchungen über Erkrankungen des Sehnerven in Folge von intracraniellen Krankheiten, in: AfO 16, 1870, 265–296; Entwicklungsgeschichte des Auges, Jahresbericht über die Leistungen u. Fortschritte im Gebiete d. Ophthalmologie, hg. von A. Nagel, 1872; 56–63; Über Veränderungen am Sehnerven bei acuter Entzündung des Gehirns, in: Klin. Monatsbll. für Augenheilkunde 12, 1874, 447–454 u. 469; Entwicklungsgeschichte des menschl. Auges, in: Alfred Graefe u. Theodor Saemisch (Hgg.), Handb. d. gesamten Augenheilkunde, 1875, 1–57; Die Missbildungen des menschl. Auges, ebd. 58–144; Über die Augen d. Freiburger Schuljugend, Vortrag Freiburg im Br. u. Tübingen, 1883, 1–36; Die Ätiologie d. älteren u. modernen Ophthalmologie in ihrer bes. Bedeutung für die Therapie. Rede zur Feier des Geburtsfestes s. k. H. Grossherzogs Friedrich im Namen des akad. Senats d. Univ. Freiburg im Br., 1886; Rede bei d. öffentl. Feier d. Übergabe des Prorectorats in d. Aula am 13. Mai 1886; Über die Hornhautentzündung bei Sepsis, in: Münchner medizin. Wochenschrift 35, 1888, 175–178 u. 200–204; Die Universitäts-Augenheil-Anstalt in Freiburg im Br., in: von Zehender (Hg.), Universitäts-Augenheilanstalten, 1888, 59–63; Über die recidivierende Oculomotoriuslähmung, in: Berliner Klinische Wochenschr. 26, 1889, 749–751; Anatomische Untersuchung eines an Embolie der Arteria centralis retinae erblindeten Auges, FS zur Feier des 70. Geburtstags von H. von Helmholtz, 1891, 9–17; Über das angeborene Colobom des Sehnerven, in: Archiv für Augenheilkunde 23, 1891, 1–18; Über Magnetoperationen am Auge, in: Münchner medizin. Wochenschrift 44, 1897, 345 f.; Von den Operationen des Altersstars, ebd. 50, 1903, 49–53; Über die Farbe des menschl. Auges, Dt. Revue 1905, 1–13.
Nachweis: Bildnachweise: Gemälde, unbek. Künstler [o.J.], in d. Freiburger Augenklinik, Foto in: Mitt. d. J.-Hirschberg-Ges. 6, 2004, 151 (vgl. Literatur).

Literatur: FS Wilhelm Manz, Klin. Monatsbll. für Augenheilkunde 41, 1903; Th. Axenfeld, Wilhelm Manz †, in: Dt. Medizin. Wochenschr. 37, 1911, 1317 f.; ders., Wilhelm Manz †, in: Klinische Monatsbll. für Augenheilkunde 49, 1911, 718–725; G. Mackensen, H. H. Unger, H. Witschel, Die Entwicklung d. Augenheilkunde. Ein historischer Rückblick in Freiburg, 1997; D. Schmidt, Wilhelm Manz (1833–1911), erster Lehrstuhlinhaber d. Univ.-Augenklinik Freiburg (1868), in: Mitt. d. Julius-Hirschberg-Ges., Wien, 6, 2004,145-211.
Suche
Durchschnitt (0 Stimmen)