Eirich, Gustav 

Geburtsdatum/-ort: 16.04.1833;  Hardheim
Sterbedatum/-ort: 15.02.1914;  Hardheim
Beruf/Funktion:
  • Konstrukteur, Erfinder und Fabrikant
Kurzbiografie: 1839–1847 Volkschule in Hardheim, dann Lehre als Zimmermann u. Mühlenbauer im elterlichen Betrieb; anschließend Gesellenjahre
1853–1854 Einjährig-Freiwilliger bei den Pionieren in Mannheim, Worms u. Karlsruhe, dabei technischer Unterricht in Projektionslehre u. Freihandzeichnen
bis 1863 Mühlenbauer, gemeinsam mit seinen Brüdern Franz u. Constantin, außerdem staatl. Feuer-Schauer (heute: Bezirksbaumeister)
1863 Gründung d. eigenen Maschinenfabrik
1869–1873 Vereinbarung mit dem Hardheimer Ölmüller über die Nutzung d. Wasserkraft seiner Mühle; bei d. Hardheimer Ölmühle, ca. 1 1/2 km entfernt, ein kleines Gebäude mit durch Wasserkraft angetriebenen Werkzeugmaschinen errichtet, wo die Dreharbeiten ausgeführt wurden
1873 neue Werkstätte beim Hoffenbach errichtet
1883 Mittelmühle im Wege eines Kauftausches erworben, umgebaut u. 1884/85 um ein modernes Sägewerk nach eigener Konstruktion erweitert
1900 Söhne Ludwig u. Joseph übernehmen die Geschäftsleitung
1902 Bei der Düsseldorfer Industrieausstellung zufälliger Kontakt zur Zementindustrie, die brauchbare Mischgeräte benötigt; Bau eines Tellermischers in drei Größen
1904 elektrisches Licht in d. Maschinenfabrik u. den Wohnungen d. Familie Eirich eingeführt
ca. 1905 Erfindung des Universalmischers u. damit grundlegende Innovation im Misch-Maschinenbau
1907 „Maschinenfabrik Gustav Eirich, Elektrizitätswerk“ errichtet für die Stromversorgung von ganz Hardheim; 1908 elektrische Straßenbeleuchtung, bis 1918 alle Haushalte angeschlossen
Sommer 1913 die „Eirich-Mischer“ erhalten die Goldene Medaille als Königl. Sächs. Staatspreis bei d. Industrieausstellung in Leipzig
1950/52 Bau d. „Eirich-Siedlung“, 6 Doppelhäuser am Ortsausgang von Hardheim
2003 Gustav-Eirich-Straße im neuen Industriegebiet Hardheim
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Verheiratet: 1863 (Hardheim) Rosa, geb. Erbacher (1843–1913), Tochter des Gerbermeisters Joseph Anton Erbacher (1794 –1853) aus Hardheim.
Eltern: Vater: Mathias (1793–1874), Zimmermann
Mutter: Maria Franziska, geb. Piot (1790–1843)
Geschwister: 8; Franz Joseph (1819–1861), Constantin Joseph (1821–1872), Maria Genofeva (1823–1825), Johann (1824 –1889), Maria Genofeva (1827–1898), Gustav (1829–1830), Ludwig (1831–gest. den USA), Mathias (1835–1836) u. Halbschwester Maria Louise (1850–1879)
Kinder: 5; Ludwig (1864 –1935), Fabrikant, Theresia (1865–1938), Genofeva (1868), Joseph (1869–1962), Fabrikant, u. Anna (1871–1908).
GND-ID: GND/1012788245

Biografie: Torsten Englert (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 6 (2011), S. 87-90

Im Vergleich zur allgemeinen Entwicklung setzte die Industrialisierung in Hardheim mit einer Verzögerung von mehreren Jahrzehnten und in relativ bescheidenem Umfang aus handwerklichen Betrieben heraus ein. Ein Grund dafür war, dass die Region als „Badisch Sibirien“ reichlich im Abseits stand. Hardheim beispielsweise erhielt erst 1911 einen Anschluss an das für den Transport von Gütern und Rohstoffen wichtige Eisenbahnnetz.
Von ausschlaggebender Bedeutung für die industrielle Entwicklung dieses Ortes war die seit dem 17. Jh. als ursprünglich Mainzer Untertanen nach Hardheim gekommene Familie Eirich, durchweg tüchtige und fleißige Zimmerleute. Eirich war das jüngste von insgesamt acht länger lebenden Geschwistern. Als 10-jähriger verlor er die Mutter. Sein Vater verheiratete sich 1848 zum zweiten Male und zog in ein neu erbautes Anwesen in der Bretzinger Straße; das alte Haus im Hofacker, heute »erfa-park«, überließ er samt einer kleinen Landwirtschaft Eirich und seinen Geschwistern Johann, Franz, Ludwig und Genoveva, die den Brüdern auch den Haushalt führte.
Der Familientradition entsprechend lernte Eirich das Zimmerer- und Mühlenbauerhandwerk. Im Taubertal und seinen Seitentälern mit den zahlreichen Getreide-, Öl- und Gipsmühlen lag sein Arbeitsgebiet; denn es war damals Handwerksbrauch, die meisten Arbeiten bei der Kundschaft auszuführen. Weite Fußmärsche auf schlechten Wegen mit schwerem Werkzeug im Gepäck waren Alltag des jungen Handwerkers, genauso wie meist primitive Unterkunft und deftige Kost am Gesindetisch.
Um 1853 kam Eirich seiner Wehrpflicht bei den Pionieren nach, ein Lebensabschnitt, der für seine späteren Jahre von außerordentlichem Nutzen sein sollte, da er gründlichen technischen Unterricht erhielt, insbesondere in Projektionslehre und Freihandzeichnen. Als „Mühlarzt“ arbeitete Eirich später meist mit seinen Brüdern Franz und Constantin zusammen. 1860 kauften er und sein Bruder Constantin ein Grundstück mit Wohnhaus in der Hofacker-, heute Würzburger Straße 32. Außerdem stand er bis zur Selbständigkeit als „Feuer-Schauer“, was einem heutigen Bezirksbaumeister entspricht, im Dienst des für Hardheim zuständigen Bezirksamts Wertheim und von 1872 bis 1877 war er nebenberuflich auch Hardheimer Feuerwehrkommandant.
Der weit wichtigere Vorgang trug sich am 19. Mai 1863 zu, als Eirich seine Maschinenfabrik gründete. Hierzu richtete er auf dem Grundstück in der Hofackerstraße neben dem Wohnhaus eine kaum 50 qm große Werkstätte ein, die Keimzelle des heutigen weithin bekannten Unternehmens. Das von Eirich geführte Geschäftsbuch besagt, dass seine Barmittel 526 Gulden und 42 Kreuzer betrugen, denen Schulden in Höhe von 407 Gulden und 30 Kreuzer gegenüberstanden. Zunächst beschäftigte Eirich zwei Gesellen, die für 30 Kreuzer täglich arbeiteten, in seinem Haus wohnten und am Familientisch teilnahmen. Fast alle Arbeit wurde noch von Hand erledigt, an Maschinen in der ersten Werkstätte gab es nur eine selbstgebaute Bohrmaschine mit senkrechter Gewindespindel, eine ebenfalls selbstgebaute Bandsäge, eine komplette Schmiede mit Handstanze, eine kleine Drehbank und eine Blechschere.
Schwerpunkt der Arbeit des neu gegründeten Betriebes waren zu Anfang Instandsetzungen und Ausbauarbeiten in den Getreidemühlen des Erfatales und der näheren Umgebung. Wegen des guten Rufes von Eirich aber wuchs das Fertigungsspektrum rasch und kontinuierlich. Vor allem Maschinen für die Landwirtschaft wurden in den ersten dreißig Jahren hergestellt: Handkurbeldreschmaschinen, Häckselmaschinen, Göppel, dazu Tonauswalzmaschinen. Außerdem gehörten der Wasserradbau und Zubehörteile für Sägewerksmaschinen zur Produktpalette.
Die Antriebskraft stellte für die weitere Entwicklung des Betriebes das größte Problem dar, da der menschlichen Muskelkraft Grenzen gesetzt sind. Mit dem damaligen Müller Max Beuchert, dessen Mehl- und Ölmühle, sowie Sägewerk an der Erfa in Richtung Miltenberg gelegen waren, konnte vereinbart werden, dass Eirich einen Teil der Energie des Wasserrades für den Antrieb von zwei Drehbänken nutzen durfte. Dazu wurde ein Maschinen-Schuppen neben der Mühle errichtet. Als Problem erwies sich nur der relativ weite Weg von ca. anderthalb Kilometern zwischen beiden Stätten, der mehrmals täglich zurückgelegt werden musste, wobei die Werkstücke ebenfalls transportiert werden mussten.
Durch umsichtiges Wirtschaften und Fleiß konnte Eirich bereits zehn Jahre nach der Firmengründung auf seiner Wiese am Hoffenbach, wo heute die Eirich-Siedlung liegt, im Jahr 1873 eine größere Werkstatt mit Maschinenpark bauen, dessen Werkzeugmaschinen durch ein eigenes Wasserrad angetrieben wurden. Auch der Maschinenpark war jetzt deutlich größer; in der neuen Werkstatt standen fünf Drehbänke. Die übliche Arbeitszeit der 10 bis 15 Arbeiter dauerte im Sommer von 5 Uhr früh bis abends 8 Uhr, zweimal unterbrochen vom Vesper und einer halben Stunde Mittagspause. Im Winter wurde von 6 Uhr früh bis abends 7 Uhr gearbeitet. Der Wochenlohn für einen Schlosser oder Dreher betrug 4 bis 6 RM bei freier Kost, wovon monatlich 30 Pfennige an das Hardheimer Spital entrichtet werden mussten, das im Gegenzug Unterkunft und Pflege bei Unfällen oder Krankheit gewährte.
In den 1870er Jahren fanden die von Eirich konstruierten Feinwalzwerke für Ton und Lehm bei zahlreichen Klein-Ziegeleien und Töpferwerkstätten der weiteren Umgebung Anklang und Absatz. Göppel, die mechanische Vorrichtung zur Erzeugung einer Antriebskraft durch Mensch oder Tier, die in der Landwirtschaft insbesondere eingesetzt wurden zur Bewegung ihrer Maschinen, wurden bereits 50 Stück im Jahr abgesetzt, 1878 wurde mit dem Bau von Wasserrädern begonnen, Kammrädern und Transmissionswellen.
Durch den geplanten Bau einer Hochdruck- und Wasserleitung durch die Gemeinde Hardheim war eine erhebliche Schwächung der zur Verfügung stehenden Wasserkraft des Hoffenbaches zu vermuten. Dies hätte existenzielle Folgen für den kleinen Betrieb haben können. Deshalb suchte Eirich nach einer Lösung des Problems.
Mit unternehmerischer Weitsicht erstand Eirich im Alter von 50 Jahren 1883 im Wege eines Kauftausches die in finanzielle Schwierigkeiten geratene Mittelmühle Josef Mai und baute sie nach den Bedürfnissen der Maschinenfabrik um. Die dafür nötigen Betriebsmittel musste er sich leihen, da die Hardheimer Gemeindeverwaltung ihm keine Unterstützung gewährte. Durch diese Investition war das Energieproblem für die Werkzeugmaschinen 20 Jahre nach der Betriebsgründung auf lange Sicht gelöst.
Im Jahr 1885 eröffnete Eirich im Nebenbetrieb noch ein bei seiner Werkstätte gelegenes Sägewerk, das sich sehr günstig entwickelte. Die Menge an Holzanfuhr für Lohnschnitte war mehr als die Leistungsfähigkeit der Eirich-Schneidmühle verarbeiten konnte. Deshalb wurde ein neuer Durchschneidesattel konstruiert, welcher den Hochgang des Sägegatters grundsätzlich vereinfachte, indem er Zeit- und Holzverluste minimierte. Diese konkurrenzlose Neukonstruktion brachte gute Anfangserfolge, und die neuen Kontakte zu Sägewerken förderten auch den Absatz von eisernen Wasserrädern und Triebwerkteilen. Im württ. Plochingen und in Ludwigshafen am Rhein wurden damals die ersten Vertreterfirmen für Sägewerkseinrichtungen gewonnen, und zur weiteren Steigerung der Leistungskraft wurde das Seitengatter entwickelt, eine neuartige, universell verwendbare Gattersäge. Im Jahr 1899 war der Bau von Sägewerksmaschinen noch weiter fortgeschritten; jetzt lieferte Eirich auch Horizontal- und Vollgatter eigener Konstruktion. Die Fabrikation in der Maschinenfabrik war nun hauptsächlich auf den Bau von eisernen Wasserrädern mit dazu gehörenden Triebwerken, Dreschmaschinen, Häckselmaschinen und ähnlichem konzentriert.
Im Jahr 1900 übertrug Eirich seinen beiden Söhnen Ludwig und Joseph die Geschäftsleitung des Betriebes, er selbst kümmerte sich nach wie vor um alle Obliegenheiten des Geschäfts, seine noch immer beachtliche Arbeitskraft aber widmete er hauptsächlich dem Sägewerk. Die Firma Eirich hatte zu dieser Zeit zwischen 30 und 40 Mitarbeiter.
Während der Düsseldorfer Industrieausstellung 1902 ergab sich dann zufällig ein Kontakt mit einem Vertreter der noch jungen Zementindustrie, der auf der Suche nach brauchbaren, damals noch gänzlich fehlenden zuverlässigen Mischgeräten war. Daraufhin konstruierte Eirich einen Tellermischer mit Koller und zentrisch laufenden Werkzeugen in drei Größen, der guten Anklang und Absatz fand. 1905 wurde von Eirich dann als grundlegende Neuerung der Universalmischer mit dem charakteristischen stillstehenden Teller konstruiert, in dem ein zentrisches und ein oder zwei planetartig umlaufende Mischsysteme rotieren. Für das Produkt wurde Patentschutz in allen Industriestaaten erwirkt, und bei der Industrieausstellung in Leipzig im Sommer 1913 wurden Eirichss „U.- und K.-Mischer“ mit dem Königlich Sächsischen Staatspreis, der Goldenen Medaille, ausgezeichnet.
Der jüngere Sohn von Eirich, Joseph, leistete von 1890 bis 1893 seinen Militärdienst bei der Kaiserlichen Marine. In einem Brief, der vermutlich aus San Francisco stammte, beschrieb er seinem älteren Bruder Ludwig das elektrische Licht, welchem er dort begegnet war. 1904, rund zehn Jahre später also, wurde in der Maschinenfabrik und in den Wohnungen der Familie Eirich elektrisches Licht eingeführt. Dafür wurde ein eigener Dynamo-Raum errichtet mit einem Stromerzeuger, der mit 4600 W und einem Kraftbedarf von 6,5 Pferdestärken arbeitete. Auch die beiden Nachbarn, ein Zahnarzt und eine Apotheke, wurden damals mit elektrischem Licht versorgt und an Weihnachten 1905 erstrahlte im Schaufenster der Apotheke erstmals eine elektrische Kohlenfadenlampe. Nach Augenzeugenberichten zog die Hardheimer Bevölkerung in Scharen um dieses »Lichtwunder«. 1907 errichtete dann die „Maschinenfabrik Gustav Eirich, Elektrizitätswerk“ im Benehmen mit dem Bürgermeisteramt ein privates E-Werk für die Stromversorgung von ganz Hardheim. 1908 wurde die Ortsbeleuchtung durch elektrische Straßenlampen ersetzt und bis zum Ende des I. Weltkrieges waren alle Haushalte an das Stromnetz angeschlossen.
Eirich starb im Alter von 81 Jahren als geschätzter, wohlangesehener Bürger. Seine Leistung bestand vor allem in seiner innovativen Kraft. Erstmals hatte er Wasserräder aus Eisen konstruiert und eingesetzt, was Kunden in vielen Bereichen neue Möglichkeiten eröffnete. Daraus resultierende stärkere Kundenbindung zeigte sich besonders bei der Betreuung von Sägewerken, die mit der Zeit vom Wasserrad und den dazu gehörenden Triebwerkteilen bis zum Bau des von Eirich selbst konstruierten Seitengatters ihre Geräte von der Hardheimer Firma Eirich bezogen. Die wohlüberlegt auf mehrere Standbeine verteilte Produktion: Maschinenfabrik, Sägewerk und Elektrizitätswerk und die Arbeitsverteilung untereinander, insbesondere in Notzeiten, wurde zum Erfolgsrezept in nunmehr fast 150 Jahren Firmengeschichte.
Die Maschinenfabrik Gustav Eirich GmbH&Co. KG ist gegenwärtig einer der Weltmarktführer in den Bereichen Misch- und Aufbereitungstechnik für Feststoffe. Im Jahr 2010 umfasste die Eirich-Gruppe 18 Gesellschaften in 11 Ländern auf vier Kontinenten und hatte ca. 1 300 Mitarbeiter, davon rund 650 am Stammsitz in Hardheim.
Quellen: FirmenA Maschinenfabrik Gustav-Eirich GmbH&Co. KG, Hardheim; FamilienA Eirich, Hardheim; A des Erfatal-Museum, Hardheim; Kath. PfarrA St. Alban, Hardheim, Festrede des Enkels Willi Eirich zum 75-jähr. Firmenjubiläum 1938, Lebenserinnerungen des Sohnes Joseph Eirich verfasst 1954 u. 1957/58, Notizen aus dem Leben des Großvaters für erwachsene Enkel von Willi Eirich 1985, Firmenprospekte zum 100.- u. 125.-jährigen Firmenjubiläum; Auskünfte d. Urenkel Hubert Eirich-Hollerbach u. Paul Eirich, beide Gesellschafter in d. Geschäftsleitung d. Maschinenfabrik Gustav-Eirich GmbH&Co. KG, Hardheim, außerdem von Dipl.-Ing. Claus Bernhard, Heidelberg
Nachweis: Bildnachweise: in den FirmenA Eirich u. im A des Erfatal-Museums (vgl. Quellen).

Literatur: Ein Unternehmen mit Weltruf, in: Hardheim – Perle des Erfatals, 1988; Wasserkraft – Die Mühlen im oberen Erfatal, 2003; Dokumentation über die ehemalige Wasserkraftanlage Lindenmühle bei Hardheim, 2003; Als die Nacht zum Tag wurde – Die Anfänge d. Elektrifizierung von Hardheim, 2005; RNZ vom 16. 4. 2008, Biographie zum 175 Geburtstag von Gustav Eirich; Hardheim u. seine Ortsteile – einst u. heute, 2009.
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