Becke-Goehring, Margot Lina Klara 

Geburtsdatum/-ort: 14.06.1914; Allenstein, Ostpreußen (heute Olcztyn, Polen)
Sterbedatum/-ort: 14.11.2009;  Heidelberg
Beruf/Funktion:
  • Chemikerin
Kurzbiografie: 1921 IV.–1933 III. Grundschule bis Apr. 1925, bis Mai 1927 humanist. Gymnasium Gera, dann Königin-Luise-Schule Erfurt bis Abitur
1933 IV.–1938 XII. 21 Studium d. Chemie an d. Univ. Halle; im SS 1934 Univ. München; 2. Verbandsexamen am 4. Nov. 1936, danach Doktorarbeit; Promotion zum Dr. rer. nat. „summa cum laude“: „Die Kinetik d. Dithionsäurespaltung“
1937 IX.–1941 VII. Wiss. Hilfskraft, dann bis Juni 1945 Wiss. Assistentin am Chemischen Institut d. Univ. Halle
1944 I. 25 Habilitation für Chemie: „Über die Sulfoxylsäure“; Probevorlesung „Zur Systematik d. Übergangselemente“, ab Apr. 1944 Dozentin für Chemie; Antrittsvorlesung: „Das Gesetz von den konstanten u. multiplen Proportionen u. die Grenzen seiner Gültigkeit“
1946 I.–1947 XII. Wiss. Assistentin am Chemischen Institut d. Univ. Heidelberg
1948 I.–1959 IV. Planmäßige ao. Professorin, bis Okt. 1952 für Analytische Chemie, danach für Anorgan. u. Analytische Chemie; ab Apr. 1959 Persönl. Ordinaria
1961 IX.–1962 VIII. Dekanin d. Naturwiss.-math. Fakultät
1963 IV.–1969 II. o. Professorin am Anorganisch-Chemischen Institut
1966 VIII.–1968 VII. Rektorin d. Univ. Heidelberg
1969 IV.–1979 VII. Direktorin des Gmelin-Instituts für Anorgan. Chemie u. Grenzgebiete d. Max-Planck-Gesellschaft Frankfurt am Main
1970 I.–1972 XII. Mitgl. des Wissenschaftsrats, Bonn
1973 VI.–1976 VI. Vorsitzende des Wiss. Rats d. Max-Planck-Gesellschaft
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Auszeichnungen: Ehrungen: Alfred-Stock-Gedächtnispreis d. Gesellschaft Dt. Chemiker (1961); Mitgl. d. Dt. Akademie Leopoldina, Halle (1969); Dr. rer. nat. h.c. d. Univ. Stuttgart (1974); Mitgl. d. Heidelberger Akad. d. Wiss. (1977)
Verheiratet: 1957 (Heidelberg) Friedrich Becke (1910–1972), Dr. phil., Industriechemiker
Eltern: Vater: Albert Goehring, Offizier, nach dem I. Weltkrieg Zivilbeamter in Gera
Mutter: Martha, geb. Schramm (1887–1976)
Geschwister: keine
Kinder: keine
GND-ID: GND/10471932X

Biografie: Alexander Kipnis (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 5 (2013), 13-17

Becke-Goehrings Wirken ist in mehrerlei Hinsicht herausragend: Sie war die erste Dekanin in der Geschichte der Universität Heidelberg, die erste Rektorin einer Hochschule in der Bundesrepublik Deutschland, sowie das erste weibliche Mitglied zweier wissenschaftlicher Akademien. Fachlich fand sie Platz in der Geschichte der Naturwissenschaft als hervorragende Chemikerin, die einen neuen Bereich der anorganischen Chemie erschloss und bedeutend zum Informationswesen in der Chemie beitrug. Das war Ergebnis der zehn Jahre, in denen sie das Gmelin-Institut für anorganische Chemie leitete. Becke-Goehring wurde als einziges Kind eines Berufsoffiziers kurz vor dem I. Weltkrieg geboren. 1919 musste die Familie ihr Haus in Ostpreußen verlassen und wohnte fortan in Weimar bei Verwandten der Mutter. Der Vater blieb nach seinen Kriegserfahrungen nicht in der Reichswehr; er fand Arbeit beim Versorgungsamt in Gera, wohin die Familie übersiedelte. Dort begann Becke-Goehrings Schulzeit. Eine schwere Erkrankung des Vaters bedingte seine frühzeitige Pensionierung, die Familie ließ sich 1927 in Erfurt nieder, der Heimatstadt der Eltern. Im Unterschied zu Gera gab es in Erfurt für Mädchen nur die Königin-Luise-Schule, wo eine realgymnasiale Abteilung eingerichtet war. Becke-Goehring konnte dank ihrer guten Vorkenntnisse und ihres Fleißes eine Klasse überspringen und die Schule Ostern 1933 mit dem Abitur abschließen, auch wenn die letzten Schuljahre nicht leicht für sie gewesen waren, weil sie als Außenseiterin galt. Dies bedingte vordergründig die überkommene Einstellung, dass nur die humanistisch, nicht naturwissenschaftlich begabten Schüler Ansehen verdienten, ausschlaggebend aber dürfte die Politik gewesen sein; denn unter dem starken Einfluss ihres Vaters schloss sich Becke-Goehring anders als die Mitschülerinnen den NS-Organisationen nicht an. Ein entscheidendes Erlebnis bescherte ihr damals der Mathematiklehrer, der ihr „in fast privaten Gesprächen die Schönheit der Kristallstrukturen“ (Becke-Goehring, 1983, 18) erschloss. So wuchs Becke-Goehrings Interesse, sie wollte erfahren, „was die Welt im Innersten zusammenhält“ (Becke-Goehring, 1978, 44). Eher zum Leidwesen der Eltern besorgte sie sich einschlägige Bücher und begann, im Badezimmer zu experimentieren. Der Schule hinterließ sie eine gute Sammlung selbst hergestellter Kristallmodelle. Aus diesem Tun erwuchs der Entschluss, Chemie zu studieren, trotz der Bedenken der Eltern, galt es damals doch als nahezu absurd und ohne Berufschancen, wenn eine Frau Chemie studiert. Nach dem Tod des Vaters wurde es für die Studentin in Halle dann auch finanziell eng. Da begann die Mutter, „eine gebildete praktische Frau”, der Tochter in Halle zu helfen. Ende 1936 bestand Becke-Goehring das 2. Verbandsexamen bei dem eben auch dorthin gekommenen Karl Ziegler. Becke-Goehrings bedeutendste Lehrer waren Anorganiker, Rudolf Scholder (1896–1973) und Helmuth Stamm (1901–1977), beide noch Privat-Dozenten. Bereits 1937 beteiligte sich Becke-Goehring auch an analytisch-chemischen Untersuchungen Stamms. Gleichzeitig schrieb sie an ihrer Doktorarbeit, die bestens bewertet wurde.
Nach der Promotion war Becke-Goehring weiterhin als Mitarbeiterin von Stamm tätig, begann aber auch selbständige wissenschaftliche Arbeiten, die den kaum untersuchten Schwefel-Stickstoff-Verbindungen galten. Viele Vorarbeiten waren nötig. Als Gast konnte Becke-Goehring während der Ferienzeit an anderen Hochschulen arbeiten, insbesondere am Institut für physikalische Chemie der Universität Freiburg. Im Januar 1944 konnte sie sich mit einer ihrer Vorarbeiten – über niedere Sauerstoffsäuren des Schwefels – mit Unterstützung von Ziegler habilitieren.
Gleichzeitig war Becke-Goehring ab 1937 Unterrichtsassistentin bei Ziegler und Stamm, bis 1941 nur als Hilfsassistentin, da sie keiner NS-Organisation angehörte. Im November 1942 veranlasste Ziegler, Becke-Goehring solle anorganisch- und analytisch-chemische Spezialvorlesungen halten. Im April 1944 wurde sie Dozentin, wiederum aus politischen Gründen „nur ausnahmeweise und nur auf Kriegszeit“ (Becke-Goehring, 1983, 46).
Nach Kriegsende schlossen die Amerikaner die Universität und evakuierten Ende Juni zwangsweise viele Dozenten in die amerikanische Zone. Becke-Goehring und ihre Mutter wurden nach Gundernhausen bei Darmstadt gebracht. Von dort aus begann sie Kontakte mit Chemikern in der Region zu suchen. Im August stellte sie sich dem Heidelberger Ordinarius Karl Freudenberg vor, der dringend fähige Leute für seinen Lehrstuhl brauchte und Becke-Goehring ab Januar 1946 als Assistentin für die Studienanfänger anstellte. Später befragte er Ziegler über dessen ehemalige Mitarbeiterin, der sie empfahl: „Sie ist eine selten kluge Dame, und ich habe sie […] mit bestem Erfolg in Halle im anorganischen Unterricht eingesetzt und auch ihre Habilitation, die sie sehr verdiente, nach Kräften gefördert“ (UA Heidelberg, Rep. 14–803). Becke-Goehrings Leben in Heidelberg war anfangs zwar ärmlich, aber sehr glücklich. Gegen Ende blickte sie auf ihr Wirken in Heidelberg zurück und schrieb: „Ich bin besonders stolz darauf, dass ich an diesem Wiederaufbau tätigen Anteil haben durfte“ (UA Heidelberg, PA 7512, Brief Becke-Goehring an das Ministerium vom 7.1.1969). Becke-Goehring las über „Qualitative Analyse“, „Komplexchemie“, „Spezielle Kapitel der anorganischen und analytischen Chemie“, über „Theoretische Grundlagen der quantitativen Analyse“ und führte u.a. auch das gasanalytische Praktikum durch. Als Freudenberg im Februar 1946 wegen einer Denunziation suspendiert wurde, wurde Becke-Goehring mit der Hauptvorlesung „Experimentalchemie I – Anorganische Chemie“ beauftragt. Ab 1954 las sie darüber als Professorin. Ihre gut besuchten Vorlesungen waren sehr beliebt.
Allmählich stabilisierten sich die Verhältnisse. Becke-Goehring konnte sich bald auch ihren Forschungen zuwenden. „Die gemeinsame Arbeit führte damals die ‚Chefin‘ und ihre Doktoranden zusammen. Es resultierten neue Wege zu neuen Stoffen.“ (Becke-Goehring, 1983, 63). Während der ersten zehn Jahre publizierte Becke-Goehring 53 Aufsätze, z.T. gemeinsam mit Schülern. Den Höhepunkt bildete die Monographie „Ergebnisse und Probleme der Chemie der Schwefelstickstoffverbindungen“, die erste zu diesem Gebiet in der Weltliteratur. Sie brachte ihr internationale Anerkennung und Einladungen aus dem Ausland. Becke-Goehrings Arbeiten, die zunächst auf Nebengleise der Chemie-Entwicklung zu führen schienen, eröffneten tatsächlich ein neues Kapitel der Anorganischen Chemie, womit mehrere neue Klassen der Verbindungen von Schwefel, Stickstoff, Phosphor und anderen Nichtmetallen entdeckt wurden. Nachdem ein polymeres Schwefelnitrid sich als erster nichtmetallischer Supraleiter erwiesen hatte, war ein neues, bedeutendes Gebiet der Chemie erkannt und wurde auch allgemein so verstanden.
Als 1959 nach der Teilung des Chemischen Instituts in die Bereiche Anorganische und Organische Chemie der neue Lehrstuhl für Anorganische Chemie eingerichtet wurde, schien Becke-Goehring beste Aussichten darauf zu haben. Das scheiterte aber am Grundsatz, keine Hausberufungen auszusprechen. Kompensation waren ihr Titel und Recht einer persönlichen Ordinaria.
Ab Sommersemester 1950 wurde Becke-Goehring Mitglied, nach einem Jahr Vorsitzende der Stipendienkommission. Sie hatte diese Position bis 1959 inne, und ihren energischen Bemühungen ist es zu danken, dass vielen jungen Menschen über harte Studienjahre hinweg geholfen werden konnte. 1958 wurde die Förderung nach dem „Honnefer Modell“ eingeführt, und Initiativen Becke-Goehrings trugen 1971 zum Bundesausbildungsförderungsgesetz, „BAFöG“, bei. Ab 1959 wirkte Becke-Goehring auch als Senatsbeauftragte im Verwaltungsrat der „Studentenhilfe Heidelberg e.V.“ Ihr aktiver Einsatz für allgemeine Universitätsangelegenheiten und ihr geschicktes Handeln, besonders bei harten Besprechungen mit Stadtbehörden, die den Bau von Studentenheimen zu verweigern suchten, verschafften ihr ein solches Ansehen in der Universität, dass der große Senat sie im Februar 1966 zur Rektorin für 1966/67 wählte. Becke-Goehring wurde die erste weibliche Magnifizenz in der Bundesrepublik. Schon als „Rector Designatus“ wurde sie Mitglied des engeren Senats und arbeitete sich in ihr Amt ein, vor allem in die zwei großen Probleme ihrer Tätigkeit: die Universitätsfinanzen und die Notwendigkeit der Reformen; denn die Studentenzahl überstieg im Sommersemester 1966 schon 11000.
Das erste Problem konnte Becke-Goehring erfolgreich angehen und vom Finanzminister vor allem erreichen, dass Mittel für die Ausbesserung der renovierungsbedürftigen Kliniken flossen. Der ganze Senat stand hinter ihr und wählte die Rektorin für ein zweites Amtsjahr. Nun trat die Universitätsreform in den Vordergrund. Weltweite Studentenunruhen hatten begonnen und erreichten Heidelberg ab Juni 1967. In der durch Studentenstreik und Besetzung der Neuen Universität verschärften Situation suspendierte Becke-Goehring den AStA bis zur Unterlassung solch rechtswidriger Maßnahmen. Sie erreichte, dass der Vorlesungsbetrieb fortgesetzt werden konnte. „Man konnte sich damals noch durchsetzen, wenn man nur ein wenig Mut hatte. Man konnte ohne Polizei für den Rechtsstaat eintreten“ (Becke-Goehring 2005, 144). Einzelheiten sind ihrem Jahresbericht und den damaligen Heidelberger Zeitungen zu entnehmen. „Die Tätigkeit in diesem Amt hat einen wohl kaum richtig vorstellbaren physischen und psychischen Einsatz gefordert“, schilderte Becke-Goehring im Brief an das Kultusministerium (UA Heidelberg, PA 7512, vom 7.1.1969).
Die Bemühungen Becke-Goehrings, die autonome Universität und eine Gemeinschaft von Lehrkörper und Studenten zu retten, scheiterten freilich. Später analysierte sie die damaligen Ereignisse und resümierte bitter: „Die autonome Universität starb. Die Universität geriet unter die Herrschaft des staatlichen Beamtenapparates“ (Becke-Goehring, 2005, 138). Das hatte schon zu ihrem freiwilligen Ausscheiden als Prorektorin geführt und als sich ihr die Möglichkeit eröffnete, die Institutsdirektion beim Gmelin-Institut für Anorganische Chemie der Max-Planck-Gesellschaft in Frankfurt zu übernehmen, nahm sie im Januar 1969 an.
Zu Beginn ihres Wirkens in Frankfurt fühlte sich Becke-Goehring unverändert mit der Ruperto Carola verbunden, umso mehr, als sie noch Doktoranden in Heidelberg hatte und ihr seit Mai 1969 Titel und Rechte einer persönlichen Ordinaria verliehen waren. Anfang 1970 wandelte sich dies. Im Mai 1969 hatte „Der Spiegel“ die Mitteilung „Deutsche Wissenschaftler forschen für Pentagon“ publiziert. Auch der Universität Heidelberg, die einen Forschungsauftrag zur „Untersuchung von Schwefel-Phosphor-Stickstoff-Polymeren“ habe, wurde dies unterstellt. Becke-Goehring erklärte sofort, dass es sich um Unterstützung ihrer seit 1940 begonnenen Grundlagenforschung von Seiten des „European Office of Aerospace Research“ in Brüssel handele, womit nur eine Verpflichtung verbunden sei: von zu veröffentlichenden Ergebnissen einen Kurzbericht in Englisch zu geben. Die Forschungsmittel wurden unter „Beiträge Dritter“ wie üblich vereinnahmt und zur Forschung eingesetzt. Damit hätte die Sache erledigt sein können. Eine radikale Gruppe von Studenten der Fachschaft machte aber einen „Fall Becke-Goehring“ daraus, nicht ohne Erfolg, zumal mit der Behauptung, Becke-Goehring habe für die amerikanische Luftwaffe geforscht. Trotz der Zeugnisse ehemaliger Schüler und Kollegen in der Presse, die diese Anklagen als „böswilligen Angriff“ auf Becke-Goehring zurückwiesen, berief der damalige Rektor Rolf Rendtorff eine Senatskommission und, obwohl diese Becke-Goehring beipflichtete, eine weitere. Da lehnte Becke-Goehring ihre weitere Teilnahme ab und richtete einen heftigen Brief an den Rektor, der in der RNZ abgedruckt wurde. Als ihr letzter Doktorand promoviert war, erklärte sie, dass sie von ihren akademischen Rechten „keinen Gebrauch mehr machen möchte“ (UA Heidelberg, PA 7512, Brief an den Dekan vom 4.5.1972). Dennoch beteiligte sie sich an der Vorbereitung des Jubiläums zum 600-jährigen Bestehen der Ruperto Carola; denn, wie sie später schrieb, „Die Universität Heidelberg war und ist meine große Liebe“ (UA Heidelberg, PA 7512, Brief an den Rektor vom 3.7.1984).
Ab April 1969 wirkte Becke-Goehring als Direktorin des Gmelin-Instituts. Dies war eine seit 1948 der Max-Planck-Gesellschaft zugeordnete einmalige Organisation zum Sammeln und Bearbeiten aller Informationen aus dem Gesamtgebiet der Anorganischen Chemie, die das Institut als großes Handbuch herausgab. Um das Institut für die zeitgemäßen Aufgaben zu befähigen, änderte Becke-Goehring die Institutsstruktur und richtete Arbeitsgruppen unter kompetenten Leitern ein mit dem Ziel, die Wissenschaftler stärker zur Arbeit zu motivieren und in weitgehender Freiheit allein auf inhaltliche Ziele zu konzentrieren. Unter der Leitung Becke-Goehrings veröffentlichte das Institut 1969 bis 1979 über 180 Bände des „Gmelin-Handbuchs der Anorganischen Chemie“ und 12 Bände eines Formelregisters.
Mit 65 Jahren ging Becke-Goehring in den Ruhestand, wohnte in ihrem Haus in Heidelberg und widmete sich hauptsächlich der Geschichte ihrer Wissenschaft. 1998 gründete sie die „Margot-und-Friedrich-Becke-Stiftung“, deren Ziel die Überwindung der Kommunikationshemmnisse zwischen den „zwei Kulturen“, der Geistes- und Naturwissenschaften, ist. Seit 1999 veranstaltete sie hierzu auch regelmäßig Vortrags- und fachübergreifende Diskussionsabende. Sie starb im Alter von 95 Jahren.
Von den drei Perioden ihres Werdegangs, in Halle, in Heidelberg und dann in Frankfurt, waren die ersten zwei Jahrzehnte in Heidelberg ihre fruchtbarsten als Chemikerin; in diese Zeit fallen ca. 130 ihrer 215 Publikationen. Obwohl sie auch später ihre Doktoranden betreute und inhaltsreiche Übersichtsaufsätze verfasste, war ihr Lebenswerk damit schon weitgehend abgerundet. Aber auch in ihrer organisatorischen Arbeit, als Heidelberger Rektorin und am Gmelin-Institut, blieb sie die Experimentatorin, der „Homo ludens“, wie der holländische Kulturhistoriker Johan Huizinga (1872–1945) 1938 formuliert hatte. Die „Freude am experimentellen Spiel“ (Becke-Goehring, 1978, 44) blieb ihr lebenslang.
Quellen: UA Heidelberg, PA 2586, PA 7512, HAW67, Akten Becke-Goehring, Rep. 14–593, Rep. 14–803, Briefe über Becke-Goehring, H-V-69/2, H-V-111, H-V-116, H-V-226, Akten d. Naturwiss.-math. Fakultät, B II-56a, Studentenhilfe, B II-52f., Anorganisch-chemisches Institut, B II-103e4, Lehrstuhl für anorgan. u. analytische Chemie; Bibliothek d. Chem. Institute d. Univ. Heidelberg, A Reihe, Arb. Chem. Inst. 1947–1970, Sammlung d Sonderdrucke Becke-Goehrings; StadtA Heidelberg, ZGS 2/8, Materialien über Becke-Goehring; Auskunft d. UA Halle vom 27.8.2012.
Werke: (mit H. Stamm) Ein neues Verfahren zur oxydimetrischen Bestimmung von Wismut, in: Zs. für analytische Chemie 115, 1939, 1-8; (mit dems.) Die Kinetik d. Dithionsäurespaltung I, II, III, in: Zs. für physikalische Chemie, A, 183, 1939, 89-111, 112-120, 241-249; (mit dems.) Zum Mechanismus d. Bildung von Polythionsäuren, in: Die Naturwissenschaften 27, 1939, 317f.; (mit dems.) Der Aufbau d. Polythionsäuren mit Hilfe von thioschwefliger Säure, in: Zs. für anorganische u. allgemeine Chemie 242, 1939, 413-426; (mit A. Faessler) Chemische Bindung u. K-Röntgenemissionsspektrum beim Schwefel, in: Die Naturwissenschaften 31, 1943, 567f.; Über zwei isomere Formen d. Sulfoxylsäure, ebd. 32, 1944, 42; Kurze Anleitung zur qualitativen Analyse [Neubearb. von Ludwig Medicus’ „Einleitung in die chemische Analyse“ Bd. 1], 24. Aufl. 1946 bis 28. Aufl. 1961 (mit J. Weiss); Ein Verfahren zur Bestimmung von Sulfoxylat, Bisulfit, Thiosulfat u. von Polythionat nebeneinander, in: Zs. für analytische Chemie 128, 1947, 6-9; (mit W. Helbing u. I. Appel) Die spontane Zersetzung von Polythionatlösungen, in: Zs. für anorganische Chemie 254, 1947, 185-200; Über den Schwefelstickstoff N4 S4, in: Chemische Berr. 80, 1947, 110-122; (mit H. Stamm) Einige neuere Ergebnisse d. Schwefel-Chemie, in: Angewandte Chemie 60, 1948, 147-155; Die Erscheinungsformen d. chemischen Bindung, in: Aus Leben u. Forschung d. Universität 1947/48, Schriften d. Univ. Heidelberg H. 4, 1950, 214-224; Die Chemie d. Polythionsäuren, in: Fortschritte d. chemischen Forschung 2, 1952, 444-483; (mit A. Faessler) Röntgenspektrum u. Bindungszustand. Die Kα-Fluoreszenzstrahlung des Schwefels, in: Die Naturwissenschaften 39, 1952, 169-177; (mit H. Hohenschutz) Heptaschwefelamidosulfonsäure, ebd. 40, 1953, 291f.; (mit D.Voigt) Über die Schwefelnitride (SN)2 u. (SN)Z, ebd. 482; Ergebnisse u. Probleme d. Chemie d. Schwefelstickstoffverbindungen, 1957; Sechsgliedrige u. achtgliedrige Ringsysteme in d. Schwefel-Chemie, in: Angewandte Chemie 73, 1961, 589-597; (mit E. Fluck) Einführung in die Theorie d. quantitativen Analyse, 1961 bis 71990; Polymeric Sulphur and Phosphorus Compounds, in: M. F. Lappert, G. J. Leigh (Eds.), Developments in inorganic polymer chemistry, 1962; (mit E. Fluck) Developments in the inorganic chemistry of compounds containing the sulphur-nitrogen bond, in: Ch. B.Colburn (Ed.), Developments in inorganic nitrogen chemistry Vol. 1, 1966, 150-240; Der weite Weg zum Verständnis d. chemischen Bindung (Rektoratsrede am 22. Nov. 1966), in: Heidelberger Jbb. 11, 1967, 1-17; Ansprache zum Gedenken an Richard Kuhn, in: Mitt. aus d. Max-Planck-Ges. 1967, Sonderheft, 3-6; Ansprache des Rektors bei d. Immatrikulationsfeier d. Univ. Heidelberg am 22. Mai 1967, in: Ruperto Carola 41, 1967, 356-358; Jahresbericht des Rektors über das Amtsjahr 1966/67, ebd. 42, 1967, 270-280; Ansprache bei d. Gedenkfeier für Kurt Schneider 28. Jan. 1968, ebd. 43/44, 1968, 195f.; Jahresber. über das Rektoratsjahr 1967/ 1968, ebd. 45, 1968, 232-298; Marie Curie, in: Universitas 23, 1968, 367-372; (mit K. Erhardt) Über eine Art Cluster-Molekül d. Schwefel-Stickstoff-Chemie, in: Die Naturwissenschaften 56, 1969, 415; Stellungnahme zu dem Spiegel-Artikel vom 19. Mai 1969, in: RNZ vom 22.5.1969, 3, Heidelberger Tageblatt vom 22.5.1969, 17 u. Ruperto Carola 47, 1969, Anlage 1, 38; D. Brief Margot Becke-Goehrings an den Rektor d. Universität, in: RNZ vom 16.5.1970, 9; (mit S. Pantel) Sechs- u. achtgliedrige Ringsysteme in d. Phosphor-Stickstoff-Chemie, 1969; (mit P. B. Hormuth) Ein neues fünfgliedriges Ringsystem mit Stickstoff, Phosphor u. Kohlenstoff im Ring, in: Zs. für anorganische u. allgemeine Chemie 372, 1970, 280-284; (mit H. Schwind) Über neue viergliedrige Ringsysteme mit Stickstoff, Phosphor u. Kohlenstoff im Ring, ebd., 285-291; (mit H. Hoffmann) Komplexchemie, 1970: Aus d. Arbeit des Gmelin-Instituts für anorganische Chemie u. Grenzgebiete in d. MPG, in: Jb d. MPG, 1971, 91-103; Antrittsrede, in: Jb d. Heidelberger Akad. d. Wiss. für 1978, 44-47; Anorganische Chemie zwischen gestern u. morgen. Ein Fragment, in: Sitzungsber. d. Heidelber ger Akad. d. Wiss., Math.-naturwiss. Kl., 1979/80, 5. Abh., 337-377; Rückblicke auf vergangene Tage, Privatdruck, 1983; (mit E. Fluck u.a.) Betrachtungen zur Chemie in Heidelberg, in: Semper Apertus, 1985, Bd. II, 332-359; Freunde in d. Zeit des Aufbruchs d. Chemie. Der Briefwechsel zwischen Theodor Curtius u. Carl Duisberg, in: Sitzungsber. d. Heidelberger Akad. d. Wiss., Math.-naturwiss. Kl., 1990, 1. Abh., 1-202; Anorganische Chemie zwischen gestern u. morgen – wie ich sie erlebte, in: O. M. Marx, A. Moses (Hgg.) Emeriti erinnern sich, Bd. 2, 1994, 235-276; (mit M. Eucken) Arnold Eucken. Chemiker – Physiker – Hochschullehrer, in: Sitzungsber. d. Heidelberger Akad. d. Wiss., Math.-naturwiss. Kl., 1995, 1. Abh., 1-106; Universität Heidelberg 1946–1968. Wie ich sie erlebte, in: Margot Becke-Goehring, D. Mussgnug, Erinnerungen – fast vom Winde verweht. Universität Heidelberg zwischen 1933 u. 1968, 2005, 69-149.
Nachweis: Bildnachweise: UA Heidelberg Pos I Nr. 07063 bis 07076, Fotos von 1945 bis 2001, Pos I Nr. 00148, 00152, 07582, 07845, 07846, zahlr. Gruppenfotos; Ruperto Carola 40, 1966, 6;; Jb. d. MPG, 1971, 90; Zs. für anorganische u. allgemeine Chemie 406, Juni 1974, H. 2–3, Titelbild; B., „Rückblicke..“, Titelbild u. passim; O. M. Marx, A. Moses (Hgg.) Emeriti erinnern sich, Bd. 2, 1994, 236; 50 Jahre Max-Planck-Ges., 1998, T. II, 390 (vgl. Literatur).

Literatur: Poggendorffs Biogr.-literar. Handwörterb. VIIa, Teil 2, 1958, 220f., VIII, Teil 1, 1999, 281– 285; Anonym, Wer ist’s? Margot Becke-Goehring, in: Nachrichten aus Chemie u. Technik 9, 1961, 295 (mit Bildnachweis); Ilse Tubbelsing, Portrait d. ersten Rektorin d. Ruperto Carola, in: Heidelberger Tageblatt vom 26/27.2.1966, 20 (mit Bildnachweis); Univ. Heidelberg ist in Gefahr, ihren Ruf zu verlieren: Hilferuf d. Rektorin u. des Senats, in: Heidelberger Tageblatt vom 14.10.1966; AStA behindert Zusammenarbeit zwischen Lehrkörper u. Studenten, in: RNZ vom 8.5.1968, 5; Tumultartige Szenen in d. Neuen Universität, ebd. vom 30.5.1968, 3; Fortgesetzter Amtsmissbrauch des AStA, ebd., 6; Heidelberger Studenten wurden handgreiflich, in: Heidelberger Tageblatt vom 30.5.1968, 4; Rektor suspendierte den Allgemeine Studentenausschuss, ebd. 13 (mit Bildnachweis); Zum ersten Mal ergriff Rektorin Becke-Goehring das Wort: „Polizei in d. Universität ist etwas schreckliches!“, ebd. vom 31.5.1968, 18; Solidarisierungswelle erfasst Studenten, RNZ vom 31.5.1968, 10; Professor Becke-Goehring begründet Rücktritt, in: Heidelberger Tageblatt vom 31.1.1969, 28; K. Baldinger, Abschiedsworte für Frau Professor Margot Becke-Goehring, in: Ruperto Carola 46, 1969, 194f. (mit Bildnachweis); G. Rienäcker u.a., Frau Professor Margot Becke-Goehring zum 60. Geburtstage, in: Zs. für anorganische u. allgemeine Chemie, 406, 1974, 129f.; E. Fluck, W. Haubold, Frau Professor Margot Becke-Goehring zum 65. Geburtstag, in: Chemiker Zeitung 103, 1979, 235 (mit Bildnachweis); Margot Becke-Goehring 70 Jahre, in: Ruperto Carola H. 71, 1984, 151; Anonym, Margot Becke-Goehring 75 Jahre alt, ebd. H. 80, 1989, 129f.; Johanna Eberhardt, Im Gespräch: Margot Becke-Goehring: Auch für die erste Rektorin am Anfang ein „mieses Brot“, in Stuttg. Ztg. vom 15.6.1989, 6 (mit Bildnachweis); S. Schwarzl, S. Servaty, A. Kruse, Zum Beispiel: Margot Becke-Goehring, in: Nachrichten aus d. Chemie, 50, 2002, 77f. (mit Bildnachweis); Katja Nagel, Die Provinz in Bewegung. Studentenunruhen in Heidelberg 1967–1973, 2009, 29, 43, 135, 184, 341, 370, 396, 397; D. Drüll, Heidelberger Gelehrtenlexikon 1933–1986, 2009, 99f.; A. Simon, Margot Becke-Goehring 1914–2009), in: Jb. d. Heidelberger Akad. d. Wiss. für 2009, 190-193 (mit Bildnachweis); E. Fluck, Margot Becke-Goehring (1914–2009), in: Jahresber. d. Max-Planck-Ges., 2009, Beilage: Personalien, 18f. (mit Bildnachweis).
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