Wernet, Karl Friedrich 

Andere Namensformen:
  • Pseudonyme: Warinhart und Sokrates
Geburtsdatum/-ort: 13.10.1895;  Karlsruhe
Sterbedatum/-ort: 25.12.1969;  Schramberg-Sulgen
Beruf/Funktion:
  • Heimatforscher, Schriftsteller
Kurzbiografie: 1902-1911 Volksschule, seit 1906 Realgymnasium Karlsruhe
1911-1914 Lehrerseminar II Karlsruhe, dort seit März 1914 Unterlehrer
1914-1918 Kriegsfreiwilliger im Feld-Artillerie-Regiment 50, Karlsruhe; seit 1915 Westfront (Somme, Verdun, Flandern); mehrfach verwundet; Karl-Friedrich-Verdienstmedaille, Eisernes Kreuz II. Klasse, Verwundetenabzeichen, Ehrenkreuz für Frontkämpfer
1919-1933 Lehrer in Karlsruhe, zeitweilig Mädchenoberrealschule und 1927 nebenamtlich Polizeischule; 1921-1926 Hauptlehrer in (Schluchsee)-Blasiwald
1919-1928 zeitweilig Hörer an der Technischen Hochschule Karlsruhe und an den Universitäten Freiburg und Heidelberg; 1925 Schulfremdenabitur in Ettenheim
1934-1944 Lehrer an der Volksschule St. Blasien, 1940 an der Mittelschule, 1942 kommissarischer Leiter der Volks-, Haupt- und Mittelschule; 7.12.1943 Prüfung für das Lehramt an Hauptschulen in den Fächern Deutsch, Geschichte und Erdkunde; 1.4.1944 Ernennung zum Hauptschullehrer (Schulleiter) an der Haupt- und Mittelschule Colmar zur Dienstleistung in St. Blasien
1945-1950 Internierung Hüfingen bis 1946, dann bis 1950 unter Polizeiaufsicht in Bernau; durch Spruchkammerentscheid vom 9.10.1946 Suspendierung, am 1.10.1948 „Mitläufer“ und vom Hauptschullehrer zum Hauptlehrer zurückgestuft; 1949 Zwangspensionierung als Hauptlehrer
1946-1969 wohnhaft in Bernau, ab 1967 in Schramberg-Sulgen
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk., seit 1942 „gottgläubig“
Verheiratet: 1. 1918 (Karlsruhe) Gertrud, geb. Schatte (1894-1931)
2. 1933 (Müllheim) Else, geb Frey (1910-1970)
Eltern: Vater: Karl (1862-1911 ), Hofkellermeister
Mutter: Katharina Berta, geb. Schaab (1867-1962)
Geschwister: 2:
Georg Wilhelm (1901-1984), Universitätsprof., Göttingen
Rudolf (geb. 1906)
Kinder: aus 1. Ehe: Frigga (1919-1941)
GND-ID: GND/1019490403

Biografie: Clemens Siebler (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 4 (2007), 394-397

Wernets Werdegang war maßgeblich von seinem Streben nach beruflichem Erfolg und einem unstillbaren Drang nach wissenschaftlicher Betätigung bestimmt. Bei der Verfolgung seiner Pläne hatte er sich selbst erstaunlich viel abverlangt, war aber auch kühl berechnend und hatte bisweilen mit hohem Einsatz gespielt. Nach der deutschen Katastrophe des Jahres 1945 musste er schmerzliche Rückschläge hinnehmen; denn es hatte sich für ihn als nachteilig erwiesen, dass er im „Dritten Reich“ nach anfänglichem Zögern unmissverständlich auf die Linie des Systems eingeschwenkt war, obwohl er selbst von den damaligen Machthabern weder umworben noch gefördert wurde.
In seinem bewegten Leben fielen erste zukunftsweisende Entscheidungen bereits im Elternhaus. Der Vater, kirchentreuer Katholik und gelernter Küfer aus der Ortenau, der es in Karlsruhe zum Großherzoglichen Hofkellermeister gebracht hatte, hatte für seinen ältesten Sohn eine gediegene handwerkliche Ausbildung in Erwägung gezogen. Die liberalprotestantische Mutter wünschte dagegen den Eintritt ins Realgymnasium und ermöglichte ihm nach dem frühen Tod des Vaters den Besuch des simultanen Lehrerseminars. Seit Frühjahr 1914 stand Wernet mit einer vierjährigen kriegsbedingten Unterbrechung im Volksschuldienst, fand zeitweilig aber auch als Nebenlehrer am Gymnasium und später an der Polizeischule Verwendung. Mit Rücksicht auf den schlechten Gesundheitszustand seiner Frau vertauschte er 1921 seine erfolgversprechende Position in der Landeshauptstadt mit der Stelle eines Hauptlehrers in Blasiwald beim Schluchsee.
In unmittelbarer Nähe der ehemaligen Benediktinerabtei St. Blasien begann Wernet mit seinen historischen und heimatkundlichen Forschungen. Bereits 1925 konnte er seine „Skizzen zur Geschichte des Klosters St. Blasien“ vorlegen. Und da er schon in Karlsruhe den Entschluss gefasst hatte, sein Wissen als Gasthörer an der dortigen Hochschule zu erweitern, scheute er keine Mühen, da die Dreiseenbahn bis Seebrugg erst 1927 eröffnet wurde, von Blasiwald aus zu Fuß oder mit den Skiern die Bahnstation Titisee zu erreichen, um in Freiburg Vorlesungen hören zu können. Als Schulfremder legte er 1925 in Ettenheim das Abitur ab.
Nach der Genesung seiner Frau wieder am früheren Dienstort beschäftigt, besuchte Wernet Vorlesungen an der Universität Heidelberg, veröffentlichte mehrere Beiträge zum Unterrichts- und Erziehungswesen und vertiefte sein heimatgeschichtliches Quellenstudium im Generallandesarchiv. Seine Studienpläne wurden jedoch durch den frühen Tod seiner ersten Frau durchkreuzt, und er selbst stürzte in eine schwere seelische und gesundheitliche Krise. Nach seiner Wiederverheiratung machte er erneut eine Eingabe um Rückversetzung in den südlichen Schwarzwald. Wernet, der bis zum Kriegsende in St. Blasien verblieb, wurde 1940 zum Mittelschullehrer ernannt und seit 1942 kommissarisch, seit 1944 regulär mit der Leitung der Haupt- und Mittelschule betraut. Zudem tat er sich weiterhin als Historiker und Heimatforscher hervor. Zahlreiche seiner Untersuchungsergebnisse fanden in jenen Jahren Eingang in Tageszeitungen und Fachzeitschriften.
Eine solche Betätigung war jedoch für Wernet kein zweckfreies Forschen im Dienst der Muße; vielmehr verband er damit ein konkretes wissenschaftliches Ziel. Hierfür sprechen eine Reihe energischer Anstrengungen, die er mitten im II. Weltkrieg unternahm. Für vier Semester war er 1942/44 an der Universität Freiburg als ordentlicher Studierender immatrikuliert, und mit einer siedlungsgeographischen Studie über das Wutachgebiet konnte er 1944 bei Friedrich Metz zur Promotion zugelassen werden.
Eine folgenschwere Zäsur im Leben Wernets brachte das Kriegsende 1945. Sicher mag ihm seine zustimmende Haltung zum NS-Staat nachteilig geworden sein; aber im Wesentlichen war es doch seine charakterliche Veranlagung, die ihm damals weit mehr als sein tatsächliches regimetreues Engagement geschadet haben dürfte.
Wernet war nachhaltig vom Liberalismus geprägt. Seit 1926 Mitglied der von G. Stresemann gegründeten DVP, hatte er sich in der Endphase der Weimarer Republik offen gegen die Machtübernahme Hitlers ausgesprochen. Als ein schweres Unrecht empfand er, dass die neue NS-Regierung seiner noch von Kultusminister Baumgartner zum 1. April 1933 zugesicherten Ernennung zum Schulrat in Konstanz keine Rechtskraft verlieh. Unter dem Eindruck der wachsenden internationalen Anerkennung Hitlers vollzog Wernet nach einer Zeit des Abwartens die Hinwendung zum neuen Staat. Seit 1937 war er Mitglied der NSDAP. Nach dem Zusammenbruch 1945 berief sich Wernet darauf, die Annäherung an das „Dritte Reich“ aus der kritischen Distanz eines liberalen Querdenkers vollzogen zu haben, um die durch das Regime angerichteten Schäden zu „paralysieren“; und seine positive Einstellung zum II. Weltkrieg sei ausschließlich in der Sorge begründet gewesen, dem Deutschen Reich ein „zweites Versailles“ zu ersparen. Angesichts der gegen ihn erhobenen Vorwürfe erwies sich Wernet als gänzlich unfähig, sein persönliches Verhalten in der NS-Zeit selbstkritisch zu reflektieren und sich selbst Schuld einzugestehen. Man bezichtigte ihn, bereits 1937 zusammen mit dem Kreisleiter die Schließung des Jesuitenkollegs und die Einrichtung einer vom NS-Geist geprägten „Beispielschule“ in St. Blasien betrieben zu haben, warf ihm vor, gegen den örtlichen, regimefeindlichen Schulleiter intrigiert zu haben, um dessen Position einnehmen zu können, und erinnerte sich auch, dass Wernet 1940/41 als Referent für Geschichte an der Gauschule Georgshöhe bei der Umschulung elsässischer Lehrerinnen mitgewirkt hatte. Schließlich glaubte man, dass er mit seinem 1942 vollzogenen Austritt aus der Kirche seine wahre politisch-ideologische Grundeinstellung bekundet habe. Eingedenk der Situation des Jahres 1945 ist aber auch zu erwägen, ob dies nicht überzogene Reaktionen waren, ja ob Verleumdungen und Denunziationen damals überhaupt ausbleiben konnten.
Bereits im Mai verfügte die französische Besatzungsmacht Wernets Einweisung in das Internierungslager Hüfingen, und von 1946 bis 1950 stand er an seinem Wohnsitz Bernau unter Polizeiaufsicht. Hart traf ihn auch seine einstweilige Suspendierung vom Schuldienst, seine Zurückstufung zum Hauptlehrer, eine zweijährige empfindliche Gehaltskürzung und seine 1949 verfügte Zwangspensionierung. In einem verzweifelten Kampf um seine Rehabilitierung verlor Wernet an sämtlichen Fronten. Weder konnte er seine Wiederbeschäftigung noch die ihm zustehenden Pensionsbezüge eines Hauptschullehrers durchsetzen. Sein Antrag auf versorgungsrechtliche Einstufung als Schulrat wurde vom Badischen Kultusministerium in Freiburg mit dem Bemerken abgelehnt, dass „eine (1933) möglicherweise intern beschlossene Ernennung beamtenrechtlich nie wirksam geworden“ sei. Dies mag ihn vielleicht mit veranlasst haben, in der Neugliederungsfrage Partei für den Südweststaat zu ergreifen und als öffentlicher Redner die Freiburger Regierung unter Anspielung auf Wohlebs Vornamen als eine „leofaschistische Diktatur hinter demokratischer Fassade“ zu bezeichnen. Nachdem die Philosophische Fakultät der Universität Freiburg nach Vorlage der Endfassung seiner Dissertation 1947 die bereits 1944 zugesicherte Promotion verweigert hatte, machte Wernet 1951 bei der württemberg-badischen Regierung in Stuttgart einen vergeblichen Anlauf, ihm den Weg zur Promotion an einer anderen Universität zu ebnen, um ihm so eine Stelle als Studien- oder Schulrat in Nordbaden zu ermöglichen. Ein zweiter Anlauf 1954 in Freiburg scheiterte erneut an der Ablehnung der Dissertation. Auch in der Familie hatte ihm das Schicksal hart mitgespielt. Nach der langjährigen Krankheit und dem frühen Tod seiner ersten Frau war 1941 auch seine Tochter gestorben. So verdüsterte sich sein Leben zunehmend und endete fortschreitend in Enttäuschung und seelischer Verbitterung.
Umso erstaunlicher, dass er trotz aller Widerwärtigkeiten die Kraft gefunden hatte, seinen vielseitigen Interessensgebieten unvermindert nachzugehen. Was er nach Kriegsende in einer wissenschaftlichen Laufbahn zu vollbringen hoffte, tat er jetzt, gänzlich auf sich allein gestellt, als Privatgelehrter. Die Schwerpunkte seiner Untersuchungen blieben auch weiterhin das Kloster St. Blasien, die ehemalige Grafschaft Hauenstein und die Siedlungsgeographie des Wutachgebietes. Trotz seiner Liebe zur Detailanalyse – allein der 1. Band der von R. Morath gesammelten und abgeschriebenen Aufsätze zur Geschichte St. Blasiens enthält 58 Beiträge – hat Wernet nie den multikausalen Aspekt aus dem Auge verloren; und auf diese Weise gelang ihm immer wieder eine möglichst umfassende Zusammenschau der einzelnen Fakten. Bis zu seiner 1971, also postum erschienenen „Geschichte der Gemeinde Häusern“ ist er stets allen themenspezifischen Gesichtspunkten sorgsam nachgegangen: Kultur, Wirtschaft und Gesellschaft, Geographie und Geologie. Als Schüler des Mitbegründers der Experimentalpädagogik W. A. Lay hatte Wernet immer wieder auch erziehungswissenschaftliche Themen erörtert und veröffentlicht. Noch bis zu seinem Tode arbeitete er an einem Fachwerk, das er unter dem Titel „Pädagogie“ herauszugeben beabsichtigte. Die Grundzüge seiner philosophischen Gedanken sind im „Brevier einer Philosophie des Möglichen“ (1955) enthalten; dieses Bändchen war als Einleitung zu einer mehrere Teile umfassenden philosophischen Gesamtschau gedacht.
Auch um die wissenschaftliche Erforschung des Handwerks hat sich Wernet Verdienste erworben. Eigens erwähnt seien seine Veröffentlichungen in den vom Handwerkswissenschaftlichen Institut Münster in Westfalen, herausgegebenen „Forschungsberichten aus dem Handwerk“, seine Mitarbeit an der zweibändigen „Geschichte der Handwerksberufe“ sowie ab 1966 an der Brockhaus-Enzyklopädie mit Artikeln zur Handwerks- und Gewerbegeschichte. Auf diesem Fachgebiet befruchtend wirkte der rege Gedankenaustausch mit seinem Bruder Wilhelm, der in Göttingen Volkswirtschaftspolitik und Handwerkswesen lehrte und zeitweilig Leiter des dortigen Handwerkswissenschaftlichen Instituts war.
Obwohl Wernet für die Erforschung der Geschichte des südlichen Schwarzwaldes und des Hochrheingebietes beachtenswerte Erkenntnisse erzielt hat, blieb seinem Lebenswerk die gebührende Breitenwirkung versagt. Ursächlich hierfür ist vor allem der Umstand, dass der weitaus größere Teil seines Schaffens nicht im Druck erschien. In besonderer Weise gilt dies auch für seine Romane, Erzählungen und Gedichte, die meist nur im Manuskript vorliegen.
Quellen: StAF Personalakte K. F. Wernet Nr. L 50/1 – 5111; Spruchkammerakte K. F. Wernet Nr. D 180/2-35990; Nachlass LB Karlsruhe, LB Stuttgart, StadtA u. Stadtbücherei Karlsruhe, GLA Karlsruhe, Deutsche Bibliothek Frankfurt /M., Deutsche Bücherei Leipzig.
Werke: Verzeichnis d. Arbeiten von K. F. Wernet, Typoskript in d. UB Feiburg, 1962, ferner in: BH Jg. 27, 1940, 177; ZGO, Inhaltsverz. zu Bd. 1-100, 1952, 105; Brevier zu einer Philosophie des Möglichen, 1955, 59; Aufsätze zur Gesch. des Klosters St. Blasien u. seiner Besitzungen, abgeschr. u. mit einem Register versehen v. R. Morath, 2 Bde., 1955/56; Gesamtverz. des deutschsprach. Schrifttums (GV) 1911-1965, Bd. 143, 1981, 494; BH, Autoren- u. Personenverzeichnis H. 4, 1971, 153; Häusern im Wandel d. Jahrhunderte, 1971, 216 f. – Auswahl: (mit L. Jungmann u. R. Stisi), Arbeits- u. Merkheft für den Geschichtsunterricht in den bad. Volksschulen, 1930; Das Wutachgebiet. Eine siedlungsgeogr. Untersuchung, 1944, Reinschr. 1947; Aufsätze zur bad. Gesch. (Masch.), 1950; Die Bevölkerungsbewegung im Wutachgebiet, in: Alemann. Jb. 1954, 341-377; Brevier einer Philosophie des Möglichen, Bd. l, Philosophieren, 1955; Geschichte d. Handwerksberufe (Mitarbeit), 2 Bde., 1959/61; Handwerksgesch. als Forschungsgegenstand, Teile I/II, in: Forschungsberr. aus dem Handwerk, Bde. 4/5, hg. vom Handwerkswiss. Institut Münster/Westf., 1961; Handwerksgeschichtl. Perspektiven, ebd. Bd. 10, 1963; Wettbewerbs- u. Absatzverhältnisse des Handwerks in histor. Sicht, Bd. 1: Nahrung, Getränke, Genussmittel, 1967; Häusern im Wandel d. Jahrhunderte. Heimatb. d. Gde. Häusern im Schw., 1971.
Nachweis: Bildnachweise: Ekkhart 1965, 181; Häusern im Wandel d. Jahrhunderte, 1971, neben 32.

Literatur: R. Morath, K. F. Wernet zum 60. Geburtstag, in: BH, 35. Jg., 1955, 268; P. M. Boppel, K. F. Wernet zum 70. Geburtstag, in: Ekkhart 1965, 181-189; H. Matt-Willmatt, Ein unermüdlicher Erforscher d. Heimat. Schriftsteller K. F. Wernet in Bernau wird 70 Jahre alt, in: Südkurier, Ausg. Waldshut, vom 13.10.1965, 6; E. Baader, Schulmann – Historiker – Philosoph. Zum 70. Geburtstag von K. F. Wernet in Bernau, in: Schwarzw. Bote vom 13.10.1965; P. M. Boppel, Bedeutender Forscher u. Schriftsteller. Zum Tode von K. F. Wernet, in: Südkurier, Ausg. Waldshut, vom 10./11.1.1970; H. Matt-Willmatt, Vielseitiges Lebenswerk eines Heimatforschers. K. F. Wernet zum Gedächtnis, in: Schwarzw. Bote vom 10./11.1.1970.
Suche
Durchschnitt (0 Stimmen)