Hilbert, Anton 

Geburtsdatum/-ort: 24.12.1898;  Untereggingen
Sterbedatum/-ort: 25.02.1989;  Stühlingen
Beruf/Funktion:
  • Landwirt und Kaufmann, MdB u. MdL-Badische Bauern- und Wirtschaftspartei, später Zentrum, dann BCSV/CDU
Kurzbiografie: 1916–1920 Kriegsteilnahme bei d. Fußartillerie, zuletzt Vizefeldwebel, ab 1917 franz. Kriegsgefangenschaft
1920 Heimkehr, Anstellung beim Grenzschutz u. Übernahme des landwirtschaftlichen Betriebes seiner Frau
1926 Mitglied d. Kreisversammlung Waldshut
1929–1933 Mitglied des Bad. Landtages-Bad. Wirtschafts- u. Bauernpartei, 1931 nach deren Auflösung Wechsel zur Zentrumspartei; Schriftführer des Landtages; stv. Vorsitzender des Petitionsausschusses
1945 Bürgermeister d. Gemeinde Wutha, Thüringen
1946–1948 Bürgermeister d. Gemeinde Untereggingen, später Gemeinderat u. stv. Bürgermeister dieser Gemeinde
1946–1952 Mitglied d. Beratenden Landesversammlung, dann des (Sűd)Bad. Landtages
1946/47 Staatssekretär für Landwirtschaft in (Süd)Baden
1947–1963 Stv. Vorsitzender d. BCSV/CDU in (Süd)Baden
1949–1969 Mitglied des Parlamentarischen Rates u. MdB, Wahlkreis Donaueschingen, später Waldshut
1949–1950 Stv. Vorsitzender d. CDU-Bundestagsfraktion
1949–1953 bis Nov. 1949 Vorsitzender bzw. stv. Vorsitzender des Ausschusses für innergebietliche Neuordnung
1952–1956 MdL-CDU
1961–1970 Mitglied d. Beratenden Versammlung des Europarats
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Auszeichnungen: Ehrungen (Auswahl): Eisernes Kreuz II. Klasse (1917); Ehrenbürger von Eggingen (1958); Großes Verdienstkreuz des Verdienstordens d. Bundesrepublik Deutschland am Bande (1961); Verdienstmedaille d. Gemeinde Eggingen (1978); Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg (1980)
Verheiratet: 1921 (Untereggingen) Luise, geb. Kramer (1897–1973)
Eltern: Vater: August (1867–1940), Weichenwärter, später Bahnhofsvorstand
Mutter: Karolina, geb. Leichenauer (1870–1958)
Geschwister: 2; Bertha (geboren 1901) u. Josef (geboren 1902)
Kinder: 3;
Elsa Katharina, verh. Benz (1922–1996),
Ernst August (1926–1998),
Günter (geboren 1929)
GND-ID: GND/1012801187

Biografie: Michael Kitzing/Angela Keller-Kühne (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 5 (2013), 172-175

Hilbert wurde in eine kinderreiche Beamten- und Bauernfamilie geboren. Er besuchte die Volksschule und bildete sich danach in Abendkursen auf der Handels- und Gewerbeschule in Singen fort; seine praktische Ausbildung erhielt er im väterlichen Betrieb in Riedöschingen. Im Frühjahr 1916 meldete sich Hilbert als Kriegsfreiwilliger und wurde zur Fußartillerie nach Straßburg eingezogen. Nach erster Bewährung an der Front und der Beförderung zum Vizefeldwebel geriet er 1917 für drei Jahre in französische Kriegsgefangenschaft. Im März 1920 heimgekehrt wurde Hilbert beim Zoll in Untereggingen angestellt. 1921 heiratete er und übernahm den landwirtschaftlichen Betrieb seines Schwiegervaters.
Politisch engagierte sich Hilbert zunächst beim Badischen Landbund, der späteren Badischen Bauernpartei, einer Interessenpartei mit national-konservativer Prägung. Bemerkenswert ist die Mitgliedschaft Hilberts im Landbund insofern, als darin das protestantische Element dominierte. Gleichwohl versuchte der Landbund auch unter katholischen Landwirten in Konkurrenz zur Zentrumspartei Stimmen zu gewinnen, vor allem durch die wiederholt vorgetragene Behauptung, das Zentrum habe die Interessen der Landwirtschaft nach dem I. Weltkrieg nicht angemessen vertreten. 1929 verlor die Bauernpartei viele Stimmen an die NSDAP. Hilbert gelang zwar wieder der Einzug ins Rondell, der Auflösungsprozess seiner Partei war jedoch nicht mehr aufzuhalten. Bis 1931 traten bis auf Hilbert alle verbliebenen Abgeordneten der Partei in die NSDAP über. Gauleiter Wagner persönlich suchte mehrfach den Kontakt zu Hilbert und forderte ihn auf, sich auch der NSDAP anzuschließen. Schon dabei brachte Hilbert deutlich seine andere Haltung zum Ausdruck; er wechselte als Katholik in die Zentrumsfraktion.
Entsprechend galt ihm danach der Hass der badischen NSDAP, deren Abgeordnete Hilbert im Landtag wiederholt übel beschimpften. Zum Eklat kam es am 17. Februar 1932, als Hilbert im Landtag Hitler als österreichischen Deserteur bezeichnete. Gerade weil er seine Aussage anhand von bayerischen Parlamentsakten aus dem Jahre 1924 belegen konnte, trat ihm die NSDAP-Fraktion wieder mit Beschimpfungen entgegen, der Abgeordnete Kraft prügelte sogar auf ihn ein.
Auch in den folgenden Jahren ist Hilbert seiner Haltung treu geblieben und hat noch im Märzwahlkampf 1933 deutlich Stellung bezogen: „Der gegenwärtige Wahlkampf ist der entscheidendste […] Wir leben jetzt wieder in den Zeiten, die unsere Väter schon einmal durchgemacht haben, in den achtziger und neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Dort hat man die Katholiken aufs Schwerste misshandelt.“ (Hegauer Erzähler, 13.2.1933) Bald nach dem NS-Wahlsieg sah Hilbert sich Repressionen ausgesetzt: Der Zentrumspartei wurde verboten, den in der NS-Presse als „übler Patron“ Verunglimpften, als Kandidaten für den Wahlkreis Donaueschingen-Engen aufzustellen. Man wolle ihm beibringen, was „nationaler Anstand“ bedeute (Der Führer, 6.7.1933). Schließlich wurde Hilbert 1933 mehrfach in Schutzhaft genommen, mit einem Redeverbot belegt und im Dezember 1933 aus Baden ausgewiesen. Unterstützung in der NS-Zeit erhielt er durch einen ehemaligen Parteifreund, den zur NSDAP übergetretenen Industriellen Albert Hackelsberger, der Hilbert eine Anstellung in einem Filialbetrieb seines Unternehmens in Wutha bei Eisenach vermittelte.
Unmittelbar nach dem Ende des II. Weltkrieges setzte Hilbert sein politisches Engagement fort. Seine neue Heimatgemeinde Wutha wurde zunächst von den Amerikanern besetzt, die Hilbert zeitweilig mit der Funktion des Bürgermeisters betrauten; er war auch bei der Gründung der CDU in Thüringen engagiert. Am 15. Juni 1945 wurde die Gemeinde dann an die russische Besatzung übergeben. Hilbert bemühte sich bei Marschall Shukov um seine Ausreisebewilligung, die im November 1945 erteilt wurde.
Gleich nach der Rückkehr nahm er aktiv am Aufbau des demokratischen Gemeinwesens in Baden teil, gründete die CDU im Landkreis Waldshut mit und war anderthalb Jahrzehnte stellvertretender Vorsitzender der Landespartei. In Untereggingen wurde Hilbert zunächst Bürgermeister, später dessen Stellvertreter und Gemeinderat. Er gehörte dem Landtag, bald auch der Landesregierung als Staatssekretär für Wirtschaft- und Landwirtschaft an. Dabei war Hilbert immer bestrebt, wirtschaftliche Not zu lindern und die Bevölkerung vor den schlimmsten Auswüchsen der französischen Demontagepolitik zu bewahren.
Einen Höhepunkt in seiner politischen Tätigkeit erreichte Hilbert als Mitglied des Parlamentarischen Rates, in den er im Frühjahr 1949 für den erkrankten Hermann Fecht nachrückte. Da die Arbeiten am Grundgesetz schon sehr weit gediehen waren, blieben seine Einfluss- und Wirkungsmöglichkeiten zwar begrenzt, umso größer war sein Engagement bei der Debatte um Art. 118 des Grundgesetzes, der eine Sonderregelung für die territoriale Neugliederung im deutschen Südwesten vorsah. Hilbert trat für die Wiederherstellung Badens ein.
Zusammen mit dem Karlsruher Abgeordneten Adolf Kühn versuchte sich Hilbert dagegen zu wehren, dass nahezu automatisch ein größerer Südweststaat herbeigeführt würde. Die endlich verabschiedete Fassung des Artikels besagte, dass eine Neugliederung des deutschen Südwestens aufgrund einer Vereinbarung der betroffenen Länder erfolgen solle. Wenn eine solche Vereinbarung nicht zustande käme, solle die Neugliederung durch ein Bundesgesetz geregelt werden, das eine Volksbefragung vorsehen müsse.
Bei einer Informationsabstimmung im September 1950 ergab sich in den beiden württembergischen Abstimmungsbezirken eine Mehrheit für den Südweststaat; in beiden badischen zusammen votierte eine knappe Mehrheit für die alten Länder, wobei Nordbaden knapp für die Schaffung eines Südweststaates, Südbaden aber mit großer Mehrheit dagegen gestimmt hatte. 1951 scheiterten alle Versuche, zwischen den Regierungen Einvernehmen zu finden. Der Bundestag verabschiedete daraufhin das von Kurt-Georg Kiesinger eingebrachte Zweite Neugliederungsgesetz, das eine Abstimmung ausschließlich über den Zusammenschluss der drei Bundesländer vorsah, der erfolgen sollte, wenn sich die Mehrheit in drei der vier Abstimmungsbezirke Nord- und Südbaden, Württemberg und Württemberg-Hohenzollern und im gesamten Abstimmungsgebiet dafür entschieden hätte. Vergeblich hatten Hilbert und Hermann Kopf beantragt, dass bei der Volksabstimmung die Frage nach der Wiederherstellung der alten Länder als erste und die der Gründung eines Südweststaates erst als zweite gestellt werden solle. Zudem, so der Antrag Hilberts, sollten die Abstimmung innerhalb der beiden alten Länder erfolgen und Heimatvertriebene von der Abstimmung faktisch ausgeschlossen werden. Entsprechend dem Ergebnis der Informationsabstimmung des Jahres 1950 befürchtete Hilbert wie die badische Regierung, dass keine Mehrheit für Baden zustande kommen werde. Der Einspruch der Freiburger Regierung gegen den Auszählungsmodus vor dem Bundesverfassungsgericht scheiterte und am 9. Dezember 1951 sprachen sich fast 70 Prozent der Abstimmenden für den Südweststaat aus; allein Südbaden stimmte wieder mehrheitlich dagegen.
Da angesichts dieses Ergebnisses die Gründung des Südweststaates unmittelbar bevorstand, reagierte Hilbert auf Betreiben Leo Wohlebs noch im Dezember 1950 mit dem Antrag im Bundestag, das Südwestdeutschland betreffende Neugliederungsgesetz solle bis zur Neugliederung des gesamten Bundesgebietes nach Artikel 29 des Grundgesetzes suspendiert werden. Das lehnte die Mehrheit des Parlaments jedoch ab. Auch nach der Gründung des neuen Landes bildete der Kampf um die Wiederherstellung Badens das zentrale Motiv im politischen Wirken Hilberts. Den Ausgangspunkt bildete das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Mai 1956, wonach Baden 1945 gegen den Willen seiner Bevölkerung aufgelöst worden sei. Folglich wurde ein neuerliches Volksbegehren im badischen Landesteil angeordnet. Hilbert und Kopf beantragten noch zweimal im Bundestag die Durchführung eines Volksentscheides, in dem die Frage gestellt werden solle, ob Baden aus dem Südweststaat wieder ausgegliedert werden solle. Hilbert gehörte auch zu den Initiatoren eines Beschlusses der badischen CDU, der abermals und möglichst bald den Volksentscheid über die Wiederherstellung Badens forderte. Der entsprechende Antrag von Hilbert und Kopf scheiterte jedoch Anfang 1959 im Rechtsausschuss des Bundestages. Erst zehn Jahre später schuf der Bundestag die Grundlagen für die Durchführung dieses Volksentscheides. Die Macht des Faktischen indes war längst stärker, und am 7. Juni 1970 sprachen sich über 80 Prozent der Badener für den Südweststaat aus.
Während seiner 20 Jahre als Bundestagsabgeordneter war Hilbert Mitglied des „Ältestenrates“, des Haushaltsausschusses und des Fraktionsvorstandes von CDU/CSU. Im Ausschuss für Grenzlandfragen und im Verkehrsausschuss war er stets ein engagierter Vertreter der Interessen seiner südbadischen Heimat. Die Durchführung des „Hotzenwaldprogrammes“ und die Neuorganisation der landwirtschaftlichen Genossenschaften, darunter der Molkerei- und der Obstbaugenossenschaft Säckingen-Waldshut, sind mit seinem Namen verbunden.
Nach dem Ausscheiden aus der Bundes- und Landespolitik hat sich Hilbert für die Belange seiner Heimatgemeinde engagiert, bis hin zum Zusammenschluss der beiden Ortsteile Ober- und Untereggingen bei der Gemeindereform. Noch zu Lebzeiten ehrte die Gemeinde Hilbert durch die Benennung einer Straße.
Quellen: GLA Karlsruhe 421/ Nr. 3025, PA August Hilbert; Verhandlungen des Bad. Landtags, 1929–1933; Freiburger Tagespost vom 18. u. 20.2.1932; Hegauer Erzähler vom 13.2.1933; Der Führer vom 6.7.1933; Verhandlungen d. Beatenden Landesvers. des Landes Baden bzw. Verhandlungen des Bad. Landtages, 1946–1952; Stenographischer Bericht Parlamentarischer Rat, 1948/1949; Verhandlungen des dt. Bundestages/Stenogr. Berichte 1949–1966; Verhandlungsprotokolle d. Verfassungsgebenden Landesversammlung von B-W 1952/1953;Verhandlungen des 1. B-W Landtags 1952–1956; Kurt Hochstuhl (Bearb.): Die Protokolle d. Regierung von Baden, Bd. 1, 2006.
Nachweis: Bildnachweise: Keller-Kühne, 2008, 167.

Literatur: Karl-Joseph Rößler, Der Bad. Landtag, 1949; Der Kampf um den Südweststaat, 1952; Die Entstehung des Landes B-W, 1977; Paul-Ludwig Weinacht (Hg.), Die CDU in B-W u. ihre Geschichte, 1978; Ders. u. Tilman Mayer (Hgg.), Ursprung u. Entfaltung christl. Demokratie in Südbaden, 1982; Hansmartin Schwarzmeier, Von d. Weimarer Republik zum Dritten Reich. Der Badische Landtag, in: Günter Bradler u. Franz Quarthal, (Hgg.), Von d. Ständeversammlung zum demokratischen Parlament, 1982, 224-245; Carola Bury, Der Volksentscheid in Baden, 1985; Klaus-Jürgen Matz, B-W – ein Bundesland entsteht, in: Reiner Rinker u. Wilfried Setzler (Hgg.), Die Geschichte B-Ws, 1986, 290– 301; Waldshuter Kreiszeitung vom 17.2.1986; BZ vom 20.2.1986; Südkurier vom 21.2.1986; Michael Kißener, Verfolgung, Resistenz, Widerstand. Südwestdeutsche Parlamentarier in d. Zeit des Nationalsozialismus, in: Thomas Schnabel (Hg.), Formen des Widerstandes im Südwesten 1933–1945, 1994, 95-104; Theodor Eschenburg, Die Entstehung des Landes B-W, in: Hermann Bausinger/Theodor Eschenburg (Hgg.), B-W – eine polit. Landeskunde, 1997; Rudolf Vierhaus/Ludolf Herbst (Hgg.), Biogr. Handb. d. Mitglieder des Dt. Bundestages 1949–2002, Bd. 1, A-M, 2002, 341f.; Angela Keller-Kühne, Anton Hilbert, in: Günter Buchstab/Hans- Otto Kleinmann (Hgg.), In Verantwortung vor Gott u. den Menschen, 2008, 167-173.
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