Klaiber, Gustav 

Geburtsdatum/-ort: 19.04.1864;  Gundelfingen bei Freiburg
Sterbedatum/-ort: 17.08.1940;  Gundelfingen
Beruf/Funktion:
  • Kaufmann und Landwirt, MdL-Landbund, dann Bürgerliche Vereinigung, dann Wirtschaftspartei
Kurzbiografie: 1871–1879 Volksschule Gundelfingen
1879 Hausbursche in einem Freiburger Geschäftshaus
1880–1883 kaufm. Lehre bei Fa. Nöldecke Freiburg, daneben Privatunterricht zur Vorbereitung auf die Handelsschule
1883–1885 Militärdienst in d. 12. Komp., 5. Bad. Infanterieregiment/Reg. 113
1885–1886 Neben d. Landwirtschaft Beschäftigung mit Handel
1892 Verkauf des Gundelfinger Geschäfts u. Übergabe d. Landwirtschaft an seinen Bruder, Angestellter in Freiburg
1893 Übersiedelung nach Mülhausen im Elsass, Eröffnung eines Kolonialwarengeschäfts
1902–1914 Mitglied des Stadtrats von Mülhausen, Wortführer d. demokratischen Gruppe, außerdem Mitglied d. Handelskammer u. Präsident des Vereins d. Kolonialwarenhändler
1906–1909 Mitglied des Landesausschusses von Elsaß-Lothringen
1918 Rückkehr nach Gundelfingen, beruflicher Neubeginn in Landwirtschaft u. Handel mit Landwirtschaftsbedarf u. Kolonialwaren
1921–1929 MdL-Landbund, ab 1925 Bürgerliche Vereinigung (= DNVP, Landbund u. Wirtschaftliche Vereinigung), ab 1928 Wirtschaftspartei; außerdem Mitglied d. Bad. Landwirtschaftskammer; 2. Vorsitzender des Bad. Landbundes
1922–1930 Gemeindeverordneter in Gundelfingen
1933 Übergabe des Geschäfts an den Schwiegersohn
1936 Ehrungen durch den Bad. Kriegerbund sowie den Landwehr- u. Reservistenverein Gundelfingen
Weitere Angaben zur Person: Religion: bapt.
Verheiratet: 1886 (Gundelfingen) Luise, geb. Winkler (1868–1942)
Eltern: Vater: Johann Georg (1813–1900) Landwirt in Gundelfingen
Mutter: Anna Maria, geb. Rupp aus Leutersberg (1828–1913)
Geschwister: Ein Bruder
Kinder: Adoptivtochter Ida Lamprecht
GND-ID: GND/101885486X

Biografie: Renate Liessem-Breinlinger (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 6 (2011), S. 201-203

„Im Jahre 1902 wurde ich in den Stadtrat von Mülhausen gewählt und mit dieser Wahl begann auch meine politische Laufbahn, möchte aber gleich sagen, dass ich es nie mehr tun würde. Für einen Christen ist die Politik kein Gebiet, die Gefahren der Versuchung sind viel zu groß.“ Dies schrieb Klaiber für die Familienchronik. Wie seine Familie gehörte er der Gundelfinger Baptistengemeinde an, die 1877 von Mülhausen im Elsaß aus gegründet worden war. Persönliche Kontakte zur Muttergemeinde veranlassten ihn 1893, sich in der Industrie- und Garnisonstadt im damaligen Reichsland Elsaß-Lothringen niederzulassen. Für 60 000 Mark kaufte er ein großes Anwesen an der Langen Straße, der Grand’rue. In diesem Haus befanden sich der Versammlungssaal der Baptistengemeinde und zehn Wohnungen; im Erdgeschoss eröffnete Klaiber ein Kolonialwarengeschäft, das er zusammen mit seiner Frau führte.
Nach sieben Jahren harter Arbeit und klugen Taktierens stellte sich Wohlstand ein. Klaiber hatte schließlich vier Geschäfte, zwei in der Stadt und zwei in den benachbarten Gemeinden Burzweiler und Niedermorschweiler. Die „Geschäfts- und Bankenwelt“ habe ihm nun Beachtung geschenkt. Die Handelskammer legte auf seine Mitarbeit Wert. 1902 zog er als 39-jähriger Demokrat in den neugewählten sozialliberalen Stadtrat ein, der gemessen am Vorgängergremium einen Generationswechsel markierte. Auch dem Landesausschuss Elsaß-Lothringens, dem Vorläufer des 1910 errichteten Landtags, gehörte Klaiber an. Gelegentlich meldete er sich zu Wirtschaftsfragen in der Frankfurter Zeitung zu Wort.
Damit sein Geschäft nicht unter der häufigen, durch die politischen Ämter bedingten Abwesenheit litt, ließ Klaiber 1903 seinen Bruder mit Familie nach Mülhausen kommen. 1910 brachte er eine weitere Familie aus seiner Verwandtschaft ins Elsaß, die einen Bauernhof bewirtschaftete, den er für 72 000 Mark gekauft hatte. Die Großfamilie um Klaiber, der selbst kinderlos blieb und eine Tochter seines Bruders adoptierte, erlebte glückliche Jahre im Elsass, das er in der Familienchronik „Paradies“ nennt. Umso schockierender war ihm das Erlebnis der Ausweisung als Reichsdeutscher aus Elsass-Lothringen 1918, worauf er verschiedentlich in seinen Redebeiträgen im Bad. Landtag abhob. Nach dem Rathenau-Mord 1922 erwähnte er jenen Vorgang als abschreckendes Beispiel von Volksverhetzung.
Klaiber kehrte 1918 nach Gundelfingen zurück und wohnte in einem ländlichen Anwesen bei Verwandten in einem Anbau, den er 1919 errichten ließ. Er pachtete und kaufte landwirtschaftliche Flächen und begann einen Handel mit Landwirtschaftsbedarf. Einer vergleichbaren doppelten Erwerbstätigkeit waren schon seine Eltern und Großeltern nachgegangen, die in bescheidenen Verhältnissen gelebt hatten. Die finanziellen Mittel, die er aus Mülhausen herübergerettet hatte – die Familie spricht vom Verkauf des Besitzes –, fielen bald der Inflation zum Opfer. 1925 konnte er jedoch sein eigenes Geschäftshaus an der durch Gundelfingen führenden Reichsstrasse 3 beziehen und von dort aus wieder einen prosperierenden Handel mit Kunstdünger, Futtermitteln, Wein und Kolonialwaren betreiben. 1933 übernahm der Mann seiner Adoptivtochter, der von einem Gut bei Landsberg an der Warthe stammte, das Geschäft. Dieser hatte die Familie Klaiber vor 1918 in Mülhausen kennengelernt, als er dort seinen Militärdienst absolvierte.
Erstaunlich schnell setzte Klaiber nach seiner Rückkehr in die bad. Heimat seine politische Tätigkeit fort. Er beteiligte sich an der Gründung des bad. Landbundes, eines Zweigs des Reichslandbundes und damit einer Organisation, die politisch der DNVP nahestand. 1921 zog er in den Landtag ein, wo er heftig gegen die Bewirtschaftung der Grundnahrungsmittel kämpfte, die in den ersten Nachkriegsjahren zur Sicherung der Ernährung insbesondere der Stadtbevölkerung aufrechterhalten wurde. Die „Zwangswirtschaft“ lasse die Moral der Bauern sinken und begünstige Schiebergeschäfte und Schleichhandel. Klaiber meldete sich oft zu Wort. Er scheint ein energischer Redner gewesen zu sein und traf mit Blick auf den Berufsstand, den er vertrat, einen volksnahen Ton. Politische Grundsatzdebatten dagegen waren nicht seine Domäne, wurde er in dieser Beziehung angegriffen, berief er sich darauf, dass der Landbund auf dem Boden der Verfassung stünde, im übrigen aber wie die Wirtschaftsgruppen eine unpolitische Interessenvertretung sei. Seine Themen waren die aktuellen Probleme der Landwirtschaft: Schutz der heimischen Produktion vor Billigimporten wie Gefrierfleisch aus Russland und Polen, Senkung der Branntweinsteuer und der Pachtzinsen für staatliche Güter, Verbesserung der Hagelversicherung, Maßnahmen gegen die Notlage der Tabakbauern und Winzer. Sorge bereitete ihm die Auswanderung junger Badener aus dem ländlichen Raum nach Übersee, weshalb er sich an Überlegungen beteiligte, diese zu reduzieren. 1927 nahm er an einer Studienreise von Landtagsabgeordneten und Mitgliedern der Landwirtschaftskammer nach Niederschlesien und Mecklenburg teil. Der Kreis Liegnitz war als Siedlungsgebiet für bad. Landwirte im Gespräch.
Klaibers Hauptkontrahent im Landtag war der Führer der Zentrumsfraktion Prälat Schofer (➝ III 244), der dem Landbund egoistische Interessenpolitik und nationalistisches Gehabe vorwarf. Heftige Wortgefechte lieferte sich Klaiber auch mit den Kommunisten, die ihn und seine Fraktionskollegen Kapitalisten und Eigentumsfanatiker schalten. In einer Debatte um einen Milchlieferungsstreik, den der Landbund im Kreis Lahr inszeniert hatte, brachte die auf Ernährungsfragen spezialisierte KP-Abgeordnete Frieda Unger (➝ I 258) Klaiber in Bedrängnis. Rücksichtslos und brutal gehe der Landbund zu Werk, anders als der zentrumsnahe Bad. Bauernverein.
Mit dem Ende der Wahlperiode 1929 schied Klaiber aus dem Landtag aus, wo er seit 1928 als Mitglied der Wirtschaftspartei geführt wurde. Den Eintritt des Landbundes in die Grüne Front 1929 und sein Aufgehen im Reichsnährstand 1933 hat er nicht mehr als aktiver Politiker erlebt. „Das Volk braucht Führer“, hatte Klaiber 1924 im Landtag einmal ausgerufen und Mussolini, Lenin und Poincaré genannt. Ein Engagement bei der NSDAP wäre eine denkbare Fortsetzung seiner Aktivität gewesen, scheint aber nicht stattgefunden zu haben. Von einer Gesinnungsverwandtschaft darf man jedoch ausgehen. Hierfür spricht die persönliche Freundschaft mit dem NS-Bürgermeister Friedrich Müller, der 1933 seinen Onkel Wilhelm Müller abgelöst hatte. Auch mit diesem stand Klaiber auf vertrautem Fuß. Unternehmungsgeist blieb Klaiber auch im Alter erhalten.
Quellen: GLA Karlsruhe 231/10956, fol. 249; GdeA Gundelfingen XIII/3 Nr. 1 u. 2, V/2 Nr. 10, IX/16, Grundbuch, Feuerversicherungsbuch; Nachlass Klaiber im Besitz d. Enkelin Rosi Lamprecht, Gundelfingen; Auskünfte von Peter Böckling, Archivar d. Gde. Gundelfingen u. des Archives Municipales Mulhouse.
Nachweis: Bildnachweise: Die Mitglieder des Bad. Landtags, 1925, in d. namentl. gekennzeichneten Gruppe d. 7 Landbund-Abgeordneten; Fotografie als Wandbild u. versch. Privataufnahmen im Privatbesitz d. Enkelin, Gundelfingen (vgl. Quellen).

Literatur: Richard Wagner, La vie politique à Mulhouse de 1870 à nos jours. 1976; Verhandlungen des Bad. Landtags, Protokollhefte d. amtl. Niederschriften Nr. 532– 558; Eveline Klein, Gundelfingen von 1918–1949, 1995; FS zum 100-jährigen Bestehen d. Ev.-Freikirchlichen Gemeinde (Baptisten) Gundelfingen, 1977; 120 Jahre Gemeinde Gundelfingen in Selbständigkeit im Bund Ev.-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland, 1997; Die Mitglieder des Bad. Landtags u. die bad. Minister, 1925, lfd. Nr. 44.
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